VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2001 - A 12 S 280/00 - asyl.net: M0424
https://www.asyl.net/rsdb/M0424
Leitsatz:

1. In die Türkei zurückkehrende Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit sind - sofern im Einzelfall keine Besonderheiten vorliegen - hinreichend sicher davor, bei Wiedereinreise asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein (Bestätigung und Fortschreibung der Senatsrechtsprechung, zuletzt Urteil vom 13.09.2000 - A 12 S 2112/99 -).

2. Zur Bedeutung des Heimatorts für die Gefahr asylrelevanter Verfolgung bei der Wiedereinreise.

3. Auch unter Berücksichtigung des Lageberichts des Auswärtigen Amtes vom 22.06.2000 droht wegen exilpolitischer Tätigkeit bei einer Rückkehr in die Türkei dort - wenn überhaupt - nur exponierten Personen politische Verfolgung (Bestätigung und Fortschreibung der Senatsrechtsprechung, zuletzt Urteil vom 07.10.1999 - A 12 S 1021/97 -). (amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Türkei, Kurden, Gruppenverfolgung, Interne Fluchtalternative, Nachfluchtgründe, Subjektive Nachfluchtgründe, Exilpolitische Betätigung, Demonstrationen, Antragstellung als Asylgrund, PKK, Sympathisanten, Verdacht der Unterstützung, Festnahme, Folter, Situation bei Rückkehr, Grenzkontrollen, Objektive Nachfluchtgründe, Sippenhaft
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AuslG § 53
Auszüge:

"Besonderheiten" im Sinne der Senatsrechtsprechung weist die Klägerin ferner nicht wegen ihres Heimatortes auf.

Angesichts der geschilderten Einreisemodalitäten wäre Voraussetzung für eine Verdächtigung des Rückkehrers auf Grund seines Heimatortes durch die Flughafen- bzw. Grenzpolizei, dass ihr entsprechende Informationen zugänglich sind. Dies erscheint nicht völlig ausgeschlossen, wie der Fall des abgeschobenen XXX zeigt, den ein Beamter der Flughafenpolizei bei der Einreiseüberprüfung für einen fast fünf Jahre zurückliegenden politischen Mord an einem Offizier in seinem Heimatort im Kreis (...)verantwortlich gemacht hat, jedoch handelt es sich um einen offenbar zufälligen und daher singulären Vorfall (vgl. Oberdiek, 02.04.1997 an OVG Mecklenburg-Vorpommern, S. 204). Normalerweise werden Einreisekontrolleure keine Kenntnis örtlicher Sicherheitsverhältnisse bis hinab auf die Dorfebene haben (vgl. Oberdiek, a.a.O.; ders., 12.05.1995 an VG Braunschweig; ähnlich ai, 23.11.2000 an VG Augsburg), eine Annahme, die bereits wegen der hohen Zahl der in Konflikte und Kampfoperationen verwickelten kurdischen Dörfer und Ortschaften plausibel ist (vgl. z.B. Kaya, 11.04.1995 an VG Aachen, wo der Heimatort der Klägerin nur als einer von vielen Schauplätzen allein in der Provinz Kahramanmaras genannt ist); Taylan (30.10.2000 an VG Sigmaringen) verneint sogar von vornherein eine Bedeutung der Herkunft aus bestimmten Ortschaften. Wenn die Grenzpolizei Verdacht schöpft, dann geschieht dies deshalb in aller Regel nicht wegen des Heimatortes, sondern auf Grund von Hinweisen aus einer der bereits genannten Informationsquellen wegen der darin enthaltenen personenbezogenen Erkenntnisse. Die Auffassung von Kaya über die Bedeutung des Heimatortes, die sich im Übrigen auf die Ermittlungstiefe der Sicherheitsbehörden bezieht (z.B. 18.04.1997 an RA Brühl, 18.08.1998 an VG Würzburg), ist dementsprechend zu relativieren. In dieser Auffassung sieht sich der Senat durch weitere Erkenntnismittel bestätigt (Auswärtiges Amt, 01.03.2001 an VG Sigmaringen; Oberdiek, 12.12.2000 an VG Sigmaringen). Es ist nicht erkennbar, dass im Fall der Klägerin Anlass zu einer abweichenden Beurteilung besteht.