Eine generalpräventiv begründete Ausweisung setzt die sorfältige Ermittlung der Tatumstände sowie der persönlichen Umstände des Betroffenen voraus, um die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung prüfen zu könnne; langer Aufenthalt und Integration in Deutschland können eine Ausweisung unverhältnismäßig erscheinen lassen.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 2 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit steht als allgemeines Menschenrecht auch Ausländern zu.
b) Die Ausweisung ist ein Eingriff in das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit des sich im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländers (zu den Merkmalen eines Grundrechtseingriffs im Allgemeinen vgl. BVerfGE 105, 279 299 f.>). Der Eingriff liegt im Entzug des Aufenthaltsrechts und der daraus folgenden Verpflichtung zur Ausreise (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5, § 50 Abs. 1 AufenthG; früher § 44 Abs. 1 Nr. 1, § 42 Abs. 1 AuslG); auf weitere mit der Ausweisung verbundene Rechtsnachteile kommt es daneben nicht an. Der Eingriffscharakter einer Ausweisung ist nicht deswegen zu verneinen, weil die Ausreiseverpflichtung möglicherweise - im Fall des Beschwerdeführers gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG - nicht alsbald durchgesetzt werden kann.
c) Der aus dem Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit folgende Schutz vor Eingriffen ist nur in dem durch Art. 2 Abs. 1 GG gezogenen Rahmen, insbesondere nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung, gewährleistet (BVerfGE 35, 382 399>; 49, 168 180>). Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört jede Rechtsnorm, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang steht (BVerfGE 6, 32 37 f.>).
aa) Ausweisungen oder sonstige Maßnahmen zum Entzug oder zur Verkürzung eines bereits gewährten Aufenthaltsrechts sind aufgrund solcher Vorschriften grundsätzlich möglich. In materieller Hinsicht bietet - vorbehaltlich besonderer verfassungsrechtlicher Gewährleistungen - der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den allgemeinen verfassungsrechtlichen Maßstab, nach dem das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG eingeschränkt werden darf (BVerfGE 90, 145 172>; vgl. auch BVerfGE 75, 108 154 f.>; 80, 137 153>).
bb) Die hier angewendeten Normen des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Ausländergesetzes tragen mit ihrem System der Abstufung in Ist-, Regel- und Kann-Ausweisung (vgl. §§ 45, 47, 48 AuslG) sowie des besonderen Ausweisungsschutzes für bestimmte Ausländer (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 AuslG) den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit von Ausweisungen grundsätzlich in ausreichender Weise Rechnung. Gleiches gilt für die seit dem 1. Januar 2005 geltenden Vorschriften der §§ 53 ff. AufenthG, die das bisherige Regelungssystem übernommen haben.
Die Anwendung des Stufensystems der §§ 45 ff. AuslG bzw. §§ 53 ff. AufenthG entbindet jedoch nicht davon, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auch die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, da nur diese Prüfung sicherstellen kann, dass die Verhältnismäßigkeit bezogen auf die Lebenssituation des betroffenen Ausländers gewahrt bleibt. Die Maßstäbe, die für die Prüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 8 Abs. 1 EMRK gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gelten, sind auch hier heranzuziehen (vgl. BVerfGK 3, 4 12>). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind insbesondere die konkreten Umstände, welche von typisierenden Bestimmungen - wie es die gesetzlich ausgeformten Ausweisungstatbestände zwangsläufig sein müssen - nicht oder nur unzureichend erfasst werden, zu würdigen.
Die einzelfallbezogene Würdigung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers und deren Abwägung gegeneinander ist - mit Einschränkungen, die sich aus der begrenzten gerichtlichen Überprüfbarkeit behördlicher Ermessensausübung ergeben - den Verwaltungsgerichten übertragen. Das Bundesverfassungsgericht kann die gerichtlichen Entscheidungen nicht in allen Einzelheiten, sondern nur auf die Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe überprüfen (vgl. BVerfGE 27, 211 219>; 76, 363 389>). Die verfassungsgerichtliche Überprüfung erstreckt sich darauf, ob die Verwaltungsgerichte die für die Abwägung wesentlichen Umstände erkannt und ermittelt haben und ob die vorgenommene Gewichtung der Umstände den Vorgaben der Verfassung entspricht.
2. Die angegriffenen Entscheidungen werden den genannten Anforderungen nicht gerecht. Sie gehen zwar im Ansatz zutreffend davon aus, dass die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung - ungeachtet der Asylberechtigung des Beschwerdeführers - im Hinblick auf den Einzelfall zu prüfen ist und erfordern kann, von der gesetzlichen Regelfolge der Ausweisung (§ 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG, nunmehr § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG) abzuweichen und von einem atypischen Fall auszugehen. Sie haben jedoch das Gewicht der in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellenden Belange in verfassungsrechtlich erheblicher Weise verkannt.
a) Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung im Hinblick auf ihre generalpräventive Ausrichtung für gerechtfertigt angesehen, die sich daran anknüpfenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch verfehlt.
aa) Die Ausweisung verfolgt als ordnungsrechtliche Maßnahme nicht den Zweck der Ahndung eines bestimmten Verhaltens. Sie soll vielmehr künftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder Beeinträchtigungen sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Aufenthalts von Ausländern im Inland verhindern bzw. ihnen vorbeugen (BVerwGE 106, 302 305 f.>). Dabei können, wie in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (vgl. BVerwGE 101, 247 254 f.>; BVerwGE 121, 356 362>) und vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gebilligt (vgl. BVerfGE 50, 166 175 f.>; 51, 386 397>), auch generalpräventive Erwägungen von Bedeutung sein.
Eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Entscheidung über die Zulässigkeit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung setzt allerdings voraus, dass die Ausländerbehörde die Umstände der Straftat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen von Amts wegen sorgfältig ermittelt und eingehend würdigt. Ohne die Kenntnis von Einzelheiten der Tatbegehung und der persönlichen Situation des Betroffenen können in der Regel die Auswirkungen der Ausweisung auf die Individualinteressen nicht hinreichend sicher festgestellt und in einer einzelfallbezogenen Abwägung den die Ausweisung verlangenden Interessen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden. Im Regelfall ist deshalb vor der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung die Einsicht in die Strafakten ebenso unerlässlich wie genaue Feststellungen zu den Bindungen des Betroffenen an die Bundesrepublik Deutschland und an seinen Heimatstaat (vgl. BVerfGE 51, 386 399>).
Auch bei generalpräventiv motivierten Ausweisungen, die ihren Anlass im Bereich der Drogenkriminalität finden, gilt, dass die Umstände der begangenen Straftat, wie sie sich aus dem Strafurteil und dem vorangegangenen Strafverfahren ergeben, individuell zu würdigen sind (vgl. BVerwGE 101, 247 255>). Im Grundsatz nicht anders als bei der Würdigung der von dem Ausländer künftig ausgehenden Gefahren im Rahmen spezialpräventiv motivierter Ausweisungen genügt es insbesondere nicht, das Gewicht des für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses allein anhand der Typisierung der den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu bestimmen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07 -, ZAR 2007, S. 243 ff.).
Zwar ist es angesichts der von Suchtgiften ausgehenden schwerwiegenden Gefahren für die Allgemeinheit grundsätzlich gerechtfertigt, bei Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz die Ausweisung in bestimmten Fällen als Regel, in anderen sogar zwingend vorzusehen. Allerdings dürfen auch bei Betäubungsmittelstraftaten weder die gesetzlichen Vorgaben noch ein allgemeines Erfahrungswissen zu einer schematischen Gesetzesanwendung führen, die die im Einzelfall für den Ausländer sprechenden Umstände ausblendet (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 1999 - 1 C 11.99 NVwZ-RR 2000, S. 320 322 f.>; BVerwGE 101, 247 255>; vgl. auch EGMR, Urteil vom 26. September 1997 - 85/1996/704/896 - Fall Mehemi, NVwZ 1998, S. 164 166>).
bb) Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen der für die Ausweisung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG erforderlichen schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausschließlich auf generalpräventive Erwägungen gestützt. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit rein generalpräventiv begründeter Ausweisungen werden die gerichtlichen Ausführungen zum Regel-Ausnahmeverhältnis bei der Prüfung von § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat weder die konkreten Umstände der Straftat hinreichend in den Blick genommen, noch hat es die Auswirkungen der Ausweisung für das Privatleben des Beschwerdeführers ausreichend gewürdigt.
(1) Das Verwaltungsgericht hat sich zwar mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers befasst. Es hat dies indes nur unter dem Aspekt der Schwere der Straftat getan, wobei nicht klar wird, unter welchen Voraussetzungen es einen Ausnahmefall im Sinne von § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG (§ 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG) für gegeben erachten würde - das Verwaltungsgericht spezifiziert lediglich die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Regel des § 48 Abs. 1 Satz 2 AuslG und spricht im Übrigen von "hinreichend schweren Straftaten". Hingegen hat es sich nicht hinreichend mit den Motiven des Beschwerdeführers für seine Straftaten beschäftigt und auch nicht versucht, die konkreten Tatumstände näher aufzuklären.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Annahme eines Ausnahmefalls im Sinne von § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG gebietet, verkennt das Verwaltungsgericht in verfassungsrechtlich erheblicher Weise das Gewicht des über 25 Jahre andauernden Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seiner Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat (vgl. dazu unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07 -, a.a.O.), und des substantiiert vorgetragenen Fehlens tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit.
Es trifft zwar zu, dass, worauf der Verwaltungsgerichtshof abstellt, für so genannte faktische Inländer kein generelles Ausweisungsverbot besteht. Diese Feststellung wird für sich genommen aber dem von Verfassungs wegen gebotenen, auf die Erfassung der individuellen Lebensumstände des Ausländers angelegten Prüfprogramm nicht gerecht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07 -, a.a.O.). Gerade die Kombination der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände zur Verwurzelung in Deutschland einerseits und der Entwurzelung hinsichtlich des Iran andererseits könnte dazu führen, dass eine nur auf Erwägungen der Generalprävention gestützte Ausweisung den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit nicht gerecht wird (siehe zu vergleichbaren Fallkonstellationen BVerwG, Beschluss vom 31. Oktober 1991 - 1 B 111.91 -, InfAuslR 1992, S. 5 6>; Discher, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2005, Vor §§ 53 ff. AufenthG, Rn. 534).
b) Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs lässt nicht deutlich werden, ob er nur von einem generalpräventiven oder auch von einem spezialpräventiven Ausweisungszweck ausgeht. Sollte der Verwaltungsgerichtshof hingegen von einer - auch - spezialpräventiv gerechtfertigten Ausweisung ausgegangen sein, wofür seine Bezugnahme auf den Bescheid der Ausländerbehörde sprechen könnte, hätte er es zu Unrecht unterlassen, die vom Beschwerdeführer in Zukunft ausgehenden Gefahren zu ermitteln. Aufgrund der zeitlichen Kongruenz von Drogenkonsum und Handeltreiben beim Beschwerdeführer hätte es sich insbesondere aufgedrängt, zu untersuchen - wenn erforderlich, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens -, ob hier ein Zusammenhang besteht, der es als unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass der Beschwerdeführer, nachdem das Motiv eigenen Konsums entfallen ist, erneut mit Drogen handeln wird.
c) Soweit den angegriffenen Entscheidungen eine das öffentliche Interesse und die Interessen des Beschwerdeführers zueinander in Bezug setzende Abwägung überhaupt entnommen werden kann - der Verwaltungsgerichtshof resümiert lediglich im Anschluss an die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört habe und sein Recht auf Familienleben nicht berührt werde, ihm könne somit zugemutet werden, sich in seinem Herkunftsland eine neue Existenz aufzubauen -, ist jedenfalls nicht erkennbar, ob die Gerichte in den Blick genommen haben, dass Maßnahmen, die einen sehr langen rechtmäßigen Aufenthalt beenden, besonders intensiv in die Rechte des Betroffenen eingreifen und das sie rechtfertigende öffentliche Interesse deshalb entsprechendes Gewicht haben muss. Insbesondere die Ausführungen des Verwaltungsgerichts legen nahe, dass das Unterbleiben entsprechender Erwägungen auf die pauschale Zuordnung zu den typisierenden Vorgaben des Ausweisungsrechts zurückzuführen ist. Wie dargestellt, steht dieses Vorgehen nicht im Einklang mit dem Gebot ergänzender, auf den Einzelfall bezogener Verhältnismäßigkeitsprüfung.