Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 6. November 2006 gegen die verfügten wohnsitzbeschränkenden Auflagen wiederherzustellen, hat Erfolg. Er ist zulässig, insbesondere statthaft.
Eine wohnsitzbeschränkende Auflage kann zulässigerweise isoliert angefochten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 1996, - 1 C 34.93 -; OVG Koblenz, Urteil vom 24. August 2006 - 7 A 10492/06 -), zumal sie auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels in Kraft bleibt, bis sie aufgehoben wird (§ 51 Abs. 6 AufenthG).
Der Antrag ist begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage ganz oder teilweise anordnen bzw. wiederherstellen.
Rechtsgrundlage für die Wohnsitzauflage ist § 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Danach steht es im Ermessen der Ausländerbehörde, eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Auflage, insbesondere einer räumlichen Beschränkung zu verbinden. Dieses Ermessen ist in NRW durch den Erlass des Innenministeriums über die "Bundeseinheitliche Verfahrensweise bei wohnsitzbeschränkenden Auflagen" vom 29. Juli 2005 gebunden. Danach soll die Verteilung ausländischer Leistungsempfänger auf bestimmte Wohnorte durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen erforderlich sein, weil nach denn SGB II weiterhin eine Reihe von Leistungen durch kommunale Träger zu erbringen sind. Wohnsitzbeschränkende Auflagen sollen demgemäß erteilt und aufrechterhalten werden u.a. bei Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen nach dem 5. Abschnitt des AufenthG, soweit und solange diese Leistungen nach dem SGB II beziehen.
Die Antragsteller fallen unter diese Kriterien, da ihnen Aufenthaltserlaubnisse nach 25 Abs. 2 AufenthG erteilt wurden sind und sie Leistungen nach dem SGB II erhalten.
Im vorliegenden Fall bestehen im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischer Prüfung bereits ernstliche Zweifel daran, dass der o.g. Erlass und damit die Ermessensausübung des Antragsgegners rechtmäßig sind. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass ein Verstoß gegen Artikel 1 des Europäischem Fürsorgeabkommens - EFA - vom 11. Dezember 1953 (BGBl. II 1956, 563) i.V.m. den Artikeln 1 und 2 des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen (BGBl. II 1956, 578) vorliegt.
Die Antragsteller fallen auch in seinen Anwendungsbereich, da bei ihnen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG - teilweise i.V.m. § 26 Abs. 4 AsylVfG festgestellt worden ist. Auf Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention finden nach den Artikeln 1 und 2 des Zusatzprotokolls zum EFA die Vorschriften des Teils I dieses Abkommens - und damit auch Artikel 1 EFA - unter den gleichen Voraussetzungen Anwendung wie auf die Staatsangehörigen der Vertragschließenden.
In Artikel 1 EFA hat sich jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Zu diesen Leistungen gehören die Leistungen nach dem SGB II (zum Vorstehenden insgesamt vgl. OVG Koblenz a.a.O.).
Als Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen halten sich die Antragsteller in Deutschland "erlaubt" im Sinne des Artikels 1 EFA auf. Ihnen sind daher nach Artikel 1 EFA "in gleicher Weise" und "unter den gleichen Bedingungen" wie den eigenen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland die Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Dies bedeutet nicht nur die Garantie gleicher Fürsorgeleistungen nach Art und Höhe, sondern auch, dass diese Leistungen durch den Vertragsstaat unter den gleichen Bedingungen erbracht werden wie den eigenen Staatsangehörigen (vgl. BVerwG a.a.O.).
An diesem Maßstab des Artikels 1 EFA sind die hier erteilten Wohnsitzauflagen zu messen, selbst wenn dieses Abkommen grundsätzlich nach nationalem Recht mögliche räumliche Beschränkungen von Aufenthaltstiteln unberührt lässt (ausdrücklich offengelassen in BVerwG a.a.O.).
Hierzu hat das OVG Koblenz (a.a.O.) entgegen dem Beschluss des OVG Lüneburg vom 6. Juni 2001 - 9 LB 1404/01 - ausgeführt: ...
Diese Erwägungen haben nach Auffassung der Kammer erhebliches Gewicht. Es spricht viel dafür, in dieser - mit dem vorliegenden Fall nahezu identischen - Konstellation in erster Linie eine fürsorgerechtlich und nicht aufenthaltsrechtlich begründete Residenzverpflichtung von GFK-Flüchtlingen zu sehen. Diese stellt allerdings eindeutig einen Verstoß gegen Artikel 1 EFA dar, da entsprechende, an den Bezug von Fürsorgeleistungen anknüpfende Einschränkungen der Wahl des Wohnortes für deutsche Staatsangehörige grundsätzlich nicht bestehen (vgl. BVerwG a.a.O. zu § 120 Abs. 5 BSHG a.F.).
Hiergegen lässt sich auch nicht ohne weiteres einwenden, dass der Sozialhilfebezug, wie sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ergibt, grundsätzlich ein aufenthaltsrechtlich durchaus erhebliches Interesse darstellt. Denn nach § 5 Abs. 3 erster Halbsatz AufenthG ist der Sozialhilfebezug im Fall anerkannter GFK-Flüchtlinge abweichend von diesem Grundsatz schon als solcher aufenthaltsrechtlich nicht von Bedeutung. Es spricht einiges dafür, dass dies um so mehr für die bloß nachgelagerte Frage einer gleichmäßigen Verteilung der Sozialhilfelasten auf die jeweiligen Leistungsträger gelten muss.
Den hiernach bestehenden ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Auflagen steht auch nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung gegenüber.
Der Antragsgegner führt insoweit lediglich das Interesse an einer gleichmäßigen Lastenverteilung auf die verschiedenen Leistungsträger an, dem das aus Artikel 2 Abs. 1 GG folgende Recht der Antragsteller auf freie Wahl des Wohnsitzes gegenübersteht (vgl. BVerfG a.a.O.).
Zuzugeben ist, dass dieses Interesse unmittelbar beeinträchtigt sein kann, wenn den Rechtsbehelfen der Antragsteller zunächst aufschiebende Wirkung zukommt und sie an einen Ort ihrer Wahl umziehen können. Die Kammer geht allerdings davon aus, dass die hier in Rede stehende rechtliche Grundsatzfrage alsbald in den vor dem BVerwG anhängigen Verfahren 1 C 28 bis 30.06 entschieden werden wird.
Die Antragsteller werden allerdings vor diesem Hintergrund zu prüfen haben, ob sie tatsächlich kurzfristig einen Umzug durchführen wollen, den sie ggf. in wenigen Monaten wieder rückgängig machen müssen. Die Kammer weist insoweit ausdrücklich auf § 80 Abs. 7 VwGO hin.