VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.05.2005 - 13 S 1310/04 - asyl.net: M6953
https://www.asyl.net/rsdb/M6953
Leitsatz:
Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel, Zuwanderungsgesetz, Gesetzesänderung, Entscheidungszeitpunkt, Passpflicht, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Lebensunterhalt, Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
Normen: AufenthG § 25 Abs. 3; AufenthG § 5 Abs. 1; AufenthG § 5 Abs. 3; AufenthG § 48; AufenthV § 55
Auszüge:

Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist einem Ausländer, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung seiner Abschiebung nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen, in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. § 60 Abs. 7 AufenthG entspricht der früheren Vorschrift des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Bei der Klägerin liegt auch kein Ausnahmefall i.S.d. § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor. Ein solcher kann sich auch nicht daraus ergeben, dass die Klägerin nicht über einen Pass verfügt. Auch die nach Auffassung der Beklagten ungenügenden Bemühungen um einen Pass spielen insoweit keine Rolle.

Schon nach der Gesetzessystematik handelt es sich bei der (Nicht-)Erfüllung der Passpflicht nicht um einen Fall des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, sondern nach § 5 Abs. 1 AufenthG um eine allgemeine Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Doch ist gemäß § 5 Abs. 3 AufenthG u.a. in dem hier vorliegenden Fall einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG - zwingend - von der Anwendung von § 5 Abs. 1 AufenthG abzusehen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG darf also mit anderen Worten nicht mit der Begründung, der Passpflicht werde nicht genügt, abgelehnt werden. In der Nichterfüllung der Passpflicht kann damit auch kein "wiederholter oder gröblicher Verstoß gegen entsprechende Mitwirkungspflichten" i.S.d. § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG liegen. Ein derartiger Verstoß lässt sich auch nicht aus § 48 AufenthG herleiten. Es ist zwar zutreffend, dass zum einen der Ausländer nach § 48 Abs. 1 AufenthG verpflichtet ist, einen Pass, Passersatz oder Ausweisersatz auf Verlangen der Ausländerbehörde vorzulegen und dass zum anderen nach § 48 Abs. 2 AufenthG nur derjenige Ausländer, der weder einen Pass besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen, seiner Ausweispflicht mit einem - ausdrücklich als solchen bezeichneten - Ausweisersatz seiner Ausweispflicht genügt. Dass die Klägerin gegebenenfalls ihrer Ausweispflicht i. S. d. § 49 AufenthG nicht genügt, stellt jedoch keinen "wiederholten oder gröblichen Verstoß gegen entsprechende Mitwirkungspflichten" i.S.d. § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG dar. Denn mit der Formulierung "entsprechende Mitwirkungspflichten" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass damit Mitwirkungspflichten gemeint sind, die mit der zuvor in § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG angesprochenen Ausreisepflicht in Zusammenhang stehen. Davon kann aber bei der rein ordnungsrechtlichen Ausweispflicht (§ 48 ist Teil des 4. Kapitel des Aufenthaltsgesetzes, das die Überschrift: "Ordnungsrechtliche Vorschriften" trägt) - im Gegensatz zur Passpflicht - nicht die Rede sein.

Auch aus anderen Gründen ist die Beklagte nach Auffassung des Senats nicht berechtigt, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG mit dem Hinweis auf § 48 AufenthG abzulehnen. Gegen die von der Beklagten geäußerte Ansicht, demjenigen, der in zumutbarer Weise einen Pass erlangen könne, könne kein Ausweisersatz ausgestellt und deshalb rein faktisch keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, spricht schon die Gesetzessystematik. Wenn diese Auffassung zuträfe, liefe die Vorschrift des § 5 Abs. 3 AufenthG insoweit leer. Überdies würde übersehen, dass es sich bei § 48 AufenthG, wie schon nach altem Recht bei den §§ 39, 40 AuslG, um reines Ordnungsrecht handelt, während die §§ 5, 25 AufenthG die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis regeln. Im Übrigen vermengt die von der Beklagten geäußerte Ansicht die - voneinander zu trennenden - Fragen der Pass- und der Ausweispflicht (vgl. dazu Renner, AuslR, 7. Aufl., § 39 Rn. 2). Gegenstand von § 48 Abs. 2 AufenthG (bzw. nach altem Recht bei den § 39, 40 AuslG) ist ausschließlich die Frage, auf welche Weise der Ausländer seiner (ordnungsrechtlichen) Ausweispflicht genügt. In diesem Zusammenhang bestimmt § 48 Abs. 2 AufenthG (bzw. nach altem Recht § 39 AuslG), dass derjenige Ausländer, der weder einen Pass besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, der Ausweispflicht schon mit dem sog. Ausweisersatz genügt. Daraus kann aber nach Auffassung des Senats nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass demjenigen, der sich ggf. in zumutbarer Weise einen Pass beschaffen konnte, keine Bescheinigung über seinen Aufenthaltstitel, versehen mit Angaben zur Person und Lichtbild, ausgestellt werden dürfe. Schon nach altem Recht hätte nämlich der Ausländer in einer solchen Fallgestaltung zwar im Sinne von § 39 AuslG einen "Ausweisersatz" besessen, gleichwohl damit aber - nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift - seiner Ausweispflicht nicht genügt. Auch hieraus wird deutlich, dass die Ausstellung einer Bescheinigung über den Aufenthaltstitel einerseits und die Frage der Erfüllung der Ausweispflicht andererseits voneinander unabhängig sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 55 AufenthV. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift wird einem Ausländer, der einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt oder nicht in zumutbarer Weise erlangen kann, (...) auf Antrag ein Ausweisersatz ausgestellt, sofern er einen Aufenthaltstitel besitzt (...). § 55 Abs. 1 AufenthV verdeutlicht im Gegenteil in zweierlei Hinsicht, dass die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unabhängig vom Besitz eines Ausweisersatzes ist. Zum einen wird danach der Ausweisersatz nur auf Antrag ausgestellt, zum anderen ist der Besitz eines Aufenthaltstitels Voraussetzung für die Ausstellung des Ausweisersatzes. Dies zeigt, dass die Auffassung der Beklagten, der Aufenthaltstitel könne nur erteilt werden, wenn der Ausländer einen Ausweisersatz besitzt, nicht haltbar ist. Schließlich machen auch § 78 Abs. 2 und 6 AufenthG die "technische" Eigenständigkeit des Aufenthaltstitels und des Ausweisersatzes deutlich. § 78 Abs. 2 AufenthG spricht ausdrücklich von der Ausstellung des Aufenthaltstitels "als eigenständigem Dokument", während § 78 Abs. 6 Satz 2 AufenthG darlegt, dass in dem Vordruck des Ausweisersatzes u.a. der Aufenthaltsstatus vermerkt wird, was nur dann Sinn macht, wenn Aufenthaltstitel und Ausweisersatz nicht von vornherein dasselbe Dokument bilden.