VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 12.02.2008 - 19 C 08.1 - asyl.net: M12580
https://www.asyl.net/rsdb/M12580
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Fahrtkostenerstattung, Fahrtkosten, mündliche Verhandlung, Bedürftigkeit, Erfolgsaussichten
Normen: VwGO § 101 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; VwGO § 162 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4; GG Art. 20 Abs. 1; VwGO § 166; ZPO § 114; ZPO § 115 Abs. 1
Auszüge:

2. Die Beschwerde ist auch begründet, weil der Antrag auf Fahrtkostenerstattung in Form einer Fahrkarte bzw. eines Fahrkartengutscheins zur Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nach Auffassung des Senats zu Unrecht abgelehnt worden ist.

Das Verwaltungsprozessrecht ist vom Grundsatz der Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung geprägt (§ 101 Abs.1 VwGO). Diese Regelung soll u.a. den Beteiligten ermöglichen, ihren Standpunkt darzulegen und dem Gericht einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Dies wäre der Klin. verwehrt, wenn ihr nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe auch die Erstattung von Fahrtkosten versagt wurde. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des 25. Senats (B.v. 7.3.2006 - 25 ZB 05.31119). Danach gebieten es der Anspruch auf rechtliches Gehör und das in ihm enthaltene Äußerungsrecht gegenüber dem Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG), den Beteiligten Gelegenheit zu geben, an einem Termin zur mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Insoweit ist die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 19. Februar 1997 - 3 PKH 1/97, dass bei Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags wegen fehlender Erfolgsaussichten auch für die Bewilligung von Reisekosten kein Raum mehr sei, einzuschränken. Vielmehr ist einem mittellosen Beteiligten die Anreise zur mündlichen Verhandlung jedenfalls zu ermöglichen, wenn auch für einen bemittelten Beteiligten die Aufwendungen für die Reise im Sinne § 162 Abs. 1 VwGO notwendig wären. Auch im Hinblick auf das Gebot effektiven und gleichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) muss es einer unbemittelten Person möglich sein, zumindest selbst den eigenen Standpunkt in der mündlichen Verhandlung vor Gericht zu vertreten, ohne dass das von einer vorherigen Prüfung der Erfolgsaussichten abhängig gemacht wird. Hierfür sprechen auch das Recht auf ein faires Verfahren vor Gericht (Art. 6 Abs. 1 EMRK) sowie Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip als allgemeinem Prozessgrundrecht (vgl. BVerfG B.v. 15.8.1996 - 2 BvR 2600/95). Auch der Bundesgerichtshof ist im Beschluss vom 19. März 1975 - IV ARZ (VZ) 2974 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entscheidung über das Gesuch um Reisekostenentschädigung zwar in entsprechender Anwendung der Vorschriften über Armenrecht ergeht, es jedoch nicht darauf ankommt, ob der Partei das Armenrecht im Übrigen bewilligt wird. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 27. September 2000 - 1 E 104/00 Zweifel an der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts a.a.O. geäußert (ohne dass es dabei entscheidungserheblich darauf ankam) und ist im weiteren Beschluss vom 12. April 2001 - F 3 S 235/99 ebenfalls zur der einschränkenden Auslegung gelangt, dass im Fall der Anberaumung eines Gerichtstermins eine Erstattung von Reisekosten in entsprechender Anwendung der §§ 166 VwGO; 114 f. ZPO möglich sei, ohne dass es darauf ankomme, ob der Partei Prozesskostenhilfe im Übrigen bewilligt wird.

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Februar 2001 (nicht: 2007) - 19 ZB 99.30525 steht dem nur scheinbar entgegen, da dort bereits Zweifel an der Bedürftigkeit des Klägers bestanden und angesichts einer Vielzahl von Ungereimtheiten und unaufklärbaren Widersprüchen in seinem Vorbringen nicht erkennbar war, inwiefern dies durch einen persönlichen Vortrag in der mündlichen Verhandlung hätte überwunden werden können.

Die Klägerin erweist sich schließlich auch als bedürftig. Dabei lässt auch der Senat dahingestellt, ob ihr die geringen Fahrtaufwendungen vom Wohnort zum Gerichtsort und zurück tatsächlich nicht zumutbar wären. Nach sämtlicher oben zitierter Rechtsprechung - auch des Bundesverwaltungsgerichts - sind hierfür jedoch die Vorschriften über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich. Gemäß §§ 166 VwGO; 115 Abs. 1 ZPO i.V.m. der letzten Bekanntmachung des Bundesministers hierzu verbleibt der Klägerin nach Abzug der geltend gemachten, absetzbaren Beträge jedoch kein einsetzbares Einkommen, so dass von einer Bedürftigkeit im Sinne § 114 ZPO auszugehen ist.