Keine Ablehnung des Ehegattennachzugs mit pauschalem Verweis auf wegen Zeitablaufs nicht (mehr) vorhandene Sprachkenntnisse:
1. Ein Sprachzertifikat, das vier Jahre alt ist, kann nicht allein mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass Sprachkenntnisse in diesem Zeitraum in der Regel verblassen, wenn es keine Anhaltspunkte für die Verschlechterung der Sprachkenntnisse im konkreten Einzelfall benannt werden.
2. Aufgrund des sich unumkehrbar verschlechternden Gesundheitszustand der deutschen Ehefrau ist ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache geboten.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
3 Dass dem Antragsteller zu 1 mit dem von ihm vorgelegten Zertifikat des Goethe-Instituts Dakar vom 15. Mai 2021 deutsche Sprachkenntnisse des Niveaus A1 bescheinigt worden sind, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Das Verwaltungsgericht begründet seine Annahme, der Antragsteller zu 1 habe dennoch nicht glaubhaft gemacht, zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über einfache deutsche Sprachkenntnisse zu verfügen, allein damit, dass das Zertifikat mittlerweile vier Jahre alt ist. Den von ihm hieraus - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Antragsgegnerin und des Beigeladenen - gezogenen Schluss, das Zertifikat habe wegen dieses Zeitablaufs nur noch geringe Aussagekraft für die Sprachkenntnisse des Antragstellers zu 1, stützt das Verwaltungsgericht indessen allein auf die Erwägung, Sprachkenntnisse würden - gerade auf niedrigem Niveau - "in der Regel" verblassen, wenn die Sprache nicht regelmäßig weiter praktiziert werde, und der Antragsteller zu 1 habe seit dem Ablegen der Prüfung weiterhin im gambischen Sprachraum gelebt, so dass sich seine Kenntnisse der deutschen Sprache "verschlechtert haben werden". Konkrete Anhaltspunkte für die von ihm vermutete Verschlechterung der Sprachkenntnisse hat es nicht benannt, ebenso wenig wie die Antragsgegnerin. In der von dieser erstinstanzlich angeführten Aussage des Goethe-Instituts ist nur die Rede davon, dass Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1 nach kurzer Zeit "verblassen können", insbesondere wenn die erworbene Sprache im Alltag nicht angewandt werde.
4 Das reicht als Beleg für die Annahme, der Antragsteller zu 1 habe vier Jahre nach der Sprachprüfung keine einfachen deutschen Sprachkenntnisse im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG mehr, auch angesichts dessen nicht aus, dass er diese Prüfung nach dem vorgelegten Zertifikat nicht nur knapp, sondern mit "gut" bestanden hat, nämlich mit 86 von 100 Punkten. Insofern unterscheidet sich der Fall maßgeblich von dem Sachverhalt, der der vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 22. September 2014 - OVG 6 N 52.14 - n.v.) zu Grunde lag. Dort habe die Visumbewerberin bei einer Vorsprache in der Botschaft so gut wie keine der gestellten Fragen verstanden, auch nicht, wenn diese äußerst langsam und übermäßig deutlich gesprochen worden seien, und sei nach Übersetzung der Frage nicht zu einer Antwort auf Deutsch in der Lage gewesen.
5 Der Umstand, dass der Antragsteller zu 1 die ihm von der Antragsgegnerin "eingeräumte" Gelegenheit, seine Sprachkenntnisse durch ein aktuelles Zertifikat erneut nachzuweisen, nicht ergriffen hat, lässt vor dem Hintergrund der von der Beschwerde angeführten Schwierigkeiten, in Gambia Sprachprüfungen abzulegen - die vorgelegten Prüfungsnachweise stammen aus Dakar (Senegal) - ohne weitere konkrete Anhaltspunkte nicht den Schluss zu, die im Jahre 2021 mit der Note "gut" bestätigten deutschen Sprachkenntnisse des Niveaus A1 seien nicht mehr in hinreichendem Umfang vorhanden. Hinzu kommt, dass die fehlende Bereitschaft, eine erneute Sprachprüfung abzulegen, angesichts der erheblichen Dauer des im Januar 2021 eingeleiteten Visumverfahrens verständlich ist. Dessen Verzögerungen sind in erheblichem Umfang der Antragsgegnerin zuzurechnen. Diese benötigte mehr als zwei Jahre für die Überprüfung von Urkunden, die der Antragsteller zu 1 im Mai 2022 zusätzlich eingereicht hatte. [...]
7Die Beschwerde wendet sich auch mit Erfolg gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei kein Anordnungsgrund gegeben. Sie weist unter Vorlage einer weiteren, mit der erstinstanzlich vorgelegten übereinstimmenden ärztlichen Bescheinigung vom ... 2025 zutreffend darauf hin, dass die Antragstellerin zu 2 nicht nur "pauschal" psychische Beeinträchtigungen bei "grundsätzlich" schlechter gesundheitlicher Situation behauptet, sondern nach Einschätzung der behandelnden Ärztin neben der Gefahr einer Invalidisierung durch die psychische Belastung auch die Gefahr eines Rezidivs ihrer Krebserkrankung (...) bestehe. Dies steht der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr in der Lage wäre, seien nicht glaubhaft gemacht, entgegen. Angesichts der Gefahr einer ggf. unumkehrbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der deutschen Ehefrau des Antragstellers zu 1 ist der Erlass der aus dem Tenor ersichtlichen einstweiligen Anordnung ungeachtet der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG geboten. [...]