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VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 13.10.2025 - 29 K 373/25 A - asyl.net: M33713
https://www.asyl.net/rsdb/m33713
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für homosexuellen Mann aus dem Irak:

Im Irak besteht landesweit Verfolgungsgefahr für homosexuelle Personen. Internen Schutz oder eine inländische Fluchtalternative gibt es nicht.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Irak, homosexuell, Flüchtlingsanerkennung, interner Schutz,
Normen: AsylG § 3
Auszüge:

[....]

Daran, dass der Kläger homosexuell ist, besteht kein Zweifel. Nach dem persönlichen Eindruck von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung ist die Einzelrichterin davon überzeugt, dass der Kläger wahrheitsgemäß zu seiner Homosexualität aussagte und er diese auch lebt. Es ist ihm nicht zumutbar, sie zu verstecken. Seine Antworten waren nicht einstudiert und insgesamt glaubhaft. Der Kläger schilderte insbesondere auch spontan besonders eindrückliche innere emotionale Details, wie etwa die emotionale Einsamkeit, weil ihn selbst seine ihm grundsätzlich nahestehende Mutter nicht verstehe und weiterhin versuche, ihn zur Ehe mit einer Frau und zur Rückkehr, wenn er sich denn "geändert habe", zu überreden, weshalb er den Kontakt abbrechen musste. Der Kläger wohnt nach neun Unterkunftswechseln wegen dortigen Problemen mit anderen Bewohnern wegen seiner Homosexualität nun in einer von der Schwulenberatung betreuten Unterkunft, wo nur Angehörige der LGBTQ-Gemeinschaft einen Platz erhalten. Der Kläger berichtete auch konsistent und glaubhaft von seinen Partnern und den Besuchen von Bars bzw. Clubs für Homosexuelle sowie seinem Findungsprozess, den familiären und gesellschaftlichen Probleme im Herkunftsland und psychischen Problemen, die sich unter anderem aus der Einsamkeit und individuellen Lage ergeben. Dass er dies alles nur vortäuschen und inszenieren würde, ist nicht ansatzweise erkennbar. [...]

Es ist beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger als Homosexueller im Irak verfolgt werden würde. Dies droht ihm sowohl durch einen staatlichen Akteur als auch durch private Akteure bei fehlender staatlicher Schutzfähigkeit und -bereitschaft (vgl. § 3c AsylG). [...]

Für den Kläger besteht im Irak keine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Dies ist hier zu verneinen. Es lässt sich nicht annehmen, dass der Kläger in einem anderen Teil des Iraks keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat. Es finden Übergriffe auf Homosexuelle im ganzen Land statt, und es fehlt an der nötigen Schutzfähigkeit und -willigkeit der entsprechenden Akteure im Sinne von § 3d AsylG im gesamten Irak. Nach dieser Maßgabe ist dem Kläger die Rückkehr in einen anderen Teil des Iraks auch nicht zuzumuten. [...]