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VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Beschluss vom 07.10.2025 - 5 B 167/25 - asyl.net: M33716
https://www.asyl.net/rsdb/m33716
Leitsatz:

Drohende unmenschliche Behandlung in Griechenland für jungen Anerkannten mit PTBS:

1. Aufgrund des Jugendhilfebedarfs und der psychischen Erkrankung des Antragstellers ist davon auszugehen, dass ihm als anerkannt schutzberechtigte Person in Griechenland eine unmenschliche Behandlung drohen würde.

2. Auch wenn das vorgelegte Gutachten zu der psychischen Erkrankung (hier: Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS) nicht den Vorgaben des § 60a Abs. 2c AufenthG genügt, weil es von einer psychologischen Psychotherapeutin und keiner Fachärztin verfasst wurde, kann es dennoch Anhaltspunkte über den Gesundheitszustand und mögliche Auswirkungen oder Einschränkungen liefern.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Griechenland, besonders schutzbedürftig, Krankheit, psychische Erkrankung, Gutachten, psychologische Psychotherapeutin, Anerkannte, Abschiebungsandrohung
Normen: EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4, AufenthG § 60a Abs. 2c, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Ausweislich des Ergebnisses der EURODAC-Datenbank wurde dem Antragsteller in Griechenland am 29. November 2023 internationaler Schutz zuerkannt. [...]

Bei Auswertung der aktuellen Erkenntnismittel und unter Berücksichtigung des Jugendhilfebedarfs des Antragsteller sowie der diagnostizierten Erkrankung liegen nach summarischer Prüfung aber hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass den Antragsteller im Falle seiner Überstellung nach Griechenland, unabhängig von seinem Willen und seinem persönlichen Entscheidungen, angesichts der in Griechenland vorzufinden Lebensbedingungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Situation extremer materieller Not ausgesetzt sein wird (vgl. zu dem aufgrund der Vermutungswirkung des „Prinzips des gegenseitigen Vertrauens" strengen Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzsuchenden und zu der besonders hohen Schwelle der Erheblichkeit für eine Verletzung von Art. 4 EGRCh bzw. Art. 3 EMRK sowie zu den Auswirkungen des Kriteriums der systemischen Mängel im Asylverfahren oder in den  Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende bzw. im Falle der Anerkennung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Gefahrenprognose EuGH Urt. v. 19.3.2019 - C-163/17 -, juris Rn. 82 ff.; BVerwG, Urt. v. 9.1.2019 - 1 C 36.18 -, juris Rn. 19; Beschl. v. 6.6.2014-10 B 35.14 -, juris Rn. 5; OVG Saarl., Urt. v. 19.4.2018 - 2 A 737/17 -, juris Rn. 19; Nds. OVG, Urt. v. 9.4.2018 -10 LB 92/17 -, juris Rn. 27). [...]

Beim Antragsteller liegen nach summarischer Prüfung hingegen gegenwärtig hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass er im Falle seiner Überstellung nach Griechenland nicht in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften, sodass ihm das ernsthafte Risiko, in eine Situation extremer materieller Not zu geraten und insbesondere keinen Zugang zu einer menschenwürdigen Unterkunft zu erhalten, sich zu ernähren und zu waschen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Der inzwischen volljährige Antragsteller befindet sich weiterhin in einer Jugendhilfeeinrichtung. Darüber hinaus spricht nach dem vorgelegten Psychologischen Gutachten vom 2025 überwiegendes dafür, dass der Antragsteller unter einer psychischen Erkrankung in Form einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet. Das Gutachten wurde zwar von einer psychologischen Psychotherapeutin und nicht von einer Ärztin verfasst
und genügt deshalb nicht den Vorgaben des§ 60a Abs. 2c AufenthG. Es kann vorliegend jedoch trotzdem Berücksichtigung finden und tatsächliche Anhaltspunkte über die gesundheitliche
Situation und die möglichen Auswirkungen/Einschränkungen liefern (vgl. auch OVG Bremen, Beschl. v. 17.3.2025 - 2 B 14/25 -, juris Rn. 13 f.). Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind qualifiziert zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist, mittels wissenschaftlich geprüfter und  anerkannter psychotherapeutischer Verfahren oder Methoden(§ 1 Abs. 2 Satz 1 PsychThG). Das Gutachten genügt zudem - mit Ausnahme der Urheberschaft - den Vorgaben, die § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG an die Substantiierung der Erkrankung und ihrer Folgen stellt. Die Therapeutin gelangt unter umfangreicher Darlegung der angewandten Methoden und der biografischen Angaben zu der begründeten Einschätzung, dass der Antragsteller an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, die infolge der Erlebnisse im Zusammenhang mit der durch al-Shabaab
verübten Gewalt im Heimatland verursacht wurde und seitdem besteht. [...]