LSG Rheinland-Pfalz

Merkliste
Zitieren als:
LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.06.2001 - L 6 SB 108/00 - asyl.net: C1677
https://www.asyl.net/rsdb/C1677
Leitsatz:

Das SchwbG geht vom territorialen Geltungsbereich aus und gewährt nur denjenigen Behinderten Schutz, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, sich dort gewöhnlich aufhalten oder/und dort arbeiten; darin ist auch kein Verstoß gegen Grundrechtsnormen oder EG-Recht zu sehen. (Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Ausländer, Behinderte, Schwerbehindertengesetz, Schwerbehinderteneigenschaft, Wohnsitz, Gewöhnlicher Aufenthalt, Arbeitsplatz, Diskriminierungsverbot, Freizügigkeit
Normen: SchwbG § 38 Abs. 1; SchwbG § 1; SchwbG § 7
Auszüge:

Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - und um einen solchen handelt es sich bei der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen die bei Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist.

Gemäß § 38 Abs. 1 1. Halbsatz SchwbG erlischt der gesetzliche Schutz Schwerbehinderter mit dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 1 SchwbG. Schwerbehinderte im Sinne des SchwbG sind nach § 1 SchwbG Personen mit einem GdB von wenigstens 50 %, sofern sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 7 Abs. 1 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. Geltungsbereich des SchwbG ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Versetzung in den Ruhestand lagen diese Voraussetzungen für den Kläger nicht mehr vor. Der Kläger hat weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Nach eigenen Angaben wohnt er in Frankreich und dort ist auch sein Lebensmittelpunkt. Hierbei spielt es keine Rolle, dass der Kläger 1976 mit Einverständnis seines Dienstherren seinen Wohnsitz nach Frankreich verlegt hat. Maßgeblich sind nach § 30 SGB I, der hier zur Anwendung kommt, allein die tatsächlichen Voraussetzungen, dass der Kläger in Frankreich wohnt und dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Nach seiner Versetzung in den Ruhestand ist der Kläger auch nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland auf einem Arbeitsplatz beschäftigt.

Das Gesetz geht vom territorialen Geltungsbereich aus und gewährt nur denjenigen Behinderten Schutz, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, sich dort gewöhnlich aufhalten oder/und dort arbeiten. Damit werden Deutsche, die im Ausland wohnen und arbeiten bzw. im Ausland wohnen und nicht arbeiten nicht als Behinderte geschützt.

Der Senat sieht hierin keinen Verstoß gegen Grundrechtsnormen oder EG-Recht.

Die Vorschrift behandelt vielmehr Deutsche und Ausländer gleich und verstößt deshalb nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWG-VO Nr. 1612/68. Nach Art 7 EWG-VO Nr. 1612/68 darf ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen nicht anders behandelt werden als ein inländischer Arbeitnehmer. Diesem Verbot trägt § 1 SchwbG durch die Gleichstellung von Deutschen und Ausländern gerade Rechnung.

Ein Verstoß gegen die EWG-VO Nr. 118/97 bzw. Nr. 1408/71 ist ebenfalls nicht gegeben. Nach Art. 4 (10) Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2.12.1996 zur Änderung und Aktualisierung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ist der sachliche Geltungsbereich der Verordnung auf bestimmte Leistungssysteme und -arten beschränkt, die in der Vorschrift benannt sind. Eine Erweiterung über den genannten Wortlaut kommt nicht in Betracht (EuGH Urteil vom 5.3.1998 -C- 160/96 SozR3-3300 § 34 Nr. 2). Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft unterfällt weder den im Absatz 1 der Vorschrift genannten Leistungsarten noch ist sie eine beitragsunabhängige Sonderleistung im Sinne des Abs. 2a der Bestimmung, da ihr der unmittelbare monetäre Charakter fehlt.

Die Regelung des § 1 SchwbG verstößt auch nicht gegen Art. 48 EWG-Vertrag und das Recht auf Freizügigkeit. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland findet eine Gleichbehandlung statt. Es ist auch nach Überzeugung des Senats in Ansehung der Vorteile, die durch die Schwerbehinderteneigenschaft begründet werden, sachlich gerechtfertigt diese nur im Inland lebenden Personen oder Personen, die im Inland arbeiten, zu gewähren.

Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 S 2 GG, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, ist nicht gegeben, da Anknüpfungskriterium nicht die Behinderung ist, sondern die Verlegung des Wohnsitzes und Aufenthaltsnahme außerhalb des Geltungsbereichs des SchwbG.

Es besteht auch kein Bedürfnis im Wege der Auslegung für den Fall, dass ein Behinderter im Ausland wohnt und im Inland Steuern zahlt, eine entsprechende Anwendung vorzusehen. Dem Gesetzgeber obliegt es, im Rahmen des Territorialitätsprinzips zu bestimmen, welche Voraussetzungen für die Schwerbehinderteneigenschaft erfüllt sein müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass eine planwidrige Gesetzeslücke insoweit gegeben ist.