Falschangaben müssen vorsätzlich erfolgen, um Ausweisungsinteresse zu begründen:
Falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels begründen ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 Bst. a AufenthG). Ein solches Ausweisungsinteresse wird nur begründet, wenn es an eine vorsätzliche Tat anknüpft. Eine fahrlässige Handlung genügt nicht.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
5 a) Die Beschwerde wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts insoweit, als darin der Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ziffern 2 bis 6 des Bescheids des Landratsamts ... vom 02.04.2025 abgelehnt wurde. In diesen Regelungen wurde die Aufenthaltserlaubnis des Antragsstellers nach § 19c AufenthG nicht verlängert (Ziffer 2), ein Aufenthaltstitel zu einem anderen Zweck nicht erteilt (Ziffer 3), der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland und das Hoheitsgebiet der Europäischen Union oder der anderen Schengen-Staaten innerhalb eines Monats zu verlassen (Ziffer 4), dem Antragsteller die Abschiebung nach "Mazedonien" angedroht (Ziffer 5) und ein auf ein Jahr befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet (Ziffer 6).
6 b) Das Verwaltungsgericht, das der Sache nach über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers gegen den Bescheid des Landratsamts ... vom 02.04.2025 in Gänze entschieden hat, hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG oder auf die Erteilung einer anderen Aufenthaltserlaubnis habe. Denn dem stehe die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Dadurch, dass der Antragsteller gefälschte Unterlagen in Gestalt des Sprachzertifikats vom 28.11.2023 sowie der Bescheinigung über die Teilnahme am Test "Leben in Deutschland" vom 15.01.2024 vorgelegt habe, erfülle er ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a AufenthG. Das Erschleichen von Aufenthaltstiteln werte der Gesetzgeber nicht als geringfügiges Unrecht. Im Rahmen des Aufenthaltsgesetzes sei diese unter Strafe gestellt (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Auch unabhängig von einer Verurteilung bewerte der Gesetzgeber eine solche Tat durch § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a AufenthG als Regelbeispiel für die Annahme eines (schweren) Ausweisungsinteresses. [...]
7 c) Die Beschwerde zieht diese Erwägungen mit ihrem Vortrag, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Urkundenfälschung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei und subjektive Tatverdachtsmomente für § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG nicht genügten, erfolgreich in Zweifel.
8 Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsinteresses nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG grundsätzlich der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19c AufenthG entgegensteht. Im vorliegenden Fall erscheint es jedoch äußerst zweifelhaft, ob ein Ausweisungsinteresse aus § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a AufenthG, auf das das Verwaltungsgericht entscheidungstragend abgestellt hat, hergeleitet werden kann. [...] Die Norm entspricht inhaltlich § 46 Nr. 1 des Ausländergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 09.01.2002 [...]. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 46 Nr. 1 AuslG a.F. wird das Ausweisungsinteresse darin gesehen, dass der Betroffene durch Falschangaben dokumentiere, dass er nicht bereit sei, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten. Die zuständigen Behörden würden bewusst in die Irre geführt [...]. Er setzt damit auch das Risiko, dass ihm ggf. ein Aufenthaltstitel erteilt wird, auf den er keinen Anspruch hat [...]. Dem lässt sich entnehmen, dass das Gesetz für das Ausweisungsinteresse an ein bewusstes Handeln des Ausländers anknüpft und damit ein fahrlässiges Handeln nicht genügen lässt. Ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 lit. a AufenthG kann daher nur dann vorliegen, wenn eine falsche oder unrichtige Angabe vorsätzlich erfolgte [...].
9 Hierzu mangelt es an ausreichenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Zwar führt das Verwaltungsgericht aus, dass es keine Zweifel daran habe, dass der Antragsteller um die Umstände, die auf die fehlende Echtheit der von ihm vorgelegten Dokumente schließen ließe, wusste [...]. Diese Formulierung deutet auf die Annahme von Vorsatz hin. Zugleich nimmt es aber an, der Antragsteller hätte dies Umstände jedenfalls aber im Wege einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkennen müssen, was eher für die Annahme von (grober) Fahrlässigkeit spricht. Damit bleibt unklar, von welchem Verschuldensgrad das Verwaltungsgericht ausgeht. Dies lässt sich auch den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht eindeutig entnehmen. Dies erscheint auch besonders problematisch, weil nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Tübingen vom … 2024 zu dem gegen den Antragsteller wegen Urkundenfälschung geführten Ermittlungsverfahren [...] es sich nicht feststellen lasse, ob der Antragsteller erfasst habe, dass er nicht den geforderten kostenpflichtigen Sprachtest absolviert habe. Dem Antragsteller konnte damit aus Sicht der Staatsanwaltschaft kein Vorsatz nachgewiesen werden. Es hätte daher einer Begründung bedurft, aus welchen Umständen das Verwaltungsgericht entgegen der Prüfung der Staatsanwaltschaft nunmehr von einem vorsätzlichen Handeln ausgeht. Hierauf zielt auch das Beschwerdevorbringen ab. [...]