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VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 15.08.2007 - VG 37 X 56.07 - asyl.net: M11213
https://www.asyl.net/rsdb/M11213
Leitsatz:

Bei Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; eine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts hat aufschiebende Wirkung.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Asylantrag, Antragsfiktion, Verzicht, Asylverfahren, Ausreisefrist, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: AsylVfG § 75; AsylVfG § 38 Abs. 1; AsylVfG § 38 Abs. 2; AsylVfG § 14a Abs. 3; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Bei Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14 a Abs. 3 AsylVfG beträgt die Ausreisefrist gem. § 38 Abs. 1 AsylVfG einen Monat; eine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts hat aufschiebende Wirkung.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage VG 57 X 57.07 anzuordnen, ist zulässig. Wie § 75 AsylVfG zu entnehmen ist, hat eine Klage nur - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des § 73 AsylVfG - dann aufschiebende Wirkung, wenn gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG eine einmonatige Ausreisefrist gesetzt worden ist.

Der Antrag ist auch begründet. Die Festsetzung einer Ausreisefrist von lediglich einer Woche in Ziffer 4 des mit der Klage angegriffenen Bescheides vom 1. Juni 2007 in der Fassung des Abänderungsbescheides vom 13. Juni 2007 ist offensichtlich rechtswidrig, weshalb das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt und die aufschiebende Wirkung anzuordnen war. Die Antragsgegnerin ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die zu setzende Ausreisefrist gemäß § 38 Abs. 2 AsylVfG eine Woche beträgt, mit der Folge, dass die Klage gemäß § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung hat. Insbesondere ist der hier vorliegende Fall kein Fall der Rücknahme eines Asylantrages vor einer Entscheidung des Bundesamtes im Sinne des § 38 Abs. 2 AsylVfG. Denn der Antragsteller hat im Sinne von § 14 a Abs. 3 AsylVfG - vertreten durch seine Mutter - auf die Durchführung eines Asylverfahrens verzichtet und die Antragsgegnerin hat dementsprechend mit Bescheid vom 13. Juni 2007 das Asylverfahren gemäß § 14 a Abs. 3 i.V.m. § 32 AsylVfG eingestellt. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist dieser Fall dem Fall einer Rücknahme des Asylantrages vor einer Entscheidung des Bundesamtes im Sinne von § 38 Abs. 2 AsylVfG auch nicht gleich zu achten. Ein Verzicht auf die Durchführung eines gemäß § 14 a Abs. 1 oder 2 lediglich fingierten Asylverfahrens unterscheidet sich schon nach dem Wortlaut und in der Sache von der Rücknahme eines selbst gestellten Asylantrages. Der Fall des § 14 a Abs. 3 AsylVfG wird in § 38 Abs. 2 AsylVfG - anders als etwa in § 32 AsylVfG - auch nicht erwähnt. Es ist auch nicht erkennbar, dass dem Gesetzgeber hier lediglich ein Redaktionsversehen unterlaufen wäre, als er den Fall des Verzichts gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG nicht in den Wortlaut des § 38 Abs. 2 AsylVfG aufgenommen hat, wohl aber in § 32 AsylVfG. Denn der Gesetzeszweck der Regelungen über die Familieneinheit erfordert es nicht, dass dem unter § 14 a AsylVfG fallenden Kind eines Asylbewerbers nach einem Verzicht im Sinne von § 14 a Abs. 3 AsylVfG im Zusammenhang mit der Einstellung des Verfahrens und der Entscheidung über Abschiebungsverbote (§ 32 AsylVfG) eine Ausreisefrist von lediglich einer Woche gesetzt wird. Zweck des § 14 a AsylVfG ist es nach der Begründung zum Regierungsentwurf zu verhindern, dass durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen. Hierdurch sollten die in der Vergangenheit regelmäßig als notwendig erachteten Altfall- oder Härtefallregelungen weitgehend entbehrlich werden (vgl. Bundestagsdrucksache 15/420 S. 108 zu Nr. 10). Dieser Zweck wird auch erreicht, wenn der Verzicht gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG dem § 38 Abs. 1 AsylVfG unterfällt, mit der Folge, dass eine gegen die mit einer einmonatigen Ausreisefrist versehene Abschiebungsandrohung erhobene Klage gemäß § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung hätte. Die hierin liegende zeitliche Verzögerung einer Aufenthaltsbeendigung steht dem Zweck des § 14 a AsylVfG nicht entgegen. Denn die Absicht einer erheblichen Verkürzung der üblichen Dauer eines Asylverfahrens bzw. der Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik, die nicht zuletzt durch die Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestimmt wird, lässt sich der Gesetzesbegründung zu § 14 a AsylVfG nicht entnehmen.

Auch eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG auf den Verzicht im Sinne von § 14 a Abs. 3 AsylVfG kommt nicht in Betracht, weil es an einer zu schließenden Regelungslücke fehlt. Denn für alle von § 38 Abs. 2 AsylVfG und sonstigen Sondervorschriften nicht erfassten Fälle gilt die Regelung des § 38 Abs. 1 AsylVfG. Es ist auch keine Absicht des Gesetzgebers dahingehend erkennbar, einen Verzicht gemäß § 14 a Abs. 3 AsylVfG an eine einwöchige Ausreisefrist zu knüpfen, was ebenfalls gegen eine analoge Anwendung des § 38 Abs. 2 AsylVfG spricht (vgl. - wie hier - VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. November 2005, VG 13 L 1913/05.A; ferner VG Amsberg, Beschluss vom 29. Juni 2006, 9 L 569/06.A, beide Entscheidungen abgedruckt in juris).