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VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.03.2025 - A 4 S 256/24 - asyl.net: M33666
https://www.asyl.net/rsdb/m33666
Leitsatz:

Freiwilliger Verzicht auf Schutzstatus ist wie dessen Fortbestand zu behandeln:

Verzichtet eine Person freiwillig auf ihren Schutzstatus führt dies nicht zum Wegfall einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Der freiwillige Verzicht ist wie der Fortbestand des Schutzstatus zu behandeln.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Bulgarien, internationaler Schutz in EU-Staat, Verzicht, Aufhebung, Anerkannte
Normen: EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Unter Auswertung aktueller Erkenntnismittel (vgl. dazu im Einzelnen Urteil vom 19.07.2024, a.a.O., Rn. 26 ff.) ist der Senat angesichts der beschriebenen Maßstäbe, die für eine Verletzung von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gemäß dem Jawo-Urteil (vom 19.03.2019 - C-163/17 -, juris) erfüllt sein müssen, zu der Einschätzung gekommen, dass die Lebensbedingungen in Bulgarien bei generalisierender Betrachtungsweise nicht derart massiv schlecht sind, dass es arbeitsfähigen, nichtvulnerablen jungen Menschen flächendeckend nicht gelänge, ihre elementarsten Bedürfnisse nach Unterkunft, Verpflegung und einem Mindestmaß an hygienischer Grundversorgung („Bett, Brot und Seife") zu befriedigen. 

An dieser Einschätzung hält der Senat fest. Auch der hiesige Kläger ist ein gesunder, arbeitsfähiger 25-jähriger Mann, auf den die Ausführungen des Senats in dem genannten Parallelverfahren uneingeschränkt übertragen werden
können. Für die Gruppe der nicht vulnerablen Personen ist unter Auswertung der aktuellen Erkenntnismittel zu Bulgarien weiterhin nicht von einem Verstoß gegen Art. 4 GRCh auszugehen (vgl. wie hier: OVG NRW, Urteil vom
10.09.2024 - 11 A 1460/23.A -, juris, Rn. 66 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 26.02.2025 - 1 LA 430/24 -, juris, Rn. 12). 

2.2. Soweit der Kläger zuletzt geltend gemacht hat, dass ihm in Bulgarien sein Schutzstatus entzogen worden sei, vermag dies keine anderweitige Einschätzung hinsichtlich der fortbestehenden Rechtmäßigkeit von Ziffer 1 des angegriffenen Bundesamtsbescheids zu begründen. 

Ausweislich einer in übersetzter Fassung vorgelegten „Aufhebungsentscheidung" der Republik Bulgarien vom 2024 hat der Kläger, vertreten durch einen bei der Rechtsanwaltskammer in Bulgarien, zugelassenen Rechtsanwalt,
am 2024 einen auf die Aufhebung des Schutzstatus gerichteten Antrag eingereicht und erklärt, dass er keine weitere Nutzung des ihm in Bulgarien gewährten internationalen Schutzes wünsche. 

Wie die Beklagte hierauf zutreffend ausgeführt hat, beseitigt ein freiwilliger Verzicht auf den in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gewährten Schutzstatus nicht die Wirkung der auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützten Unzulässigkeitsentscheidung. Vielmehr ist der freiwillige Verzicht auf einen Schutzstatus - um dem Gesetzeszweck, unerwünschte Sekundärmigration zu vermeiden, gerecht zu werden - wie der Fortbestand des Schutzes zu behandeln (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.06.2023 - 4 LB 6/22, -, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.05.2019 - 21 ZB 16.50029 -, juris, Rn. 12 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, juris, Rn. 13, und Urteil vom 06.04.1992 - 9 C 143.90 -, juris, Rn. 20; Hessischer VGH, Urteil vom 26.10.2021 - 8 A 1852/20.A -, juris, Rn. 29). Andernfalls hätte es ein Asylbewerber in der Hand, durch freiwilligen Verzicht auf seinen ihm von einem anderen Mitgliedstaat zuerkannten Schutzstatus herbeiführen zu können, dass er in der Bundesrepublik Deutschland erneut einen Anspruch auf internationalen Schutz geltend machen könnte. [...]