VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Beschluss vom 06.02.2008 - 12 A 3174/05 - asyl.net: M12601
https://www.asyl.net/rsdb/M12601
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, Kostenrecht, notwendige Aufwendungen, Kostenerstattung, Privatgutachten
Normen: VwGO § 162 Abs. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts ist gemäß §§ 165, 151 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Er ist jedoch unbegründet.

Die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die Erstattung der Aufwendungen für das von der Klägerin in Auftrag gegebene Gutachten der Trauma-Transform-Consult GmbH vom 24.08.2006 in Höhe von 1.000,00 Euro und für die gutachterliche Stellungnahme des Arztes Dr. Gierlichs vom 27.04.2007 in Höhe von 135,00 Euro abzulehnen, ist nicht zu beanstanden. Die genannten Aufwendungen gehören nicht zu den von § 162 Abs. 1 VwGO erfassten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Kosten für ein Privatgutachten sind nämlich nur ausnahmsweise erstattungsfähig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 11.04.2001 - 9 KSt 2.01 NVWZ 2001, 919) zu den nach § 162 Abs. 1 VwGO zu erstattenden Kosten Folgendes ausgeführt.

"Aufwendungen für private, d.h. nicht vom Gericht bestellte Sachverständige sind nach Abs. 1 dieser Vorschrift nur dann erstattungsfähig, wenn diese Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Kl., sondern danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte (vgl. BVerwG, NJW 2000, 2832 = NVwZ 2000, 1169 L). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gem. § 86 VwGO vor der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. In diesem Verfahren sind daher zwangsläufig der Erstattungsfähigkeit der Kosten für private Sachverständige engere Grenzen gesetzt als in dem von der Verhandlungsmaxime beherrschten Zivilprozess, so dass die dort entwickelten Grundsätze nicht ohne weiteres zu übernehmen sind. Die Einholung eines Privatgutachtens durch eine Partei ist hiernach nur - ausnahmsweise - dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen: Die Prozesssituation muss das Gutachten herausfordern, und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (vgl. VGH München, NVwZ-RR 1997, 499; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1998, 691)."

Die Voraussetzungen, unter denen somit ausnahmsweise die Kosten für ein Privatgutachten erstattungsfähig sind, liegen hier nicht vor. Die Klägerin verkennt offenbar, dass es für die Erstattungsfähigkeit der Kosten für ein Privatgutachten nicht ausreicht, dass sich das Gutachten mit einer schwierigen Fachfrage befasst, zu der auch eine rechtlich beratene und vertretene Partei nicht genügend sachkundig Stellung nehmen kann. Vielmehr muss diese Frage - selbstverständlich - auch entscheidungserheblich sein. Welche Fragen für den Ausgang des Verfahrens entscheidungserheblich und möglicherweise durch Einholung von Sachverständigengutachten aufzuklären sind, ist jedoch abhängig von der Rechtsauffassung, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legt. Teilt ein Beteiligter die Rechtsauffassung des Gerichts nicht oder hat er Zweifel daran, dass das Gericht die "richtigen" Fragen für entscheidungserheblich hält - so wie hier angeblich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Hinblick auf die ihm bekannte bisherige Rechtsprechung der Kammer - so ist er gehalten, im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Möglichkeiten, also insbesondere durch tatsächliche und rechtliche Ausführungen und durch in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge, das Gericht zu einer seiner Auffassung nach "richtigen" Entscheidung zu veranlassen. Dagegen erscheint es geradezu fahrlässig und entspricht gerade nicht dem Verhalten einer verständigen Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, wenn ein Beteiligter - allein durch das Vorbringen der Gegenseite veranlasst - private Gutachten zu tatsächlichen Fragen in Auftrag gibt, ohne eine Äußerung des Gerichts zur Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen abzuwarten.