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VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 06.06.2007 - 3 A 525/05 - asyl.net: M10528
https://www.asyl.net/rsdb/M10528
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Lebensunterhalt, Ermessen, Erwerbstätigkeit
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 5 Abs. 3
Auszüge:

Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung gegen den Beklagten über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Tatsächliche Hindernisse stehen der Ausreise des Klägers nicht entgegen; allerdings sind aus rechtlichen Gründen seine Abschiebung und eine freiwillige Rückkehr in seine Heimat unmöglich.

Im angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides hat der Beklagte auf der Tatbestandsseite bereits berücksichtigt, dass der Ehefrau des Klägers eine Aufenthaltserlaubnis wegen Bestehens eines Abschiebungshindernisses erteilt worden ist. Ebenso hat er berücksichtigt, dass ihr aufgrund ihrer Erkrankung die Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft außerhalb des Bundesgebietes nicht zuzumuten ist.

Auch ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht vorliegt, weil der Kläger nach wie vor auf laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen sei. Nach § 5 Abs. 3 Halbs. 2 AufenthG kann jedoch in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels (u. a.) nach § 25 Abs. 5 AufenthG von der Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abgesehen werden. Dieser Wortlaut des Gesetzes wird in angefochtenen Bescheid i. d. F. des Widerspruchsbescheides von dem Beklagten dahingehend eingeschränkt, dass nach seiner Formulierung von den Voraussetzungen nur abgesehen werden kann, wenn das Nichtvorliegen der Regelerteilungsvoraussetzungen vom Ausländer nicht zu vertreten ist, und er führt dann im Rahmen der Ermessenserwägungen lediglich aus, dass der Kläger keine Bemühungen zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhaltes nachgewiesen habe, obwohl im dies zuzumuten sei.

Diese (eng an den vorläufigen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz orientierte) Auslegung wird der Vorschrift nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Urteil vom 17.01.2007 - 11 A 2381/05 -, Datenbank des Nds. OVG) hat dazu (im Hinblick auf das Absehen vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 AufenthG) Folgendes ausgeführt: ...

Das erkennende Gericht teilt diese Auffassung.

Vorliegend hat der Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger sich immerhin im Rahmen seiner Möglichkeiten um eine Tätigkeit bemüht hat. So hat der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis mit Bescheid vom 15. März 2007 abgelehnt. Es nicht nachvollziehbar, wie der Kläger Arbeitsbemühungen hätte nachweisen sollen, wenn er eine Arbeitserlaubnis nicht erteilt bekommt. Der Umstand, dass die Agentur für Arbeit die für die Erteilung einer solchen Arbeitserlaubnis erforderliche Zustimmung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 b AufenthG versagt hat, ändert daran nichts, denn insofern ist lediglich zu prüfen, ob das Nachrangprinzip gegenüber deutschen Arbeitnehmern oder anderen bevorrechtigten Ausländern hinreichend berücksichtigt ist. Soweit der Beklagte mit Schreiben vom 22. Mai 2007 ergänzend darauf abstellt, dass es dem Kläger mit einem Bruttoverdienst von 400,00 Euro aufgrund der monatlich max. 50 Stunden währenden Arbeitszeit nicht möglich gewesen wäre, den Lebensunterhalt für sich und seine Familienangehörigen selbstständig ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sicher zu stellen, kommt es insoweit nicht an. Insbesondere dürfte dem Kläger i. S. der vorstehend zitierten Verwaltungsvorschriften kaum vorzuwerfen sein, dass er wegen Nachrangprinzips keine Arbeitserlaubnis erteilt bekommt.

Gänzlich unberücksichtigt gelassen hat der Beklagte bei seiner (Widerspruchs-)Ermessensentscheidung, dass die Ehefrau des Klägers wegen des Bestehens eines Abschiebungshindernisses für voraussichtlich mehr als 1 Jahr im Bundesgebiet verbleiben wird und der Kläger ohnehin aufgrund Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz und Artikel 8 Abs. 1 EMRK nicht abgeschoben werden kann, so dass der Kläger und seine Ehefrau weiterhin zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf weitere öffentliche Leistungen angewiesen sein werden.

Da das Gericht seine Ermessenserwägungen nicht an die Stelle derjenigen des Beklagten setzen darf und auch ein eindeutiges Überwiegen der für das Absehen von der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes sprechenden Gründe nicht offensichtlich ist (was zu einer Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Klägers geführt hätte), ist der Beklagte zur Neubescheidung des Antrags des Klägers gemäß § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO zu verpflichten, und die Klage im Übrigen abzuweisen.