LG Stuttgart

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Zitieren als:
LG Stuttgart, Urteil vom 21.06.2001 - 5 KfH 0 21/01 - asyl.net: M0951
https://www.asyl.net/rsdb/M0951
Leitsatz:

Zur Zulässigkeit von Prozessführungshandlungen durch Mitarbeiter der Caritas. (Leitsatz der Redaktion)

 

Schlagwörter: D (A), Rechtsberatungsgesetz, Rechtsbesorgung, Caritasverband, Flüchtlingsbetreuung, Soziale Beratung, Gerichtsverfahren, Prozesskostenhilfe, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Eilfall, Unterlassungsklage
Normen: RBerG Art. 1 § 1; RberG Art. 1 § 3 Nr. 1; BSHG § (; UWG § 1
Auszüge:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, es zu unterlassen, für Dritte Rechtsrat durch Formulierung von Eingaben an Gerichte zu erteilen, es sei denn, es handle sich um eine Tätigkeit

a) im Rahmen von § 305 InsO

b) im Rahmen einer Angelegenheit, die wegen Eilbedürftigkeit keinen Aufschub duldet

c) zur Erlangung von Prozeßkostenhilfe.

Danach ist neben der eigentlichen Prozeßvertretung, die bereits Gegenstand der von der Beklagten 1 am 27.08.1997 abgegebenen Unterlassungserklärung ist, den Beklagten auch jede weitere Tätigkeit, die zu einer Prozeßführung gehört, insbesondere auch die Abfassung von Schriftsätzen und die Formulierung von Eingaben im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens untersagt.

Von diesem Grundsatz sind indessen Ausnahmen geboten:

aa) Die Klägerin selbst nimmt Tätigkeiten der Beklagten im Rahmen des § 305 InsO aus.

bb) Die staatliche Prozeßkostenhilfe ist eine Form der Sozialhilfe im Rahmen der Rechtspflege, die nur aus Zweckmäßigkeitsgründen in der ZPO und nicht im BSHG geregelt ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 59. Auflage, Übersicht vor § 114 Rnziff. 1, 2). Es erscheint deshalb sinnvoll, die dem Aufgabenbereich der Beklagten nahestehende Tätigkeit zur Erlangung der Prozeßkostenhilfe diesen zuzuweisen.

Die Zuständigkeit der Beklagten endet mit Abschluß des PKH- Verfahrens.

cc) Die Beklagten haben in überzeugender Weise dargelegt, daß ein nicht unerheblicher Teil ihrer Klientel nicht im Stande ist, sich an die üblichen Gepflogenheiten zu halten und daß deshalb oft die Gefahr besteht, daß Termine oder Fristen nicht eingehalten oder sonst versäumt werden. Um die Beklagten auch in solchen Fällen in die Lage zu versetzen, die ihnen obliegende "persönliche Hilfe" in effektiver Art und Weise zu leisten, erscheint es angebracht, ihnen in Eilfällen

also insbesondere dann, wenn die Versäumung einer Frist oder eines Termins droht oder wenn es um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geht, etwa nach § 123 VwGO oder nach § 916 ff. ZPO - ihnen eine Tätigkeit für ihre Klienten zu gestatten, die allerdings auf das zur Fristwahrung Erforderliche beschränkt sein muß.

Soweit die Beklagten hiernach in der Vergangenheit Rechtsberatung durch Hilfestellung bei gerichtlichen Verfahren ausgeübt haben, steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG zu.

a) Das Tatbestandsmerkmal der "Geschäftsmäßigkeit" nach § 1 I RBerG liegt unzweifelhaft vor, denn dafür ist lediglich eine selbständige, mit Wiederholungsabsicht erfolgende Tätigkeit erforderlich, die auch unentgeltlich vorgenommen werden kann (Rennen/Caliebe, § 1 RBerG Rnziff. 56).

b) Nicht zweifelhaft kann auch sein, daß zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Ein solches ist zu unterstellen, wenn zwei Unternehmen denselben Kundenkreis haben. Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen, denn "Kunden" sowohl der Klägerin wie auch der Beklagten sind Personen, die Rechtsberatung benötigen. Ausreichend ist, daß jedenfalls ein kleiner Teil der Betroffenen Personen, die von Beklagten beraten wird, damit als Kunden der Mitglieder Klägerin ausscheiden. Nicht erforderlich ist, daß den Mitgliedern der Klägerin tatsächlich Umsätze entgehen und unmaßgeblich ist auch das Motiv der Beklagten - das können durchaus soziale oder kirchliche Gründe sein (Baumbach/ Hefermehl, Wetlbewerbsrecht, 21. Auflage, Einleitung Rnziff. 235).