VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Beschluss vom 10.12.2007 - 2 B 326/07 - asyl.net: M12135
https://www.asyl.net/rsdb/M12135
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Krankheit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Suizidgefahr, offensichtlich unbegründet, ernstliche Zweifel, Glaubwürdigkeit, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AsylVfG § 36 Abs. 4; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der in Ziffer 4 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 19.11.2007 ausgesprochenen Abschiebungsandrohung anzuordnen, hat Erfolg. In den Fällen der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages - in diesem Sinne hat die Antragsgegnerin entschieden - sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Danach darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.

Erhebliche Bedenken ergeben sich im Hinblick auf eine von dem Antragsteller geltend gemachte psychische Erkrankung, die im Heimatland Iran zu einer Retraumatisierung führen würde, weil der Antragsteller nach seinen Angaben von Juli 1999 bis August/September 2000 in Teheran inhaftiert gewesen sein will. Der bei der Entscheidung der Antragsgegnerin offenbar nicht vorliegende Bericht des Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Göttingen vom 20.09.2007 an Herrn ... von der Institutsambulanz und Herrn ... (Hausarzt des Antragstellers) verweist auf Berichte des Antragstellers bei seiner Aufnahme über Flashbacks aufgrund einer Folter vor sieben Jahren während einer vierzehnmonatigen Haft. Die Klinik empfiehlt eine traumazentrische Weiterbehandlung. Eine psychische Erkrankung mit einer zu befürchteten Retraumatisierung aufgrund der Konfrontation mit den Ursachen des Traumas im Heimatland begründet ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Nds. OVG, Urt. vom 12.09.2007, - 8 LB 210/05 -, juris).

Anderen, der Antragsgegnerin vorliegenden Hinweisen, etwa in dem Attest des Hausarztes ... vom 12.09.2007 über einen Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Angaben des Antragstellers zu der Folter (S. 5 bis 7 des Anhörungsprotokolls) ist die Antragsgegnerin nicht dergestalt nachgegangen, das eine weitere medizinische Expertise eingeholt wurde. Allerdings ist der Bescheidsentwurf intern an einen Sonderbeauftragten für tatsächliche und angebliche Folteropfer zu einer Prüfung übersandt worden (Bl. 98 BA A). Eine Stellungnahme des Sonderbeauftragten befindet sich allerdings nicht in den Verwaltungsvorgängen (lediglich der Vermerk "einverstanden").

Nachdem derzeitigen Sachstand liegen damit hinreichende Erkenntnisse über ein mögliches Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Dieser Frage ist im Hauptsacheverfahren - 2 A 325/07 - nachzugehen.