SG Saarland

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Zitieren als:
SG Saarland, Beschluss vom 12.02.2008 - S 25 ER 36/07 AY - asyl.net: M12606
https://www.asyl.net/rsdb/M12606
Leitsatz:

Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, SGB II, SGB XII oder BSHG zählen bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, 48-Monats-Frist, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Bewilligungsbescheid, Dauerverwaltungsakt, Dauerwirkung, Anfechtungsklage, Leistungskürzung
Normen: SGG § 86b Abs. 1; AsylbLG § 2 Abs. 1
Auszüge:

Zeiten des Bezugs von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, SGB II, SGB XII oder BSHG zählen bei der 48-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Der Eilantrag der Antragstellerin ist gemäß § 86 b Abs. 1 SGG zulässig. Insbesondere ist die Statthaftigkeit des Antrags gegeben. Soweit es um die Entziehung der höheren Leistung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit dem SGB XII und die Weiterbewilligung von geringeren Leistungen nach § 3 AsylbLG geht, handelt es sich um eine Anfechtungssache. Statthaft ist insoweit der Antrag auf Feststellung der gemäß § 86 a Abs. 1 S. 1 SGG eingetretenen aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG analog. Denn die Antragstellerin begehrt die nicht die Erweiterung ihrer Rechtsposition, sondern die Beibehaltung des Status quo durch aufschiebende Wirkung ihres Rechtsbehelfs gegen die Einstellung der Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit dem SGB XII. Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG über den 30.09.2007 hinaus. Diese Rechtspositionen erhielt sie bereits mit dem Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin vom 02.06.2006. Die Rückkehr zur Leistungsbewilligung nach § 3 AsylbLG ab dem 01.10.2007 durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.09.2007 stellt insoweit einen Eingriff in eine Rechtsposition dar. Das Ziel der Antragstellerin wird damit durch den vorrangig zu gewährenden gerichtlichen Rechtsschutz in Anfechtungssachen erreicht (§ 86b Abs. 1 S. 1, 1. Halbsatz SGG), wenn die Bewilligung der Leistung durch Dauerverwaltungsakt erfolgt war. Einstweiliger Rechtsschutz dagegen wird insofern nicht durch eine Erweiterung der Rechtsposition (sogenannte Vornahmesache) gewährt, sondern durch aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs, die gemäß § 86 a Abs. 1 S. 1 SGG von Gesetzes wegen eintritt, wenn kein Fall des § 86 a Abs. 2 bzw. 4 SGG vorliegt. Um eine solche Anfechtungssache handelt es sich hier, da der fragliche Bewilligungsbescheid vom 10.08.2007 ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist.

Bei diesem Bescheid (wie auch bei den übrigen Bewilligungsbescheiden der Antragsgegnerin) handelt es sich nach dem objektiven Erklärungsinhalt für einen juristisch nicht gebildeten Empfänger um einen Bescheid mit Dauerwirkung. Der Antragstellerin wurde damit eine bestimmte Leistung, nämlich die nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit dem SGB XII ab Juni 2006 bis auf weiteres gewährt. Bei verständiger Würdigung durfte die juristisch nicht gebildete Antragstellerin, die zudem noch Asylbewerberin war und sich kaum mit dem deutschen Rechtswesen beschäftigt haben dürfte, aus den Worten "bis auf weiteres" entnehmen, dass ihr die Leistung bis zu einer Neufeststellung, eben bis auf weiteres, zustehen würde (vgl. hierzu Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 30.10.2007, Az: S 15 AY 18/07 ER m.w.N.).

Bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung ist einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 86 b Abs. 1 SGG (sog. Anfechtungssache) zu gewähren und nicht gemäß § 86 b Abs. 2 SGG (sog. Verpflichtungssache). Eine Änderung der mit Bescheid vom 10.08.2006 bewilligten Leistungen durfte die Antragsgegnerin nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. §§ 45 ff SGB X vornehmen. Somit käme § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 48 SGB X in Betracht, sofern die Antragsgegnerin der Auffassung ist, dass sich der Sachverhalt im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG bei der Antragstellerin geändert habe. Ein entsprechender Aufhebungsbescheid, wie er in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.09.2007 zu sehen ist, stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, der von der Leistungsberechtigten mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann.

Unabhängig davon ist die Geltungsdauer des Bescheides der Antragsgegnerin vom 02.06.2006 auch nicht deshalb beendet, weil die Antragstellerin nicht mehr zum Personenkreis der Leistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG zählt. Vielmehr erfüllt sie diese die Voraussetzung weiterhin. Die Antragstellerin hat unstreitig 36 Monate Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Sofern die Antragstellerin ab Juni 2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG bezogen hat, erfüllen diese Leistungen ebenfalls die Anforderungen des nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu berücksichtigenden Zeitraums. Zu beachten ist dabei, dass neben dem Wortlaut auch andere juristische Auslegungskriterien zu Verfügung stehen, die vorliegend heranzuziehen sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 A Y ER, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.01.2008 - L 20 B 85/07 AY ER). Insofern ist auch auf den Sinn und Zweck der leistungsrechtlichen Privilegierung des § 2 Abs. 1 AsylbLG entscheidend abzustellen, wonach bei Leistungsberechtigten, bei denen aufgrund ihres längeren Aufenthalts eine stärkere Angleichung an die Lebensverhältnisse in Deutschland erforderlich ist, Leistungen in entsprechender Höhe wie nach dem SGB XII erbracht werden sollen (vgl. Bundestagsdrucksache 12/5008, Seite 15; LSG NordrheinWestfalen, a.a.O.; LSG Hamburg, Beschluss vom 27.04.2006 - L 4 b 84/06 ER AY, Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 2 Randnr. 1). Hieraus folgt, dass bei einer Aufenthaltsdauer im von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehenen Umfang das Integrationsbedürfnis unabhängig davon angewachsen ist, ob Leistungen nach dem AsylbLG in dieser Zeit bezogen worden sind oder eben bereits höhere Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII (vgl. dazu LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O., LSG Hamburg a.a.O.). Insbesondere sind die Zeiträume mit einzuberechnen, in denen bereits rechtmäßige Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII oder dem BSHG zur Deckung des Lebensunterhaltes bezogen worden sind (vgl. Adolph in Linhart/Adolph, AsylbLG, § 2 Randnr. 12). Im Übrigen scheint im vorliegenden Falle dabei auch beachtenswert, dass im Hinblick auf die Formulierung des § 2 Ahs. 1 AsylbLG, wonach die Vorschriften des SGB XII "entsprechend anzuwenden" sind, bedeutet, dass es nach wie vor dabei verbleibt, dass es sich um Leistungen nach dem AsylbLG handelt (vgl. Adolph, a.a.O., § 2 Randnr. 21, 23). Insofern erscheint es vertretbar, dass auch derjenige, der Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII erhält, im weitesten Sinne auch noch Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG bezieht, deren Höhe sich eben nach den weitergehenden Vorschriften des SGB XII richtet. Damit könnte diese Auslegungsmöglichkeit sogar noch mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG in Einklang gebracht werden. Die Formulierung dort mit "abweichend von den §§ 3 bis 7" bedeutet nicht zwingend, dass § 3 AsylbLG durch § 2 Abs. 1 AsylbLG ausgeschlossen wird, sondem lediglich vom SGB XII überlagert wird, sofern dort weitergehendere Leistungen vorgesehen sind (so auch: SG Duisburg, Beschluss vom 08.11.2007 - Az: S 2 A Y 36/07 ER; SG Hildesheim, Beschluss vom 30.10.2007 Az: S 40 A Y 108/07 ER; Rundschreiben 1 Nr. 7/2007 der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin vom 31.08.2007 - Az: IA 11 (928) 2970; Rundschreiben des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 17.09.2007 Az: 24 - 1353.70/1/1; Rundschreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg vom 27.08.2007 - Gesch-Z.: 26 - 4822.1).