Vortrag der Homosexualität im Folgeverfahren nicht unglaubwürdig:
Es ist glaubhaft, dass ein gerade 18-jähriger Antragsteller aus Scham dem BAMF nicht seine sexuelle Orientierung offenlegt. Zum einen stellt die Offenlegung der Sexualität gegenüber fremden Personen und insbesondere Behörden eine hohe Hürde dar, zum anderen spricht der persönliche Hintergrund des Antragstellers (Alter, geringe Lebenserfahrung, kein Austausch über Sexualität und geringe Schulbildung) dafür, dass die Scham das Interesse an der Offenlegung seiner Fluchtgründe überwogen hat.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Zwar hat das Bundesamt im Fall des Antragstellers ein Folgeverfahren durchgeführt und seinen Asylantrag erneut als unbegründet ablehnt. Es bestehen jedoch bereits ernstliche Zweifel daran, dass das Bundesamt im Ausgangspunkt zu Recht von einem unbegründeten Asylantrag im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG ausgegangen ist.
Insbesondere begegnet die Einschätzung des Bundesamtes, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG seien nicht erfüllt, ernstlichen Zweifeln. [...]
Vor dem Hintergrund der in der erstinstanzlich vertreten Auffassung [...], wonach Homosexuelle in der Türkei einer Gruppen-Verfolgung unterliegen und der nach Auffassung des Gerichts fehlerhaften Einschätzung des Bundesamtes, wonach der Antragsteller seine Homosexualität nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe, bestehen ernstliche Zweifel daran, dass das Bundesamt im Ausgangspunkt zu Recht von einem unbegründeten Asylantrag im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG ausgegangen ist. [...]
Das Gericht ist insbesondere nicht davon überzeugt, dass es für den bei seiner Erstanhörung gerade 18-jährigen Antragsteller, aufgrund der bereits erlebten ersten Erfahrungen durch die Partnerschaft und auf den Apps nahe gelegen hätte, dass nicht Scham und Angst bei dem Antragsteller überwiegen, sondern sein eigenes Interesse an der Offenlegung seiner sexuellen Orientierung vor dem Bundesamt. Diese Annahme erscheint vor dem Hintergrund des jungen Alters, der wenigen Erfahrungen, der - durch den Antragsteller angegebenen fehlenden Möglichkeit sich innerhalb der Kernfamilie über die etwaig bestehende sexuelle Orientierung auszutauschen und dem Schulbesuch des Antragstellers lediglich bis zur 8. Klasse, vielmehr fernliegend. Dabei lässt die Antragsgegnerin insbesondere außer Acht, dass die Offenlegung der eigenen sexuellen Orientierung gerade gegenüber fremden Personen und insbesondere Behörden eine deutlich höhere Hürde darstellen dürfte, als gegenüber einer bereits vertrauten Bezugsperson bzw. gegenüber einem Arzt. [...]