LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29.01.2008 - L 11 AY 50/07 ER - asyl.net: M12378
https://www.asyl.net/rsdb/M12378
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Zumutbarkeit, Syrien, Beweislast, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylbLG § 1a Nr. 2; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Die Beschwerde ist §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG} zulässig; sie ist auch begründet.

Das Sozialgericht Braunschweig hätte den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung nicht ablehnen dürfen.

Dieses zugrunde gelegt, haben die Antragsteller bei der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich einen Anspruch von Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne Kürzung dieser Leistungen in Anwendung des § 1 a AsylbLG.

Die Antragsteller sind seit Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können nur deshalb nicht vollstreckt werden, weil die hierfür erforderlichen Heimreisedokumente fehlen. Es kann hier jedoch nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass die Antragsteller es zu vertreten haben, dass diese Heimreisedokumente nicht vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § la Nr. 2 AsylbLG grundsätzlich die Leistungsbehörde trägt. Vorliegend beruht der Umstand, dass Heimreisepapiere nicht vorliegen, - anders als in dem vom Senat im Beschluss vom 2. Oktober 2007 - L 11 B 6/07 AY - entschiedenen Fall - nicht darauf, dass Zweifel bezüglich der Identität bestehen. Die Antragsteller haben durch ihren bisherigen Vortrag auch im Asylverfahren und die vorliegenden Unterlagen derartige Zweifel bezüglich ihrer Identität nicht begründet. Davon geht auch der Antragsgegner nicht aus. Vielmehr ist zu beurteilen, ob die Antragsteller ihnen mögliche und zumutbare Schritte unternommen haben, um geeignete Dokumente zu beschaffen. Anders als der Antragsgegner und auch das Verwaltungsgericht Braunschweig im Urteil vom 29. Juni 2007 - 4 A 351/05 - kann gegenwärtig nicht mit der notwendigen Sicherheit ein von den Antragstellern zu vertretendes Fehlverhalten festgestellt werden. Ein Auszug aus dem "Familien-Zivilregister für arabisch-syrische Staatsbürger" liegt der Ausländerbehörde vor (vgl. Bl. 103, 104 der Ausländerakte). Es handelt sich hierbei jedoch um einen Zivilregisterauszug ohne Lichtbild. Ein solcher ist grundsätzlich auch problemlos beschaffbar. Dieses ergibt sich auch aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 26. Februar 2007, auf den das Verwaltungsgericht Braunschweig seine Entscheidung gestützt hat. Das Problem besteht jedoch darin, dass nach der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Damaskus vom 27. Juni 2007 die syrischen Behörden die notwendigen Heimreisepapiere nur ausstellen, wenn als Identitätsnachweis u. a. ein Zivilregisterauszug mit Lichtbild vorliegt (so auch bereits Auskunft an den Landkreis Peine vom 4. Januar 2004). Ein solcher Zivilregisterauszug liegt hier jedoch nicht vor. Die Beschaffung eines Zivilregisterauszuges über Familienangehörige in Syrien oder syrische Vertrauensanwälte ist möglich. Diese Wege scheinen die Antragsteller nach den eingereichten Unterlagen auch beschritten zu haben. Jedoch weist die Botschaft in der Auskunft vom 27. Juni 2007 ausdrücklich darauf hin, dass die Erlangung eines Zivilregisterauszuges mit Lichtbild "offenbar nicht einfach" ist. In der er gänzenden Auskunft vom 9. August 2007 führt die Botschaft aus, dass die Erfolgsaussichten ungewiss seien und in starkem Maß auch von der Lage des Einzelfalls abhängen. Unter Berücksichtigung dieser Sachlage kann zur Zeit ein Fehlverhalten der Antragsteller nicht festgestellt werden.

Der Senat kann aufgrund der vorliegenden Unterlagen auch nicht feststellen, dass die Antragsteller auf anderem Wege in der Lage wären, sich Heimreisepapiere zu beschaffen.