VG Osnabrück

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Zitieren als:
VG Osnabrück, Urteil vom 18.04.2007 - unbekannt - asyl.net: M10523
https://www.asyl.net/rsdb/M10523
Leitsatz:

Nachweis der Identität zur Fahrerlaubnisprüfung durch Geburtsurkunde grundsätzlich möglich; Nachweis der Identität auch durch Duldungsbescheinigung möglich, wenn die Angaben eine gewisse Gewähr der Richtigkeit bieten; Zweifel an der Staatsangehörigkeit rechtfertigen nicht die Verweigerung der Fahrerlaubnisprüfung.

 

Schlagwörter: D (A), Fahrerlaubnis, Duldung, Geburtsurkunde, Identitätsnachweis, Ausweisersatz, Staatsangehörigkeit ungeklärt
Normen: FeV § 3 Abs. 1 Nr. 1; FeV § 21 Abs. 1 S. 2
Auszüge:

Nachweis der Identität zur Fahrerlaubnisprüfung durch Geburtsurkunde grundsätzlich möglich; Nachweis der Identität auch durch Duldungsbescheinigung möglich, wenn die Angaben eine gewisse Gewähr der Richtigkeit bieten; Zweifel an der Staatsangehörigkeit rechtfertigen nicht die Verweigerung der Fahrerlaubnisprüfung.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die weitergehende Klage ist begründet, denn der Bescheid des Beklagten vom 7. August 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 FeV wird eine Fahrerlaubnis nur auf schriftlichen Antrag des Bewerbers bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde oder Stelle oder der Fahrerlaubnisbehörde erteilt, sofern die Erteilungsvoraussetzungen der §§ 7 ff. FeV vorliegen bzw. nachgewiesen sind. Dem Antrag ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV unter anderem ein amtlicher Nachweis über den Ort und den Tag der Geburt beizufügen.

Das in § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV normierte Nachweiserfordernis besteht vor dem Hintergrund, dass es der Fahrerlaubnisbehörde zum einen ermöglicht werden muss, anhand des vorgelegten Nachweises über den Ort und den Tag der Geburt nachzuprüfen, ob der Fahrerlaubnisbewerber das für die jeweilige Fahrerlaubnisklasse erforderliche Mindestalter (dazu § 10 FeV) besitzt. Zum anderen ermöglicht erst die Vorlage eines amtlichen Nachweises über den Ort und den Tag der Geburt der Fahrerlaubnisbehörde die Überprüfung der Identität des Bewerbers. Der Bewerber ist zudem gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 FeV verpflichtet, auf Verlangen der zuständigen Behörden bzw. zuständigen Stellen zur Beantragung der Fahrerlaubnis persönlich zu erscheinen. Diese besondere Verfahrensgestaltung soll etwaigen Manipulationen vorbeugen, etwa dergestalt, dass ein Fahrerlaubnisbewerber unter Annahme der Identität einer dritten Person für diese die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu erschleichen versucht (vgl. insoweit auch die amtliche Begründung zu § 21 FeV, BT-Drs. 443/98, S. 270).

Den geforderten amtlichen Nachweis über den Ort und den Tag der Geburt kann ein Fahrerlaubnisbewerber regelmäßig durch Vorlage des Personalausweises oder des Reisepasses erbringen (vgl. für die Identitätsprüfung durch den Sachverständigen oder Prüfer vor Abnahme der theoretischen und praktischen Fahrprüfung § 16 Abs. 3 Satz 3 und § 17 Abs. 5 Satz 2 FeV). Daneben wird nach dem vom Beklagten in Bezug genommenen und ihn bindenden Erlass des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 13. August 2004 (43.2 - 30016 15 allg.) für Ausländerinnen und Ausländer, die nicht im Besitz eines gültigen Nationalpasses sind, die Vorlage eines internationalen Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention, eines Reiseausweises für Staatenlose, eines Reisedokumentes nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 AuslG-DVO oder eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung als Ausweisersatz nach § 39 Abs. 1 AuslG - ab dem 1. Januar 2005 nach § 48 Abs. 2 AufenthG - als für den nach der FeV erforderlichen Identitätsnachweis ausreichend erachtet.

Die Erbringung des Nachweises über den Ort und den Tag der Geburt durch Vorlage der Geburtsurkunde des Ausländers im Original ist in dem vorstehend zitierten Erlass zwar nicht ausdrücklich erwähnt, gleichwohl kann hieraus nicht geschlussfolgert werden, dass allein die in dem zitierten Erlass aufgelisteten Dokumente neben dem Personalausweis oder dem Reisepass zur Führung dieses Nachweises als ausreichend angesehen werden können; der Erlass ist insoweit nicht abschließend. Den mit der Regelung des § 21 Abs. 3 Absatz 1 Nr. 1 FeV verfolgten Zwecken - Überprüfung des Mindestalters und der Identität des Bewerbers - kann vielmehr auch durch Vorlage der Geburtsurkunde im Original Genüge getan werden. Jede andere Betrachtung liefe zum einen darauf hinaus, der Geburtsurkunde ihre Funktion, nämlich Nachweis über den Ort und den Tag der Geburt des Inhabers zu führen, zu berauben. Zum anderen wäre die Annahme einer insoweit abschließenden Aufzählung der Nachweismöglichkeiten für ausländische Fahrerlaubnisinhaber in dem Erlass des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 13. August 2004 mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren; ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das auch Ausländern auch zustehende Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG wäre die Folge.

Nicht zu überzeugen vermag die offenbar auch dem Erlass des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 13. August 2004 zugrunde liegende Differenzierung, wonach eine Duldung als Ausweisersatz nach § 39 Absatz 1 AuslG bzw. der mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 1. Januar 2005 an die Stelle getretenen Ausweisersatz gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 55 AufenthV, nicht aber die bloße Duldungsbescheinigung nach § 60a Abs. 4 AufenthG für den nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV erforderlichen Identitätsnachweis - uneingeschränkt - als ausreichend anzusehen sei. Diese Auffassung verkennt, dass auch der Ausweisersatz nach § 55 AufenthV ausweislich des als Anlage 4 zur AufenthV - Anlage D 1 - ergangenen Musters in Übereinstimmung mit dem Muster einer Duldungsbescheinigung nach § 60a Abs. 4 AufenthG - Anlage D 2a und D 2b - den optionell anzubringenden Zusatz enthält, die Personalangaben beruhten auf den eigenen Angaben des Inhabers/der Inhaberin. Mithin vermag das erkennende Gericht jedenfalls einem Ausweisersatz nach § 55 AufenthV, der den erwähnten Zusatz angekreuzt enthält, keine weitergehende Gewähr für die Richtigkeit der darin enthaltenen Personalangaben des Inhabers bzw. der Inhaberin entnehmen als einer Duldungsbescheinigung nach § 60a Abs. 4 AufenthG. Deshalb vermag das erkennende Gericht der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 26. Februar 2002 - 11 CE 02.255 -, juris) und des VG Stade (Beschluss vom 29.07.2004 - 1 B 1167/04 -, juris) nicht zu folgen, wonach eine mit der Nachweisführung durch den Personalausweis bzw. den Reisepass vergleichbare Sicherheit hinsichtlich der Identität des Fahrerlaubnisbewerbers durch die Vorlage von Ausweisen erzielt werden könne, mit deren Hilfe der Ausländer in Deutschland seinen ausweisrechtlichen Pflichten nach § 40 AuslG (nunmehr § 48 AufenthG) genüge, denn für gewöhnlich seien derartige ausländische Papiere ebenfalls auf Fälschungen und Sicherheit mindestens angelegt und wiesen ein entsprechendes Erscheinungsbild auf. Dies gilt nach Auffassung des Bay. VGH indes nicht für "eine schlichte, wenngleich mit einem Foto versehene Duldungsbescheinigung, die ersichtlich keinen Ausweis oder Pass im Sinne der ausländerrechtlichen Bestimmungen darstelle und auch nicht die Qualität eines Ausweisersatzes im Sinne des § 39 AuslG (nunmehr § 48 Abs. 2 AufenthG) besitze". Der vom Bay. VGH angenommene Unterschied zwischen dem Ausweisersatz und der Duldungsbescheinigung mit Blick auf das Kriterium der Fälschungssicherheit besteht - jedenfalls nach Inkrafttreten der AufenthV - schon deswegen nicht (mehr), weil auch Duldungsbescheinigungen nach dem bundeseinheitlich durch die Anlage 4 zur AufenthV vorgegebenen Muster ausgestellt werden, wobei die Ausländerbehörden die von der Bundesdruckerei erstellten Bescheinigungen verwenden und zusätzlich ein der Fälschung vorbeugendes Klebeetikett (Anlage D 2a zur AufenthV) anbringen. Duldungsbescheinigung und Ausweisersatz enthalten somit die gleichen Angaben und weisen hinsichtlich der Fälschungssicherheit die gleichen Standards auf (vgl. § 78 Abs. 7 AufenthG). Dem Bay. VGH ist lediglich zuzugeben, dass den genannten Dokumenten unterschiedliche Funktionen zukommen - nur mit dem Ausweisersatz erfüllt der Ausländer die ihm gemäß § 48 AufenthG obliegende Ausweispflicht. Dieser Umstand ist jedoch für das Fahrerlaubnisrecht nicht entscheidungserheblich, denn die Erteilung einer Fahrerlaubnis an einen Ausländer setzt nach den Vorschriften des StVG und der FeV nicht die Erfüllung der Ausweispflicht nach dem AufenthG voraus.

Die der Klägerin erteilte Duldungsbescheinigung bietet aufgrund der der Ausländerbehörde vorgelegten Geburtsurkunde im Original eine wesentlich höhere Gewähr der Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben zur Person (insbesondere zum Ort und Tag der Geburt) als in Fällen, in denen dem Ausländer zwar ein Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 55 AufenthV ausgestellt wird, die darin enthaltenen Angaben zur Person indes allein auf den Angaben des Inhabers beruhen und dieser Umstand durch das Ankreuzen des im amtlichen Vordruck vorgesehenen entsprechenden Zusatzes beurkundet wird. Einen solchen Ausweisersatz hätte der Beklagte nach dem Erlass des Nds. Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 13. August 2004 indes als Identitätsnachweis ohne Vorbehalt zu akzeptieren. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum der Klägerin der Nachweis von Ort und Tag ihrer Geburt durch Vorlage der Geburtsurkunde im Original gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde und in der nachfolgenden theoretischen und praktischen Fahrprüfung durch Vorlage der mit einem Lichtbild versehenen aktuellen Duldungsbescheinigung, die auf den Daten der Geburtsurkunde fußt, gegenüber dem Sachverständigen oder Prüfer verwehrt werden sollte.

Anzumerken bleibt, dass die hinsichtlich der Klägerin bestehenden ausländerrechtlichen Probleme - namentlich ihre ungeklärte Staatsangehörigkeit - nicht durch Maßnahmen des Straßenverkehrsrechts gelöst werden können. Insbesondere verstößt es gegen das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG, wenn das vorliegende Verfahren um die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B von dem Beklagten dazu benutzt wird, indirekt Druck auf die Klägerin dahingehend auszuüben, ihre Bemühungen um die Erlangung eines gültigen Nationalpasses zu intensivieren. Derartiger Druck - sollte dieser von Nöten sein, um die Klägerin zur Mitwirkung an der Beschaffung von gültigen Passpapieren anzuhalten - kann nur über die nach den ausländerrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Eingriffsbefugnisse rechtmäßig aufgebaut werden.