FG Düsseldorf

Merkliste
Zitieren als:
FG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2007 - 10 K 1510/04 Kg - asyl.net: M10484
https://www.asyl.net/rsdb/M10484
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Kindergeld, Altfälle, Rückwirkung, Aufenthaltsbefugnis, Aufenthaltserlaubnis, Erwerbstätigkeit, Verfassungsmäßigkeit, Vertrauensschutz
Normen: EStG § 62 Abs. 2; AuslG § 30 Abs. 3; AuslG § 30 Abs. 4
Auszüge:

Die Klage ist unbegründet.

Im Streitfall geht es nämlich um einen Sachverhalt, der den Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld wieder ausschließt bzw. von weiteren Voraussetzungen abhängig macht (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstaben a bis c und § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG).

Das ergibt sich aus einem in der Ausländerakte (Bl. 115) enthaltenen Vermerk vom 24.7.1998, denn darin ist ausgeführt, dass die Aufenthaltsbefugnis der Klägerin nur auf die Regelungen des § 30 Abs. 3 oder 4 AuslG gestützt werden könne. Geht man nun davon aus, dass die Aufenthaltsbefugnis der Klägerin auf die Regelungen des § 30 Abs. 3 oder 4 AuslG zurückgeht, kann sie allenfalls als Aufenthaltstitel angesehen werden, der einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG begründet (vergl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2007 - 10 K 3095/06 Kg, abrufbar unter www.justiz.nrw.de).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt.

Die Klägerin ist nämlich in den hier umstrittenen Zeiträumen nicht erwerbstätig gewesen.

cc) Soweit die Klägerin unter Hinweis auf einen Aufsatz von Werner (Informationsbrief Ausländerrecht 2007, 112) die Rechtsauffassung vertritt, dass eine verfassungsgemäße Neuregelung betreffend die Anspruchsberechtigung von Ausländern hinsichtlich des Kindergeldes eine stärkere Berücksichtigung der Dauer des Aufenthalts in Deutschland erfordert hätte, folgt das Gericht ihrer Argumentation nicht. Es hält die Neufassung des Gesetzes vielmehr für verfassungsgemäß und sieht deshalb davon ab, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes auszusetzen, um eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, a.a.O.) das mit der gesetzlichen Neufassung des § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 verfolgte Ziel, Kindergeld nur noch solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland blieben (BT-Drucks. 12/5502, S. 44), als solches nicht beanstandet, sondern nur die dafür gewählte Form. Durch die Neuregelung wird das genannte Ziel nach Auffassung des Gerichts in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise umgesetzt. Zwar knüpft die Regelung des § 62 Abs. 2 EStG in der neuen Fassung auch noch an die verschiedenen Aufenthaltstitel an, das Regelungssystem zeigt aber, dass der Gesetzgeber hierbei eine Reihe von Umständen herangezogen hat, die unter Berücksichtigung sachgerechter Gesichtspunkte eine hinreichend verlässliche Prognose für einen nur vorübergehenden oder dauerhaften Aufenthalts im Inland ermöglichen. Erster Anhaltspunkt ist hierbei der Umstand, dass sich ein Ausländer erkennbar nur zum Zweck einer kurzfristigen Erwerbstätigkeit im Inland aufhält. Diese Ausländer hat der Gesetzgeber nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbezogen (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstaben a und b EStG).

Auf der anderen Seite hat er Ausländern, die sich bereits seit längerer Zeit in einer "gesicherten Rechtsposition" im Inland aufhalten und deshalb eine Niederlassungserlaubnis erhalten haben, einen Anspruch auf Kindergeld zuerkannt.

In Fällen, in denen der Gesetzgeber dagegen die Prognose als noch nicht verlässlich angesehen hat, das sind die Fälle des § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG, hat er den Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht.

Dies ist nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden.

Zum einen handelt es sich in den genannten Fällen regelmäßig um Ausländer, die zur Ausreise verpflichtet sind. Wenn sie einer entsprechenden Aufforderung nicht aus eigenem Entschluss folgen, so kann nicht schon deshalb von einem dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet ausgegangen werden.

Zum anderen lassen die vom Gesetzgeber zusätzlich in das Gesetz aufgenommenen Voraussetzungen erkennen, dass er unterscheiden will zwischen Ausländern, die vermutlich im Inland bleiben werden, und solchen, bei denen eine derartige Prognose (noch) nicht möglich ist. Diese Prüfung wiederum vollzieht sich nach sachgerechten Gesichtspunkten. So ist auch hier der von der Klägerin hervorgehobene zeitliche Anknüpfungspunkt im Gesetz enthalten (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a EStG). Der weitere Gesichtspunkt eines "rechtmäßigen" Verhaltens erscheint dem Gericht ebenfalls plausibel, denn derjenige, der die Rechtsordnung des Gastlandes beachtet, bietet am ehesten die Gewähr, dass er sich ohne Probleme integrieren wird. Gleiches gilt für die vom Gesetz geforderte Erwerbstätigkeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG), denn auch diese fördert die Integration. Dass der Gesetzgeber hierbei wiederum auch Zeiten ohne eine Erwerbstätigkeit (Bezug von Arbeitslosengeld, Elternzeit) berücksichtigt hat, steht dem nicht entgegen. Das Arbeitslosengeld ist gleichsam die (vorübergehende) Folge einer nichtselbständigen Tätigkeit und während der Elternzeit wird gerade auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet, um sich der Betreuung eines Kindes widmen zu können.

Soweit die Klägerin demgegenüber meint, dass die Vorgaben des BVerfG in der Entscheidung vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, a.a.O.) nur bei einer stärkeren Betonung der zeitlichen Komponente zutreffend umzusetzen seien, schließt sich das Gericht dieser Rechtsauffassung nicht an.