Auch Familien mit Kindern können nach Bulgarien zurückkehren:
1. In Bulgarien können Kinder ab 3 Monaten die Kinderkrippe, ab 3 Jahren die Kita und Kinder ab 4 Jahren die Vorschule besuchen. Somit ist es den Eltern möglich, das notwendige Existenzminimum zu erwirtschaften. Bei fehlender Fremdbetreuung kann der betreuende Elternteil durch Teilzeit- , Heim- oder Wochenendarbeit oder durch schichtversetztes Arbeiten zum Lebensunterhalt beitragen.
2. Mit der erfolgreichen Durchführung des Familiennachzugs in Bulgarien haben die Antragsteller*innen Organisationstalent und Eigeninitiative bewiesen. Dank diesen Eigenschaften werden die Antragsteller*innen in Bulgarien Hilfe und Unterstützung bei der Integration, dem Spracherwerb, der Arbeits- und Wohnungssuche finden.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Vorliegend ist die Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG indes nicht ausgeschlossen. Es ist nicht anzunehmen, dass die. Antragsteller in Bulgarien unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten würden. [...]
Aufgrund der allgemeinen Erkenntnisse über die wirtschaftliche und soziale Lage von Schutzberechtigten in Bulgarien, namentlich in Bezug auf die vorschulischen Betreuungsmöglichkeiten für noch nicht schulpflichtige Kinder, sowie der Bewertung der Lebensumstände der Antragsteller geht das Gericht davon aus, dass ihr Lebensunterhalt im Falle einer Rückkehr in dem vorbezeichneten, von Rechts wegen nur geforderten geringen Umfang gesichert sein wird und sie nicht der Obdachlosigkeit anheimfallen werden. [...]
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer, dass bei einer Rückkehr eines Schutzberechtigten nach Bulgarien ein vom Willen eines arbeitsfähigen und gesunden Schutzberechtigten unabhängiger "Automatismus der Verelendung" nicht festzustellen ist. Es ist für Schutzberechtigte grundsätzlich möglich, ein den oben bezeichneten nur geringen Ansprüchen genügendes Obdach und eine Erwerbstätigkeit finden, welche die vorbezeichneten, rudimentärsten Lebensbedürfnisse ("Bett, Brot, Seife") deckt [...].
Das erkennende Gericht geht zunächst davon aus, dass anerkannt Schutzberechtigte,
die nach Bulgarien zurückkehren - trotz bestehender Schwierigkeiten - ausreichende Möglichkeiten haben, eine Unterkunft zu finden, und dass weiterhin keine konkreten Hinweise darauf bestehen, dass dieser Personenkreis in Bulgarien im Allgemeinen obdachlos oder von Obdachlosigkeit in besonderem Maße bedroht wäre [...]. Es ist nicht erkennbar, dass im Fall der Antragsteller etwas anders gelten würde. Vielmehr ist es dem Antragsteller zu 1 gelungen, nach Verlassen des Flüchtlingscamps eine private Unterkunft zu finden und haben die Antragsteller nach dem Zuzug der Antragsteller zu 3-5 im November 2024 auch als Familie zusammen immerhin ca. 9 Monate lang in einer Wohnung in Sofia gelebt - wenn auch den Angaben des Antragstellers zu 1 zu Folge aus Kostengründen gemeinsam mit einer anderen Familie. Es ist nicht erkennbar, weshalb ihm dies nicht erneut gelingen sollte.
Darüber hinaus bewertet das Gericht in ständiger Rechtsprechung die allgemeine Auskunftslage zur wirtschaftlichen Situation in Bulgarien dahingehend, dass Schutzberechtigte nach Ablauf eines Übergangszeitraums regelmäßig in der Lage sein werden, ihren Lebensunterhalt - gegebenenfalls unter zusätzlicher Inanspruchnahme der Hilfe von Nichtregierungsorganisationen - selbstständig zu bestreiten. [...]
Im Rahmen der Beurteilung der bei einer Rückkehr nach Bulgarien drohenden Gefahr für Familien mit betreuungsbedürftigen, nicht schulpflichtigen Kindern hat die Kammer zwar bislang maßgeblich auf die Anzahl der erwerbsfähigen Personen abgestellt und ausgeführt, es könne [...] nicht davon ausgegangen werden, dass beide Elternteile vollschichtig arbeiten könnten, weshalb es den Eltern in Bulgarien nicht gelingen werde, eine zur Existenzsicherung der ganzen Familie hinreichende Beschäftigung zu finden.
In seiner neuesten Rechtsprechung ist die Kammer hiervon indessen mit Blick auf die in Bulgarien auch schon für sehr kleine Kinder bestehenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten abgerückt. Für die von Rechts wegen vorzunehmende Bewertung aller einzelfallrelevanten Umstände sind auch die aktuellen Erkenntnisse zu den in Bulgarien existierenden Betreuungsmöglichkeiten für minderjährige Schutzberechtige heranzuziehen. Danach können Kinder im Alter zwischen drei Monaten und drei Jahren Kinderkrippen besuchen. Ab einem Alter von drei Jahren ist der Besuch einer (staatlichen, kommunalen oder privaten) Kindertagesstätte möglich. [...] Seit dem Schuljahr 2023/2024 besteht für Kinder ab dem Jahr, in dem sie das vierte Lebensjahr vollenden, die Pflicht zum Besuch einer Vorschule. Das Gericht verkennt nicht, dass es beim Zugang zu den vorgenannten Einrichtungen zu tatsächlichen Schwierigkeiten, etwa aus Kapazitätsgründen oder aufgrund von Sprachbarrieren, kommen kann. Aussichtslos erscheint die Suche nach einem Betreuungsplatz allerdings nicht. Immerhin besuchen bereits 89 % der über dreijährigen Kinder in Bulgarien eine Betreuungseinrichtung. Ab dem Alter von vier Jahren ist der Besuch ohnehin obligatorisch. Bei Kindern unter drei Jahren ist der Anteil zwar deutlich geringer. Dabei dürften aber auch kulturelle Vorstellungen und die Ausgestaltung der Elternzeitregelung in Bulgarien eine erhebliche Rolle spielen. Bei fehlender Fremdbetreuung sieht die Kammer zudem die Möglichkeit, dass der Elternteil, der als Hauptaufgabe die Betreuung der Kinder übernimmt, jedenfalls durch eine entsprechend ausgestaltete Erwerbstätigkeit {Teilzeitarbeit, schichtversetztes Arbeiten, Heim- oder Remotearbeit, Arbeit am Wochenende etc.) zum Lebensunterhalt der Familie beitragen kann.
Bei gemeinsamen Anstrengungen sollte es hiervon ausgehend den Antragstellern zu 1 und 2 gelingen, durch die jeweilige Erwerbstätigkeit zum Familieneinkommen beizutragen und so zusammen die zur Existenzsicherung der Familie (in dem rechtlich nur gebotenen rudimentären Umfang) erforderlichen Einkünfte zu generieren. Bei Aufbringung der von einem Schutzberechtigten insoweit geforderten Eigeninitiative werden sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Unterstützung bei der Integration, insbesondere beim Erlernen der bulgarischen Sprache, finden und werden in der Lage sein, nach einer Übergangszeit eine Arbeit aufzunehmen. Wie dargelegt stehen in Bulgarien auch eine Vielzahl von Stellen offen, die keine besonderen Vorkenntnisse voraussetzen. Abgesehen davon hat der Antragsteller zu 1 durch seine Tätigkeit in der Türkei bereits Erfahrungen in der Landwirtschaft sowie durch seine Tätigkeit in Bulgarien auf dem Bau gesammelt. [...]
Dass die Antragsteller zu 1 und 2 befähigt sind, das erforderliche Organisationstalent und die erforderliche Eigeninitiative aufzubringen, wird durch die von ihnen entfaltete Reisetätigkeit belegt. Durch die ersichtlich geplant zeitversetzte Ausreise der Familienmitglieder aus der Türkei in Richtung Bulgarien ist es dem Antragsteller zu 1 gelungen, seine Familie im Wege des Familiennachzugs, legal, nach Bulgarien nachkommen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Unterkunft in einer Wohnung für die Familie organisiert. Außerdem haben die Antragsteller in der Folge zielgerichtet den Erhalt ihrer bulgarischen (Reise-)Papiere abgewartet, um auf diese Weise der gesamten Familie, die auf dem Landweg nach Deutschland gekommen ist, das legale Passieren diverser europäischer Binnengrenzen zu ermöglichen. [...]