Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
Gemessen an den obigen Kriterien liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor, weil dem Kläger als ehemaligem Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes bei einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen seiner politischen Überzeugung droht.
Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen und durch die Bestätigung des Internationalen Roten Kreuzes nachgewiesen, dass er sich von 1981 bis 1990 in iranischer Kriegsgefangenschaft befunden hat. Das Gericht glaubt dem Kläger auch seine weiteren Angaben über die Einzelheiten der Kriegsgefangenschaft, insbesondere seine anfängliche Dolmetschertätigkeit, die anschließende Folter und in der Folge die Konversion und Zusammenarbeit mit dem iranischen Geheimdienst bei der Behandlung anderer irakischer Kriegsgefangener. Das Gericht sieht sich dabei in Übereinstimmung mit der Bewertung des Europäischen Zentrums für kurdische Studien in dem Gutachten vom 08.12.2006, das die diesbezüglichen Angaben des Klägers für außerordentlich detailliert hält und keinen Anlass sieht, daran zu zweifeln. Soweit das Deutsche Orient-Institut in seinem Gutachten vom 04.07.2006 im Gegensatz dazu die Glaubwürdigkeit des Klägers insgesamt verneint, kommt dem nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls hinsichtlich der Ereignisse in der Gefangenschaft schon deshalb keine maßgebliche Bedeutung zu, weil der Gutachter nach eigenen Angaben über keinerlei konkrete Informationen über die Lebenssituation irakischer Kriegsgefangener in iranischen Gefangenenlagern in der Zeit von 1981 bis 1990 verfügt. Unabhängig davon kann das Gericht aber auch die Wertung des Deutschen Orient-Instituts nicht nachvollziehen, denn - mit Ausnahme der Anwendung von Folter - bestätigt es wesentliche Grundzüge des klägerischen Vortrags, nämlich etwa dass die Iraner versucht haben, die irakischen Kriegsgefangenen, gerade wenn es sich um Kurden oder Menschen mit "iranischen Herkunftslinien und/oder Verbindungen" handelte - beides ist bei dem Kläger der Fall - dazu zu gewinnen, auf der iranischen Seite zu kämpfen und dass es "diesen Leuten", nämlich dem Obersten Rat der Islamischen Revolution im Irak - SCIRI -, erlaubt wurde, in den Lagern ihre eigenen Reihen aufzufüllen oder überhaupt in den Kriegsgefangenenlagern Leute für den eigenen Kampf zu rekrutieren. Das Deutsche Orient-Institut bestätigt auch, dass es bei den Badr-Brigaden eine eigene Brigade der "Reumütigen" (Tawabien) gab und dieses Wort gleichfalls für politische Gefangene benutzt wurde, die sich im Gefängnis umdrehen ließen und sich dann als Spitzel für die Iraner gegen die früheren politischen Gesinnungsgenossen einsetzen ließen.
Das Gericht glaubt dem Kläger auch - wiederum in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien -, dass er nach Beendigung der Kriegsgefangenschaft für den iranischen Geheimdienst und die Badr-Brigaden, dem militärischen Arm des SCIRI, im Irak nachrichtendienstlich tätig war. Ungeachtet seiner Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers auch in dieser Hinsicht bestätigt das Deutsche Orient-Institut aber insoweit wieder die wesentlichen Grundzüge des klägerischen Vortrags, nämlich insbesondere dass der iranische Geheimdienst nach dem Ende des Ersten Golfkriegs sowohl im ehemaligen Zentralirak als auch im Nordirak tätig war und dies auch bezogen auf den Kläger zutreffen mag. Was die Gefährlichkeit derartiger Aktivitäten im Zentralirak betrifft, so hat der Kläger selbst mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen und dies war nach seinen Angaben dann ja auch der wesentliche Grund für seine Befehlsverweigerung und anschließende Flucht. Aus der Gefährlichkeit solcher Aktivitäten ohne weiteres darauf zu schließen, dass die entsprechenden Angaben nicht der Wahrheit entsprechen, erscheint dem Gericht voreilig.
Das Gericht ist nach alledem von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers überzeugt und es teilt auf dieser Grundlage die Einschätzung des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr ernsthaft Gefahr liefe, insbesondere vom iranischen Geheimdienst belangt und möglicherweise getötet zu werden. Die anderslautende - sehr salopp formulierte - Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts, dass "das alles, selbst wenn es wahr wäre, Schnee von gestern wäre", teilt das Gericht nicht. Für die Frage einer Gefährdung dürfte auch die vom Deutschen Orient-Institut in den Vordergrund gestellte Frage, dass sich der iranische Geheimdienst die etwa benötigten Informationen heute selbst beschaffen kann, in diesem Zusammenhang irrelevant sein. Maßgeblich dürfte vielmehr der Aspekt der Abschreckung sein sowie auch der Umstand, dass ein Zugriff auf den Kläger oder gar dessen Tötung durch den iranischen Geheimdienst für diesen im heutigen Irak ohne jedes Risiko wäre. Das Gericht folgt daher der sorgfältig begründeten Einschätzung des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien, das nach dem Eindruck des Gerichts insgesamt mit dem Beweisthema wesentlich vertrauter ist.
Vor dem seitens des iranischen Geheimdienstes als nichtstaatliche Akteure drohenden asylerheblichen Eingriff findet der Kläger auch keinen Schutz durch die irakische Regierung oder dieser nachgeordnete Stellen. Es entspricht übereinstimmender Auskunftslage und auch dem Inhalt der im Verfahren eingeholten Gutachten, dass einerseits irakische staatliche Stellen im ehemaligen Zentralirak nicht über die Möglichkeiten effektiver Schutzgewährung verfügen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 11.01.2007) und andererseits der iranische Geheimdienst bzw. die iranische Regierung im Irak einschließlich des Nordirak fast unbegrenzt in das Lage sind, Attentate zu verüben oder Personen verschwinden zu lassen.