BVerwG

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Zitieren als:
BVerwG, Beschluss vom 10.01.2002 - 1 B 326.01 - asyl.net: C1710
https://www.asyl.net/rsdb/C1710
Leitsatz:

Ablehnung eines Beweisantrages zur Gefährdung bei Rückkehr nach Angola wegen verlorengegangener Immunisierung unzulässig.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Angola, Situation bei Rückkehr, Abschiebungshindernis, Medizinische Versorgung, Semi-Immunität, Infektionsrisiko, Beschwerde, Verfahrensmangel, Beweisantrag, Ablehnung, Sachverständigengutachten, Eigene Sachkunde, Beweisermittlungsantrag
Normen: VwGO § 123 Abs. 2 Nr. 2
Auszüge:

Die Beschwerde ist mit der Rüge enes Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) begründet.

Zu Recht rügt die Beschwerde die Ablehnung des Beweisantrags des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den gesundheitlichen Risiken für den Fall seiner Rückkehr nach Angola als verfahrensfehlerhaft.

Der Kläger hat im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO schriftsätzlich beantragt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass er im Falle der Rückkehr wegen seiner nicht mehr vorhandenen Anpassungsmöglichkeit im Immunsystem an die dortigen Infektions- und Erkrankungsrisiken auf dem Hintergrund des heruntergewirtschafteten Gesundheits- und Sozialwesens in Angola in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung bzw. bald danach schwerwiegend an einer der dort vorkommenden Tropenerkrankungen (wie Typhus, Hepatitis, Malaria usw.) mit der Folge schwerster gesundheitlicher Schäden bis hin zum Tod erkranken werde.

Das Berufungsgericht hat die Ablehnung des Sachverständigenbeweisantrages damit begründet, dass es sich um einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag handele. Diese Begründung trägt die Ablehnung jedoch nicht. Ein als unzulässig ablehnbarer Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag liegt nur vor in Bezug auf Tatsachenbehauptungen, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - a.a.O.; Beschluss vom 5. November 1998 - BVerwG 7 B 199.98 - RU BARoV 1999, Nr. 3, 7; Beschluss vom 2. Juli 1998 - BVerwG 11 B 30.97 - Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 2 = NVWZ 1999, 654; Beschluss vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - NJW 1988, 1746). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat in seinem Beweisantrag hinreichend substantiiert dargelegt, weshalb er im Falle seiner Rückkehr ein besonderes Erkrankungsrisiko befürchtet. Dies habe seine Ursache darin, dass ihn sein Immunsystem wegen seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet (seit 1993) nicht mehr hinreichend vor den Folgen der in Luanda verbreitet vorkommenden Tropenkrankheiten, insbesondere Typhus, Hepatitis und Malaria, schützen würde und er deshalb im Hinblick auf das dortige desolate Gesundheitswesen mangels ärztlicher Behandlung unmittelbar lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt wäre. "Völlig aus der Luft gegriffen" erscheint diese Behauptung nicht, zumal der Kläger ihre Plausibilität durch konkreten Hinweis auf ein von einem anderen Oberverwaltungsgericht hierzu eingeholtes Sachverständigengutachten untermauert hat. Das Berufungsgericht durfte dem Kläger in diesem Zusammenhang auch nicht entgegenhalten, dass er keine eigene ärztliche Stellungnahme vorgelegt habe, welche die Plausibilität oder Richtigkeit seiner Behauptung belegen würde (so aber BA S. 9). Dies wäre anders, wenn der Kläger besondere Gefahren im Hinblick auf eine eigene Erkrankung oder risikoerhöhende Veranlagung geltend gemacht hätte. Das ist jedoch nicht der Fall.

Bei dieser Sachlage hätte das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht als unzulässigen Beweisermittlungsantrag ablehnen dürfen.