OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13.12.2007 - 13 LA 71/07 - asyl.net: M12285
https://www.asyl.net/rsdb/M12285
Leitsatz:

§ 26 Abs. 4 AsylVfG (Familienflüchtlingsanerkennung) ist auch anwendbar, wenn der Stammberechtigte bereits vor dem 1.1.2005 als Flüchtling anerkannt worden ist.

 

Schlagwörter: Familienflüchtlingsschutz, Familienabschiebungsschutz, Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung, Altfälle, Zuwanderungsgesetz, Anwendungszeitpunkt, Beurteilungszeitpunkt, Asylantrag
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 26 Abs. 4; AsylVfG § 77 Abs. 1; AsylVfG § 26 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

§ 26 Abs. 4 AsylVfG (Familienflüchtlingsanerkennung) ist auch anwendbar, wenn der Stammberechtigte bereits vor dem 1.1.2005 als Flüchtling anerkannt worden ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg.

Die Rechtssache hat nicht grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG).

Der Kläger hält die Rechtsfragen für grundsätzlich bedeutsam, ob die Regelung des § 26 Abs. 4 AsylVfG auf "Altfälle" Anwendung findet, ob es ohne einen zuvor bei der Beklagten gestellten Antrag auf Familienabschiebungsschutz nach § 26 Abs. 4 AsylVfG zulässig sein kann, im Klageverfahren inhaltlich hierüber zu entscheiden und ob durch die Neuregelung der Streitgegenstand diesbezüglich kraft Gesetzes erweitert wurde. Zur Begründung weist er darauf hin, dass eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesen über den Einzelfall hinausgehenden Fragen bisher nicht vorliege.

Für die Anwendung der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung des § 26 AsylVfG ist mangels einer anders lautenden Übergangsvorschrift die allgemeine Regelung über den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt in § 77 Abs. 1 AsylVfG einschlägig. Danach gilt § 26 AsylVfG auch für sog. Altfälle, in denen das nach der Gesetzesänderung bei Gericht anhängige Asylanerkennungsverfahren des um Familienabschiebungsschutz Nachsuchenden vom Bundesamt bereits vor der Gesetzesänderung abgeschlossen worden ist (so auch: OVG Münster, Beschl. v. 25.1.2007 - 15 A 5137/05.A -, zit. nach juris). Die Anwendung des § 26 AsylVfG in allen am 1. Dezember 2005 noch offenen Asylverfahren entspricht auch dem Zweck der Neuregelung, dem Interesse an einem einheitlichen Rechtsstatus innerhalb der Familie und einem gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status für die engsten Familienangehörigen Rechnung zu tragen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 25.1.2007, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch im Hinblick auf das in § 26 Abs. 1 AsylVfG formulierte Antragserfordernis - entsprechend für § 26 Abs. 4 AsylVfG - auch ein besonderer Antrag auf Familienasyl bzw. Familienabschiebungsschutz nicht erforderlich. Familienasyl bzw. Familienabschiebungsschutz wird vielmehr bereits auf einen allgemeinen Asylantrag hin gewährt.

Auch die von dem Kläger aufgeworfene weitere Rechtsfrage, ob bereits die noch nicht rechtskräftige Aufhebung des Widerrufs (bzw. eine Rücknahme) der Flüchtlingseigenschaft der Stammberechtigten dazu führt, dass diesbezüglich wieder die tatbestandlichen Voraussetzungen einer im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG unanfechtbaren Statusanerkennung als erfüllt angesehen werden können, ist geklärt.

Dies leitet der Kläger in seinem Zulassungsantrag aus dem Asylverfahrensgesetz selbst zutreffend her: Die Zubilligung von Familienasyl und Familienabschiebungsschutz setzt nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, der nach § 26 Abs. 4 Satz 1 entsprechende Anwendung findet, die Unanfechtbarkeit der Anerkennung des Stammberechtigten voraus. Der Anspruch des Familienmitglieds wird für diesen Fall aber dann ausgeschlossen, sofern die Anerkennung der Stammberechtigung zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (§ 26 Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG). Diese Ausnahme ginge ins Leere, würde sie eine unanfechtbare Widerrufs- bzw. Rücknahmeentscheidung des Bundesamtes voraussetzen; denn dann fehlte es bereits an einem Stammberechtigten. Daraus folgt, dass das Verfahren desjenigen, der Familienasyl oder Familienabschiebungsschutz begehrt, bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über den Anspruch des Kernberechtigten abgetrennt oder ausgesetzt werden muss (Renner, aaO, § 26 AsylVfG Rn. 6, 8 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 9.5.2006 - 1 C 8/05 -, zit. nach juris).