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VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Beschluss vom 27.10.2025 - 2 B 617/25 - asyl.net: M33732
https://www.asyl.net/rsdb/m33732
Leitsatz:

Kein Eilrechtsschutz für junge Frau mit Anerkennung in Griechenland:

Zwar betrifft die Entscheidung des BVerwG unmittelbar Männer, allerdings geben die Entscheidungsgründe nichts dafür her, warum für Frauen etwas anderes gelten sollte. Als nichtvulnerable Schutzberechtigte ist die junge Frau darauf zu verweisen, sich den Bedingungen in Griechenland zu stellen und durch hohe Eigeninitiative bei der Unterbringung und Sicherung ihres Lebensunterhalts mitzuwirken.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Griechenland, Frauen, alleinstehende Frauen, internationaler Schutz in EU-Staat,
Normen: EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist vorliegend auch nicht deswegen ausgeschlossen (vgl. EuGH, Beschluss vom 13.11.2019 - C-540/17 - u. a., juris), weil die Antragstellerin in Griechenland als international Schutzberechtigte solche Lebensverhältnisse en/varten würden, die sie der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC zu erfahren. [...]

Diese Rechtsprechung lässt sich nach Auffassung der Kammer auch auf die Personengruppe der - wie die Antragstellerin - Jungen, alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden Frauen mit einem internationalen Schutzstatus in Griechenland übertragen (ebenso: VG Würzburg, Beschluss vom 18.08.2025 - W 4 8 25.33868 -, Juris Rn. 32 ff.;VG Stade, Beschluss vom 10.10.2025 -1 B 2608/25 n.V.; a.A.: VG Aachen, Beschluss vom 08.10.2025 - 10 L 851/25.A-, juris Rn. 31 ff. m.w.N.). Zwar betrifft das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts unmittelbar nur Männer. Die Entscheidungsgründe geben aber nichts dafür her, warum für Frauen etwas anderes gelten sollte. Ebenso wenig ergibt sich dies aus den der Kammer vorliegenden und den vom  Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung herangezogenen Erkenntnisquellen. Diese lassen insbesondere weder den Schluss zu, dass ausreichende Plätze in Obdachlosen- und Notunterkünften sowie Übergangswohnheimen nur für Männer, aber nicht für Frauen zur Verfügung stehen sollen noch, dass diese - von kommunalen Trägern oder nichtstaatlichen Hilfsorganisationen betriebenen - Unterkünfte Frauen generell unzumutbar sein könnten. Auch können Frauen durch eigenes Erwerbseinkommen - gegebenenfalls in Verbindung mit Unterstützungsleistungen nichtstaatlicher Hilfsorganisationen und karitativer Einrichtungen - ihr Existenzminimum im Sinne der elementarsten Bedürfnisse sicherstellen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die für Schutzberechtigte offenstehenden Tätigkeiten durchweg durch derart schwere körperliche Arbeit geprägt sind, dass Frauen hiervon von vornherein faktisch  ausgeschlossen wären. Denn neben dem Baugewerbe besteht in Griechenland ein Arbeitskräftebedarf auch in den Bereichen Landwirtschaft, Gastronomie, Tourismus, Gesundheitswesen und verarbeitendes Gewerbe (vgl. dazu österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Griechenland - Version 12 - vom 30.07.2025, S. 45, 46, 48).

 Auch die individuellen Umstände der Antragstellerin - die sie ihm Rahmen ihrer Anhörungen beim Bundesamt sowie im gerichtlichen Verfahren vorgebracht hat - rechtfertigen kein anderes Ergebnis. 

Die Antragstellerin ist 31 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie sich ernsthaft bemüht hätte, sich Zugang zu den ihr in Griechenland zustehen den Leistungen zu schaffen und sich die für eine legale Arbeitsaufnahme erforderlichen Dokumente zu beschaffen. Vielmehr ist sie kurz nach Zuerkennung internationalen Schutzes per Flugzeug über die Niederlande nach Deutschland weitergereist. Soweit sie vorträgt, an Migräne zu leiden, hat sie hierzu keine aussagekräftigen, aktuellen ärztlichen Atteste vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie deshalb nicht in der Lage wäre zu arbeiten.

Dass es ihr während ihres Aufenthalts in Griechenland an „Bett, Seife oder Brot" gefehlt hätte oder ihr sonst etwas zugestoßen wäre, hat die Antragstellerin beim Bundesamt auch selbst nicht substantiiert vorgetragen. Vielmehr hat sie angegeben, in einem Camp untergebracht gewesen zu sein und Essen erhalten zu haben. Soweit sie vorgetragen hat, das Essen, die Hygienebedingungen sowie die Lebensumstände seien schlecht gewesen, erreicht dies nicht die für die Annahme einer Verletzung von Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK biäscnders hohe Schwelle der Erheblichkeit. [...]

Die Antragstellerin ist folglich darauf zu ven/veisen, sich den Bedingungen in Griechenland zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative bei der Unterbringung und Sicherung ihres Lebensunterhalts mitzuwirken. Sie gehört zur Personengruppe der nichtvulnerablen Schutzberechtigten, denen ein höheres Maß an Durchsetzungsvermögen und Eigeninitiative abzuverlangen ist. [...]