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VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Beschluss vom 31.10.2025 - 27 L 2543/25.A - asyl.net: M33820
https://www.asyl.net/rsdb/m33820
Leitsatz:

Aufklärung individueller Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr im Hauptsacheverfahren: 

Angesichts der sehr schlechten wirtschaftlichen Lage in Syrien muss vor Erlass einer Rückkehrentscheidung geprüft werden, ob existentielle Gefahren abgewendet werden können. Dies hängt von den individuellen Möglichkeiten, der Rückkehrregion und vom familiären und sozialen Netzwerk ab. 

(Leitsatz der Redaktion) 

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, Ausschlussgrund, Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5, AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 7
Auszüge:

[...]

a) Zwar liegen die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 1 AsylG vor, wonach ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen wurde. Dies ist der Fall, weil der Antragsteller mit bestandskräftiger Ordnungsverfügung vom … 2014 aus dem Bundesgebiet wegen vollendeten und versuchten Mordes ausgewiesen wurde. Der Asylantrag ist auch unbegründet, denn ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt auf Grundlage des Vortrags des Antragstellers beim Bundesamt nicht in Betracht, weil schon eine Verfolgungshandlung nicht beachtlich wahrscheinlich ist. Ein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ausgeschlossen, weil der Antragsteller sich wegen einer Straftat der Zuerkennung subsidiären Schutzes als unwürdig erwiesen hat. Darauf, ob der Antragsteller noch eine Gefahr darstellt, kommt es insofern nicht an [...].

Dennoch sprechen erhebliche Gründe für die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Zum Prüfprogramm des Bundesamtes gehört auch, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG darf die Abschiebungsandrohung nur ergehen, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn es ist jedenfalls offen und ohne Durchführung des Hauptsacheverfahrens nicht zu beantworten, ob der Antragsteller Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK hat. [...]

c) Der Bürgerkrieg hat in Syrien zu einer sehr schlechten wirtschaftlichen Lage geführt, hat große Teile der Infrastruktur zerstört und eine Ernährungsunsicherheit in der Bevölkerung hervorgerufen. Trotz positiver Tendenzen nach dem Sturz des Assad-Regimes ist die Bevölkerung weiterhin massiv auf humanitäre Hilfe angewiesen und steht vor großen Herausforderungen, wie Wohnungsmangel, im Verhältnis zum Einkommen hohen Lebenshaltungskosten und einem sehr eingeschränkten Arbeitsmarkt. Eine zusammenfassende Würdigung dieser Erkenntnislage ergibt, dass es von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt, ob einem Rückkehrer nach Syrien die Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK droht. Dazu gehören etwa Unterhaltsverpflichtungen, die Rückkehrregion, berufliche Erfahrungen, körperliche Einschränkungen, ein familiäres oder soziales Netzwerk und eine vorhandene Unterkunft [...].

Ausgehend hiervon bleibt der Beurteilung und Aufklärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob der Antragsteller in der Lage sein wird, in Syrien existentielle Gefahren abzuwenden. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, welche Möglichkeiten der Antragsteller besitzt, in Syrien eine Unterkunft zu erhalten, mit welcher (finanziellen) Unterstützung der Antragsteller durch in Deutschland und/oder in Syrien lebende Verwandte rechnen kann und welche Erwerbschancen der bereits 68-jährige Antragsteller in Syrien hätte. Das Bundesamt hat diese Fragen zwar betrachtet, aber die notwendige und rechtlich gebotene Aufklärung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG) unterlassen. Es hat insbesondere den Antragsteller nicht ausreichend zur Leistungsfähigkeit bzw. Leistungsbereitschaft seiner Verwandten in Deutschland befragt, obwohl es auf deren Unterstützung gerade tragend abgestellt hat. [...]