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EuGH: Zuständigkeitsübergang bei Ablauf der Dublin-Überstellungsfrist

In einer aktuellen Entscheidung stellte der EuGH fest, dass bei Ablauf der Überstellungsfrist die Zuständigkeit im Dublin-Verfahren auf den Staat übergeht, der die asylsuchende Person nicht rechtzeitig in den ursprünglich zuständigen Staat überstellt hat. In Fortführung seiner Rechtsprechung befand er, dass sich Asylsuchende auf den Fristablauf berufen können.

Mit Urteil vom 25. Oktober 2017 in der Rechtssache Shiri gegen Österreich (C-201/16 – asyl.net: M25607) stellte der EuGH fest, dass die Zuständigkeit von Rechts wegen mit dem Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf den Staat übergeht, der den ursprünglich zuständigen Staat zwar um Aufnahme ersucht hat, dann aber die betroffene Person nicht rechtzeitig überstellt hat. Dabei bezieht sich der Gerichtshof auf sein Urteil vom 26. Juli 2017 in der Rechtssache Mengesteab gg. Deutschland (C-670/16 - asyl.net: M25274, siehe asyl.net Meldung vom 26.7.2017). In dieser Entscheidung hatte der Gerichtshof festgestellt, dass auch die vorgegebene (dreimonatige) Frist zur Stellung eines Aufnahmegesuchs von den Mitgliedstaaten unbedingt zu beachten ist, also nach Ablauf dieser Frist kein wirksames Aufnahmegesuch mehr gestellt werden kann. In der Rechtssache Shiri betonte der EuGH abermals, dass der Zuständigkeitsübergang unabhängig von irgendeiner Reaktion des ursprünglich zuständigen Mitgliedstaats erfolgt.

In Fortführung seiner Rechtsprechung (vgl. Rechtssache Mengesteab) befand der Gerichtshof zudem, dass sich Asylsuchende auch auf den Ablauf der sechsmonatigen Frist berufen können, die nach Art. 29 Dublin-III-VO für die Überstellung der Betroffenen vorgesehen ist. Auch in diesem Fall geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Dass Asylsuchende sich selbst auf bestimmte Regelungen der Dublin-Verordnung berufen können, also „subjektive Rechte“ daraus ableiten können, hatte der EuGH erstmals Mitte 2016 entschieden (EuGH, Urteile vom 07.06.2016, Ghezelbash, C-63/15, asyl:net: M23883 und Karim, C-155/15, asyl.net: M23884; Ausführlich hierzu siehe Heiko Habbe, Asylmagazin 7/2016, S. 206 ff.).

Im Hinblick auf die Überstellungsfrist wies der Gerichtshof auf eine Besonderheit hin: Diese beziehe sich im Gegensatz zur Frist für das Aufnahmeersuchen nicht nur auf die Überstellungsentscheidung, sondern auch auf dessen Durchführung. Daher betonte der EuGH, dass im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Erlass der Überstellungsentscheidung (sog. Dublin-Bescheid) der ersuchende Staat verpflichtet ist, von Amts wegen seine Zuständigkeit anzuerkennen und unverzüglich mit der Prüfung des Asylantrags der betroffenen Person zu beginnen.

Die Entscheidung erging im Rahmen einer Reihe von Verfahren, in denen sich der EuGH mit der Zuständigkeit europäischer Staaten für Schutzsuchende befasst (siehe asyl.net Meldung vom 12.7.2017). In einigen dieser Vorabentscheidungsverfahren traf er bereits Urteile (siehe asyl.net Meldung vom 26.7.2017). Die aktuelle Entscheidung in der Rechtssache Shiri erging auf Vorlage des Verwaltungsgerichtshofs Österreichs und betrifft einen Asylsuchenden aus dem Iran, für dessen Asylantrag ursprünglich Bulgarien zuständig war.