Erste OVG Entscheidungen zum Schutzstatus von Asylsuchenden aus Syrien veröffentlicht

Die seit Anfang 2016 geänderte Praxis des BAMF, Asylsuchenden aus Syrien lediglich subsidiären Schutz anstatt Flüchtlingsschutz zuzusprechen, führt weiterhin zu zahlreichen Klagen von Betroffenen. Inzwischen liegen die Urteilsbegründungen von drei obergerichtlichen Entscheidungen vor. Der Großteil der erstinstanzlichen Entscheidungen fällt für Betroffene weiterhin positiv aus.

Die Änderung der Entscheidungspraxis des BAMF, seit Anfang 2016 Asylsuchenden aus Syrien lediglich subsidiären Schutz zu gewähren, hat eine große Zahl an Klagen vor den Verwaltungsgerichten nach sich gezogen (siehe hierzu auch unsere Meldung zur Musterklage vom 3.8.2016 und unsere Meldung vom 28.9.2016).

Die Folgen dieser Entscheidungspraxis sind weitreichend, da die Betreffenden dadurch von der vielfach kritisierten Aussetzung des Familiennachzugs bis März 2018 erfasst werden (siehe § 104 Abs. 13 AufenthG und Stellungnahme des DIMR). Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke) kritisiert die Entscheidungspraxis des BAMF als "nicht nur schäbig, sie legt nach dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch noch die Verwaltungsgerichte lahm."

Laut ergänzender Asylstatistik der Bundesregierung für das Jahr 2016 (auf Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke) waren zum 26.1.2017 vor den Verwaltungsgerichten 39.889 Klagen von Personen anhängig, denen im Asylverfahren nur subsidiärer Schutz statt Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Hinzu kommen 1.233 Anträge auf Zulassung der Berufung und 513 Berufungsverfahren, wobei die Mehrheit dieser Verfahren von Personen aus Syrien geführt wird die. Nach der Auswertung des migrationspolitischen Referenten der Bundestagsfraktion Die Linke, Thomas Hohlfeld, waren von den 6.754 im Jahr 2016 entschiedenen Gerichtsverfahren 75,8% für die Betroffenen erfolgreich (für Personen aus Syrien 79,6%).

Das BAMF hat in vielen dieser Fälle Anträge auf Zulassung der Berufung gestellt. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG mit Beschluss vom 14.11.2016 (2 BvR 14.11.16, asyl.net: M24463, Asylmagazin 1-2/2017) klargestellt, dass die den Berufungsverfahren zugrundeliegende Frage, ob Asylsuchenden aus Syrien aufgrund drohender Rückkehrbefragungen Flüchtlingsschutz oder lediglich subsidiärer Schutz zu gewähren ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist (siehe hierzu den Beitrag von Pauline Endres de Oliveira im "Verfassungsblog"). Den Anträgen auf Zulassung der Berufung wird daher vielfach stattgegeben, so z.B. vom VGH Hessen mit Beschluss vom 17.1.2017 (3 A 2970/16.Z.A, asyl.net: M24653).

Obwohl das OVG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 23.11.2016 (3 LB 17/16, asyl.net: M24619, Veröffentlichung im Asylmagazin 3/2017 vorgesehen), das OVG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 16.12.2016 (1 A 10922/16, asyl.net: M24708, Veröffentlichung im Asylmagazin 3/2017 vorgesehen) und der VGH Bayern mit Urteilen vom 12.12.2016 (die Urteilsbegründungen liegen noch nicht vor) bereits entschieden haben, dass Asylsuchenden aus Syrien nicht allein wegen ihres Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung in Deutschland Verfolgung im Sinne der GFK drohe, bejahen viele Verwaltungsgerichte weiterhin die Flüchtlingseigenschaft in solchen Fällen. Darunter beispielsweise das VG Sigmaringen mit Urteil vom 31.1.2017 (A 3 K 4482/16, asyl.net: M24680), das VG Osnabrück mit Urteil vom 5.12.2016 (7 A 35/16, asyl.net: M24608), das VG Kassel mit Urteil vom 23.11.2016 (5 K 1682/16.KS.A, asyl.net: M24453) oder das VG Oldenburg mit Urteil vom 18.11.2016 (2 A 5162/16, asyl.net: M24413). Viele der aktuellen Entscheidungen stützen die Annahme einer Verfolgungsgefahr neben einer grundsätzlichen Gefährdungslage für Rückkehrende zusätzlich auf gefahrerhöhende Umstände aufgrund bestimmter Risikoprofile (siehe dazu auch die entsprechenden UNHCR Erwägungen).

Dabei gehen zahlreiche Gerichte davon aus, dass insbesondere bei Wehrdienstverweigerern, Reservisten und Deserteuren eine die Flüchtlingseigenschaft begründende Verfolgungsgefahr vorliegt. So hat der VGH Bayern in seinem Urteil vom 12.12.2016 (21 B 16.30372, asyl.net: M24739, Veröffentlichung im Asylmagazin 3/2017 vorgesehen) entschieden, dass Personen im militärdienstpflichtigen Alter zwischen 18 und 42 Jahren (darunter sowohl Wehrdienstpflichtige als auch Reservisten), die sich durch die Flucht ins Ausland dem Militärdienst entzogen haben, bei Rückkehr nach Syrien die Gefahr einer staatlichen Verfolgung in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle Gesinnung drohe. Dies gelte unabhängig davon, ob die betroffene Person bereits einen Einberufungsbefehl erhalten habe oder nicht. Andere Gerichte, wie etwa das VG Magdeburg mit Urteil vom 12.10.2016 (9 A 175/16, asyl.net: M24586), stellen darauf ab, ob eine konkrete Mobilisierung im Einzelfall unmittelbar bevorsteht, oder unterscheiden zwischen Wehrdienstverweigerern, Reservisten und Deserteuren - wie etwa das OVG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 16.12.2016 (siehe oben: 1 A 10922/16 asyl.net: M24708).

  • Die genannten und weitere einschlägige Entscheidungen zum Schutzstatus von Asylsuchenden aus Syrien sind in unserer Länderrubrik Syrien (Auswahl von Entscheidungen) sowie in unserer Rechtsprechungsdatenbank (Sammlung aller Entscheidungen) unter dem Schlagwort "Syrien" zu finden.

Hinweis

Aufgrund vielfältiger Gesetzesänderungen können einzelne Arbeitshilfen in Teilen nicht mehr aktuell sein. Wir bemühen uns, so schnell wie möglich eine aktualisierte Version zu verlinken. Bis dahin bitten wir Sie, auf das Datum der Publikation zu achten und zu überprüfen, ob die Informationen noch korrekt sind.

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