BVerwG

Merkliste
Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 15.02.2001 - 1 C 23.00 - asyl.net: M0567
https://www.asyl.net/rsdb/M0567
Leitsatz:

1. Die Voraussetzungen des § 30 IV AuslG müssen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfüllt sein.

2. Unanfechtbare Ausreisepflicht i.S.v. § 30 IV AuslG setzt bestandskräftigen Ausreisebescheid voraus.

3. § 39 IV AuslG erfordert keine 2-jährige förmliche Duldung

4. Zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Libanon, Staatenlose, Palästinenser, Duldung, Humanitäre Gründe, Straftäter, Drogendelikte, Aufenthaltsbefugnis, Regelversagungsgründe, Abschiebung, Sperrwirkung, Ausreisepflicht, Unanfechtbarkeit, Ausweisungsgründe, Entscheidungszeitpunkt, Mündliche Verhandlung, Ermessen
Normen: AuslG § 30 Abs. 3; AuslG § 30 Abs. 4; AuslG § 8 Abs. 2; AuslG § 42
Auszüge:

Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG müssten zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erfüllt sein. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichtet sind, grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, soweit es darum geht, ob schon aus Rechtsgründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt oder versagt werden muss.

Dies hat auch hinsichtlich der Frage zu gelten, ob bei einer auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gerichteten Verpflichtungsklage die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG vorliegen; denn hiervon hängt ab, ob die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis zwingend zu versagen ist oder im Ermessen der Behörde steht (vgl. auch Urteile vom 8. April 1997 - BVerwG 1 C 12.94 - BVerwGE 104, 210, 212 und vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1 C 19.96 - Buchholz 402.240 § 30 AuslG Nr. 8 S. 16).

Unanfechtbar ausreisepflichtig ist ein Ausländer nicht schon dann, wenn er kraft Gesetzes zur Ausreise verpflichtet ist, weil er nicht oder nicht mehr im Besitz einer erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung ist (§ 42 Abs. 1 AuslG). Es reicht auch nicht aus, dass die Ausreisepflicht nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 AuslG vollziehbar ist. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Unanfechtbarkeit hat der Gesetzgeber an das Vorliegen eines die Ausreisepflicht selbständig begründenden oder feststellenden Verwaltungsakts angeknüpft, weil nur dieser anfechtbar ist und infolgedessen unanfechtbar werden kann (vgl. Urteile vom 3. Juni 1997 - BVerwG 1 C 7.96 - a.a.O. und vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 8.98 - Buchholz 402.240 § 30 AuslG Nr. 9 S. 25).

Danach war der Kläger zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung seit mehr als zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig. Denn der Bescheid des Bundesamts vom 13. November 1995, mit dem der Folgeantrag des Klägers abgelehnt und ihm gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 34 AsylVfG die Abschiebung angedroht wurde, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seit dem 26. April 1996 bestandskräftig.

Der Verwaltungsgerichtshof wird zu klären haben, ob der Kläger eine Duldung besitzt. § 30 Abs. 4 AuslG erfordert freilich nicht, dass er bereits seit zwei Jahren förmlich geduldet wird.