Keine Abschiebungsanordnung wegen fehlender Rückübernahmebereitschaft Italiens:
Die Aufnahmebereitschaft des Dublin-Staates muss positiv feststehen, damit eine Abschiebungsanordnung positiv ergehen kann. Aufgrund der im Dezember 2022 ergangenen Rundschreiben der italienischen Behörden, in denen diese mitteilen, dass sie bis auf weiteres keine Personen zurücknehmen können, und der Tatsache, dass seitdem nur vereinzelt Überstellungen stattgefunden haben, erscheint die Überstellung als faktisch unmöglich. Dass seit dem Erlass der Rundschreiben bereits einige Zeit vergangen ist, ändert daran nichts.
(Leitsätze der Redaktion)
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Zwar mag Italien grundsätzlich für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin zuständig gewesen sein (1.). Es steht aber nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (2.). [...]
2. Es steht allerdings nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Rechtliche Grundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies hängt von der Aufnahmebereitschaft des jeweiligen Rückführungsstaates (hier Italien) ab, welche abschließend positiv feststehen muss [...]. Die Verfügung einer Abschiebungsanordnung ist dann nicht zulässig, wenn dem Bundesamt zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides bereits Erkenntnisse vorliegen, die konkrete Zweifel an der Möglichkeit einer Überstellung begründen. Dies ergibt sich neben dem Wortlaut der Vorschrift auch in systematischer Hinsicht daraus, dass der Gesetzgeber das Bundesamt in § 34a Abs. 1 Satz 4 AsylG für den Fall, dass die Möglichkeit der Überstellung im maßgeblichen Zeitpunkt nicht feststehen sollte, zum Erlass einer Abschiebungsandrohung verpflichtet hat […].
Insbesondere aufgrund der Rundschreiben der italienischen Behörden vom 5. und 7. Dezember 2022 an die Dublin-Einheiten der übrigen Mitgliedstaaten sind Zweifel an der Möglichkeit einer Überstellung der Antragstellerin nach Italien begründet. Italien hat darin einen Aufnahmestopp in Bezug auf Dublin-Rückkehrende erklärt, weil es keine Plätze im Aufnahmesystem gebe [...].
Die durch die Rundschreiben vom 5. und 7. Dezember 2022 begründeten Zweifel an der Möglichkeit der Überstellung der Antragstellerin werden weder durch die den Schreiben selbst zu entnehmende Vorläufigkeit der Weigerung ("temporarily suspend") noch dadurch widerlegt, dass seitdem einige Zeit vergangen ist. Da die italienischen Behörden in ihren Schreiben kein Enddatum für die Aussetzung angegeben haben und den Schreiben auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für die beabsichtigte Dauer der Aussetzung zu entnehmen sind, begründeten die Schreiben bereits unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung durchgreifende Zweifel an der Möglichkeit einer Überstellung von Dublin-Rückkehrenden nach Italien [...]. Seit Abgabe der Erklärung haben auch faktisch allenfalls vereinzelte Rückübernahmen stattgefunden, die nichts daran ändern, dass weder zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung noch in absehbarer Zeit eine Überstellung faktisch möglich erscheint. [...]