VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 21.02.2008 - 3 UE 191/07.A - asyl.net: M12885
https://www.asyl.net/rsdb/M12885
Leitsatz:

1. Die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - Qualifikationsrichtlinie - hat zu Änderungen der Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz geführt.

2. Bei der Frage, welcher Maßstab an die zu prüfende Verfolgungswahrscheinlichkeit zu stellen ist, ist gemäß Art. 4 Abs. 3 QRL stets eine individuelle Prüfung vorzunehmen.

3. Auch unter Geltung der QRL besteht hinsichtlich der Gefährdungsprognose ein Unterschied, ob der Flüchtling sein Heimatland vorverfolgt oder nicht verfolgt verlassen hat.

4. Nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist. Nur wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht ist, greift die Vermutungsregel des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht.

5. Ein nicht vorverfolgt ausgereister Flüchtling muss begründete Furcht vor Verfolgung (Art. 2 c) QRL) geltend machen, d.h. er muss bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen befürchten müssen. Dies entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.

6. Die Differenzierung zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, die zur Konsequenz hatte, dass Flüchtlinge, die "lediglich" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, mit Verlassen des Verfolgungsgebietes, spätestens aber mit Rückkehr aus dem Ausland mangels Orts- bzw. Gebietsbezug voraussetzungsgemäß nicht mehr von Verfolgung betroffen sind und ihnen daher eine Rückkehr in andere Gebiete des Heimatstaates ohne weitere asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Prüfung einer inländischen Fluchtalternative zuzumuten war, ist mit den Vorgaben der QRL nicht - mehr - zu vereinbaren.

7. Art. 8 Abs. 2 QRL stellt hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, mithin grundsätzlich in gerichtlichen Verfahren die mündliche Verhandlung, ab, ohne bei der Frage der Vorverfolgung Differenzierungen nach örtlich oder regional begrenzter Verfolgung vorzunehmen.

8. Der Beibehaltung des Instituts der "örtlich begrenzten Gruppenverfolgung" stehen kompetenzrechtliche Erwägungen entgegen, da diese im Vergleich zu den Anforderungen der QRL (Art. 4 Abs. 4, Art. 8 QRL) auf Grund des dann anzuwendenden eingeschränkten Prüfprogramms - keine Prüfung des internen Schutzes im Zeitpunkt der Rückkehr - zu einer Schlechterstellung der nur einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzten Flüchtlinge führt und damit dem Ziel der QRL, Mindestnormen für den Flüchtlingsschutz verbindlich festlegen zu wollen (Art. 1 QRL), entgegensteht.

9. Der vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneten "Zwiegesichtigkeit eines Staates" (BVerfGE 80, 315 ff.) trägt Art. 8 QRL Rechnung, indem er den Flüchtling ohne weitere Differenzierung nur dann auf eine interne Schutzmöglichkeit bei Rückkehr in sein Heimatland verweist, wenn dort für ihn keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält, wobei sich nach Art. 8 Abs. 2 QRL eine rein generalisierende Prüfung verbietet.

10. Bei der Prüfung der existentiellen Gefährdungen am Ort des internen Schutzes entfällt unter Geltung der QRL die bisher von der Rechtsprechung geforderte vergleichende Betrachtung - eine inländische Fluchtalternative konnte bisher bei Vorliegen existentieller Gefährdungen dort nur dann angenommen werden, wenn diese so am Herkunftsort nicht bestünden - da eine derartige Betrachtung Art. 8 QRL fremd ist.

11. Tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien sind im Herbst 2000 vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL aus ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist, da dort ihr Leben und ihre Freiheit allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe ethnischer Tschetschenen aus Tschetschenien unmittelbar durch staatliche Stellen bedroht war (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 2 c) QRL, Art. 4 Abs. 4 QRL).

12. Im Herbst 2000 sind die in Tschetschenien stationierten russischen Einheiten und Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung der tschetschenischen Rebellen bzw. Separatisten weit über das hinaus gegangen, was unter dem Gesichtspunkt einer legitimen Terrorismusbekämpfung bzw. der legitimen Bekämpfung von Separatismusbestrebungen eines Staates hingenommen werden kann, wobei die tschetschenische Zivilbevölkerung gezielten Drangsalierungen, willkürlichen Verhaftungen, Verschleppungen, Verfolgungen bis hin zu Mord, Folterungen, Vergewaltigungen ausgesetzt war.

13. Tschetschenische Volkszugehörige aus Tschetschenien, denen keine tatsächliche oder unterstellte frühere Mitwirkung bzw. Einbindung bei den Rebellentruppen oder im Regime Maschadow entgegengehalten werden kann, können heute nach Tschetschenien zurückkehren. Bei ihnen sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass sie erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden - wie im Herbst 2000 - bedroht sein werden (Art. 4 Abs. 4 QRL). Insoweit hat sich die Sicherheitslage in Tschetschenien sowohl im Vergleich zum Ausreisezeitpunkt der Kläger im Herbst 2000 als auch zum vormaligen Entscheidungszeitpunkt des Senats am 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - maßgeblich verändert.

14. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gibt den Wortlaut des Art. 15 c) QRL nicht ordnungsgemäß wieder, da er das Tatbestandselement "infolge willkürlicher Gewalt" nicht mit aufnimmt. Im Übrigen kann die Ausschlussklausel des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auf Konstellationen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keine Anwendung finden, da es sich nach Art. 18 QRL auch bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes um eine gebundene Entscheidung handelt. In Fällen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bleibt es bei den Wahscheinlichkeitsmaßstäben der QRL.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Russland, Tschetschenien, Tschetschenen, Anerkennungsrichtlinie, Verfolgungsbegriff, Vorverfolgung, Wahrscheinlichkeitsmaßstab, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, beachtlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Gruppenverfolgung, interne Fluchtalternative, interner Schutz, Beurteilungszeitpunkt, Existenzminimum, Terrorismusbekämpfung, Verfolgungsdichte, Sicherheitslage, Maschadow, Situation bei Rückkehr, Rückübernahmeabkommen, Wehrpflicht, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, allgemeine Gefahr, Versorgungslage, Wohnraum, soziale Bindungen
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 3; RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4; RL 2004/83/EG Art. 8 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 8 Abs. 2; AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c
Auszüge:

Die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2003 in dem hier noch streitgegenständlichen Umfang begehrt, ist aufgrund der Zulassung durch den Senat und auch sonst zulässig und auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, hinsichtlich der noch im Berufungsverfahren beteiligten Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, der gemäß Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 seit dem 1. Januar 2005 durch § 60 Abs. 1 AufenthG abgelöst wurde, festzustellen; denn die Ablehnung der Feststellung von Flüchtlingsschutz gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I Nr. 42 S. 1970 ff.) - AufenthG - stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) als rechtmäßig dar.

Nach der nunmehr in § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug genommenen und im Übrigen aufgrund des Ablaufs ihrer Umsetzungsfrist zum 10. Oktober 2006 ohnehin in weiten Teilen unmittelbar geltenden Qualifikationsrichtlinie (vgl. zur unmittelbaren Geltung von Richtlinien EuGH, Urteil vom 19. 01. 1982 - Rs. 8 /81 -, EuGHE 1982, 53 Rz 21 ff. und vom 20. 09. 1988 - Rs 190/87 -, EuGHE 1988, 4689 Rz 22 ff.; Herdegen, Europarecht, 8. Aufl., 2006, § 9 Rdn 44 ff.) haben sich die vorwiegend richterrechtlich entwickelten Prüfungsmaßstäbe hinsichtlich der Zuerkennung von Flüchtlingsschutz unmittelbar am Wortlaut der QRL und des AufenthG zu messen, wobei dies teils zu gravierenden Änderungen, teils jedoch zur Beibehaltung auch bisher geltender Prüfmaßstäbe führt. Dabei ist bei der Auslegung der von dem deutschen Gesetzgeber so formulierten "ergänzenden" Anwendung der Vorschriften der QRL - § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG - zu beachten, dass gem. Art. 1 QRL die Richtlinie verbindliche Mindestnormen für die Mitgliedstaaten festschreibt, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht unterschritten werden dürfen. Wesentliches Ziel der Richtlinie ist nämlich die Schaffung einer gemeinsamen Asylpolitik einschließlich eines "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems". Die Richtlinie soll auf "kurze Sicht zur Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und Merkmale der Flüchtlingseigenschaft führen" (vgl. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, 2005, Vorwort zur Neugestaltung des Handbuchs, III).

Bei der Frage, welcher Maßstab an die zu prüfende Verfolgungswahrscheinlichkeit unter Geltung der QRL anzulegen ist, ist zunächst auf Art. 4 Abs. 3 QRL zu verweisen, nach dem stets eine individuelle Prüfung zu erfolgen hat, mithin eine rein generalisierende Sichtweise nicht mehr mit dem Wortlaut der Richtlinie zu vereinbaren wäre (vgl. Hruschka/Löhr, Der Prognosemaßstab für die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft nach der Qualifikationsrichtlinie, ZAR 2007, S. 180 ff.).

Soweit nach der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung der Frage, ob einem Flüchtling nach den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AufenthG Schutz zu gewähren ist, unterschiedliche Maßstäbe anzulegen waren, je nach dem, ob dieser seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfGE 80, 315 = NVwZ 1990, 151 = NJW 1990, 974), nimmt zwar die QRL eine entsprechende Unterscheidung ebenfalls auf, allerdings mit Verschiebungen des Prüfungsumfangs hinsichtlich der vorverfolgt ausgereisten Personen sowie hinsichtlich des anzustellenden Prüfungsumfangs im Zeitpunkt der Ausreise.

Nach den bisher richterrechtlich entwickelten Maßgaben durfte ein - landesweit - vorverfolgt ausgereister Flüchtling grundsätzlich nur dann in sein Heimatland zurückgeschickt werden, wenn er dort hinreichend sicher vor - erneuter politischer - Verfolgung war (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab), wobei hinreichende Sicherheit in diesem Zusammenhang bedeutete, dass aufgrund der bereits einmal erlittenen Verfolgung hohe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Ausschlusses erneuter Verfolgung zu stellen waren. Es musste mehr als überwiegend wahrscheinlich sein, dass keine erneute Verfolgung droht (BVerwGE 70, 169 171>). Demgegenüber konnte ein unverfolgt Ausgereister bei zu berücksichtigenden objektiven Nachfluchtgründen auf sein Heimatland verwiesen werden, wenn ihm dort nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung drohte, was anzunehmen war, wenn er in absehbarer Zeit dort nicht mit Verfolgungsmaßnahmen ernsthaft zu rechnen hatte (vgl. BVerwGE 68, 106 109>).

Auch die QRL nimmt bei der anzustellenden Verfolgungsprognose eine Differenzierung vor, indem sie in Art. 4 Abs. 4, auf den § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ausdrücklich Bezug nimmt, ausführt, dass die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Zwar ist zutreffend, dass Art. 4 Abs. 4 QRL damit lediglich eine Prognoseregelung für den Fall trifft, dass eine Person verfolgt wurde oder eine Verfolgung unmittelbar bevorstand, nicht jedoch eine Vermutungsregel für unverfolgt ausgereiste Flüchtlinge enthält (vgl. Hruschka/Löhr, a.a.O., S. 181). Nach der Systematik des Art. 4 Abs. 4 QRL stellt für den erstgenannten Personenkreis die stattgefundene bzw. unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis auf eine auch im Fall der Rückkehr zu erwartende Verfolgung dar, während bei nicht vorverfolgten Flüchtlingen der in Art. 4 Abs. 4 QRL so bezeichnete "ernsthafte Hinweis" auf zu erwartende Gefährdungen entfällt, es im Übrigen aber bei der Prüfung bleibt, ob der Flüchtling heute bei Rückkehr in sein Heimatland erwartbar Verfolgungsmaßnahmen oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erleiden wird oder hiervon unmittelbar bedroht ist. Insoweit kann auch auf die Begriffsbestimmung des Art. 2 c) QRL zurückgegriffen werden, wonach "Flüchtling" im Sinne der QRL einen Drittstaatsangehörigen bezeichnet, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Art. 12 keine Anwendung findet. Der letztgenannte Maßstab entspricht dabei dem in der Rechtsprechung entwickelten Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" in Anlehnung an die britische Rechtsprechung des "real risk", wobei auch ein Verfolgungsrisiko von unter 50 % als beachtlich wahrscheinliches Risiko angesehen werden kann.

Der von der Rechtsprechung entwickelte Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" bei vorverfolgt ausgereisten Flüchtlingen wird demgegenüber nunmehr durch die in Art. 4 Abs. 4 QRL enthaltene Rückausnahme abgelöst, wonach eine erfolgte oder unmittelbar drohende Vorverfolgung den ernsthaften Hinweis nach sich zieht, dass die Furcht des Antragsteller vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sein wird (a.A. Bay. VGH, Urteil vom 31. 08. 2007, 11 B 02.31774, Rdn 29, in juris online, der davon ausgeht, dass es auch unter Geltung der QRL bei beiden bisher richterrechtlich entwickelten Prognosemaßstäben bleibt). Bei der Auslegung des Art. 4 Abs. 4 QRL können zwar die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien der "hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung" mit herangezogen werden, da auch der Richtliniengeber davon ausgeht, dass der bereits einmal verfolgte Flüchtling einen erhöhten Schutzstandard genießt, stellt doch die Vorverfolgung einen ernsthaften Hinweis auf eine auch bei Rückkehr zu befürchtende Verfolgung dar, es sei denn es greift die Rückausnahme des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL. Allerdings sollte sich die Rechtsanwendung nunmehr den neuen - europaweit gültigen - Begrifflichkeiten zuwenden, die als Rechtsnormen die richterrechtlich entwickelten Begriffe ablösen und sich auch einer europaweiten Vergleichbarkeit werden stellen müssen.

Unter zeitlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten hat der relevante Prüfungsumfang der Verfolgungssituation des Flüchtlings durch die Regelungen der QRL maßgebliche Änderungen, insbesondere hinsichtlich der richterrechlich entwickelten Kriterien einer örtlich oder regional begrenzten Verfolgung (vgl. BVerwGE 105, 204; BVerwG Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 231; BVerwGE 105, 204; BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06) erfahren, da es auf diese Differenzierungen nach Inkrafttreten der QRL nicht mehr ankommt.

Die Differenzierung zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung, die zur Konsequenz hatte, dass Flüchtlinge, die "lediglich" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt waren, mit Verlassen des Verfolgungsgebiets, spätestens aber mit Rückkehr aus dem Ausland, mangels Orts- bzw. Gebietsbezug voraussetzungsgemäß nicht mehr von Verfolgung betroffen seien und ihnen daher eine Rückkehr in andere Gebiete des Heimatstaates ohne weitere asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Prüfung einer inländischen Fluchtalternative zuzumuten war (BVerwG, Beschluss vom 04.01.2007, 1 B 47.06, Rdnr. 5), ist mit den Vorgaben der QRL nicht - mehr - zu vereinbaren.

Maßgeblich ist dabei, welche zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben insbesondere Art. 8 QRL für die Prüfung der Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative bzw. eines internen Schutzes vorgibt und welche Veränderungen sich hieraus zu den bisherigen Maßstäben ergeben.

Aufgrund der Tatsache, dass auch Art. 8 QRL - eine nach ihrem Wortlaut nicht grundsätzlich umsetzungspflichtige Norm - durch § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in Bezug genommen worden ist und das Institut der inländischen Fluchtalternative/des internen Schutzes zudem ausdrücklich in § 60 Abs. 1 Satz 4 a. E. AufenthG gesetzliche Erwähnung erfährt, sind nunmehr das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative/internen Schutzes und die in diesem Zusammenhang anzustellenden rechtlichen Erwägungen ausschließlich an den Maßstäben und dem Wortlaut der Art. 8 QRL und Art. 4 Abs. 4 QRL zu messen.

Art. 8 QRL bestimmt, dass bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz die Mitgliedsstaaten feststellen können, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält (Abs. 1). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, berücksichtigen die Mitgliedsstaaten die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (Abs. 2). Schließlich kann Abs. 2 auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen (Abs. 3).

Art. 8 QRL trägt unterschiedslos der Tatsache Rechnung, dass sich Verfolgungssituationen innerhalb eines Staates für einzelne Personen oder Personengruppen unterschiedlich darstellen können, mit anderen Worten, der Staat bestimmte Personen und/oder Gruppen von Personen in einem Teil seines Staatsgebietes verfolgt, während er sie anderenorts mehr oder weniger unbehelligt lässt. Der von dem Bundesverfassungsgericht so bezeichneten "Zwiegesichtigkeit des Staates" (BVerfGE 80, 315 ff.) trägt Art. 8 QRL Rechnung, indem dem Flüchtling ohne Differenzierung nach regional oder örtlich begrenzter Verfolgung eine Rückkehr in einen anderen Landesteil seines Heimatstaates nur dann, und zwar im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag, zugemutet wird, wenn dort für ihn keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält, wobei sich nach Art. 8 Abs. 2 QRL eine rein generalisierende Prüfung verbietet. Vielmehr ist bei Auslegung des Tatbestandsmerkmals "vernünftigerweise erwartet werden kann" (Art. 8 Abs. 1 QRL) unter Anlegung objektiver Maßstäbe zu prüfen, wie sich ein durchschnittlich vernünftiger Mensch in der Situation des Flüchtlings verhalten würde und bei der Frage, ob dieses vernünftige Verhalten von dem konkreten Flüchtling auch tatsächlich erwartet werden kann, seine persönlichen Besonderheiten zu berücksichtigen sind.

War nach bisheriger Rechtsprechung bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft insbesondere zur Ermittlung der anzuwendenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe unter zeitlichen Gesichtspunkten grundsätzlich eine doppelte Prüfung vorzunehmen, nämlich ob die Flüchtlingseigenschaft sowohl im Zeitpunkt der Ausreise als auch im Zeitpunkt der gedachten Rückkehr landesweit anzunehmen war bzw. ist, stehen dem nunmehr der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 QRL sowie seine systematische Stellung zu Art. 4 Abs. 4 QRL entgegen.

Art. 4 Abs. 4 QRL stellt ausschließlich darauf ab, dass der Antragsteller - im Zeitpunkt der Ausreise - bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ohne hierbei das Institut des internen Schutzes - mit der Konsequenz der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 13 QRL) - mit in den Blick zu nehmen. Ob eine angenommene Vorverfolgung bei regional oder örtlich begrenzten Verfolgungsmaßnahmen auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, ist gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL nach Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu entscheiden. Mit anderen Worten, es reicht für die Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 4 QRL die Tatsache, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Ausreise, und sei es nur in einem Teil seines Heimatstaates, verfolgt war oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, während für die Beantwortung der Frage, ob dies auch zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt, im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag, im gerichtlichen Verfahren also in der Regel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG), gemäß den von Art. 8 QRL angelegten Vorgaben zu prüfen ist, ob eine interne Schutzmöglichkeit für den Verfolgten besteht oder nicht.

Da Art. 8 Abs. 2 QRL, wie bereits ausgeführt, hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des internen Schutzes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abstellt, ohne hierbei bei der Frage der Vorverfolgung (Art. 4 Abs. 4 QRL) Differenzierungen nach örtlich oder regional begrenzten Verfolgungssituationen vorzunehmen, verbietet bereits dieser systematische Zusammenhang eine Beibehaltung der richterrechtlich entwickelten Differenzierungen, die zur Konsequenz hatten, dass bei lediglich örtlich begrenzter Gruppenverfolgung die Prüfung internen Schutzes gerade im Fall der Rückkehr aus dem Ausland entfiel, da der Flüchtling voraussetzungsgemäßnicht - mehr - zu der verfolgten Gruppe gehörte.

Darüber hinaus stehen kompetenzrechtliche Gründe der Beibehaltung der genannten Differenzierungen zwischen örtlich und regional begrenzter Gruppenverfolgung entgegen, da ihre Beibehaltung entgegen den Vorgaben der QRL (Art. 4 Abs. 4, Art. 8 QRL) zu einer Schlechterstellung der "nur" einer örtlich begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzten Flüchtlinge führen würde - in ihrem Fall würde das Vorliegen der Vorraussetzungen des Art. 8 QRL im Zeitpunkt der Rückkehr gerade nicht geprüft - und dies dem Ziel der QRL, verbindliche Mindestnormen für den Flüchtlingsschutz festlegen zu wollen (Art. 1 QRL), entgegenstünde.

Eine weitere Änderung nach Inkrafttreten der QRL stellt der Prüfungsumfang der existentiellen Gefährdungen am Ort des internen Schutzes dar. Unter Geltung der QRL entfällt nämlich bei der Prüfung des internen Schutzes hinsichtlich der dort zu beachtenden existentiellen Gefährdungen die bisher von der Rechtsprechung geforderte vergleichende Betrachtung - eine inländische Fluchtalternative konnte bisher bei Vorliegen existentieller Gefährdungen dort nur dann angenommen werden, wenn diese so am Herkunftsort nicht bestünden (BVerfGE 80, 315 ff.) -, da eine derartige vergleichende Betrachtung Art. 8 QRL fremd ist. Dementsprechend gehen auch sowohl die amtliche Begründung zu dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 3. Januar 2006 als auch die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 13. Oktober 2006 davon aus, dass der Flüchtling am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden muss, d.h., es muss zumindest das Existenzminimum gewährleistet sein, und dies auch dann gilt, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind.

Unter Zugrundelegung der oben genannten Prüfungsmaßstäbe sind die Kläger vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL aus ihrer Heimatregion Tschetschenien ausgereist, da dort ihr Leben und ihre Freiheit im Zeitpunkt ihrer Ausreise im Oktober 2000 allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der ethnischen Tschetschenen aus Tschetschenien unmittelbar bedroht war (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 4 Abs. 4 QRL).

Der Senat hält hierbei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 23. März 2005 - 2 A 116/03.A -) auch das für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Kriterium der Verfolgungsdichte für gegeben.

Dass die Kläger im Zeitpunkt ihrer Ausreise auch durch Übergriffe der tschetschenischen Rebellen bedroht waren sowie durch Übergriffe der auf Seiten der Russischen Föderation kämpfenden tschetschenischen Verbände (letztere sind allerdings ohnehin dem russischen Staat zuzurechnen), die in ihrem Vorgehen ebenfalls die Zivilbevölkerung nicht verschont haben, hindert die Annahme einer im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG, Art. 4 Abs. 4 QRL verfolgungsrelevanten unmittelbaren Bedrohung mangels Verfolgungsdichte nicht (vgl. die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 5. März 2007, Bl. 307 GA). Dies bereits deshalb, weil die verfolgungsrelevanten Maßnahmen in der für die Anerkennung einer Verfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 QRL relevanten Verfolgungsdichte bereits allein durch die Maßnahmen der russischen Einheiten (militärische Einheiten und sonstige Sicherheitskräfte) verwirklicht worden sind, die Gefährdungen durch die tschetschenischen Rebellen für die Zivilbevölkerung also lediglich noch hinzukamen, ohne dass dies flüchtlingsrechtlich von eigenständiger und entscheidender Bedeutung wäre. Zum anderen vertritt der Senat aber nach wie vor die Auffassung - worauf es hier jedoch nicht entscheidungserheblich ankommt - dass von einem Flüchtling im Fall bürgerkriegsähnlicher Verwerfungen in seiner Heimatregion in aller Regel kein vollständiger Nachweis dafür gefordert werden kann, zu welchen Anteilen konkrete Übergriffe von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren begangen wurden, dies zumindest dann nicht, wenn der Staat, der selbst verfolgungsrelevante Handlungen im großen Umfang begeht, weder willens noch in der Lage ist, der Zivilbevölkerung Schutz vor Übergriffen nichtstaatlicher Akteure zu gewähren.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass die Kläger heute bei Rückkehr nach Tschetschenien erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht werden (Art. 4 Abs. 4 QRL).

Insoweit hat sich die Situation in Tschetschenien sowohl im Vergleich zum Ausreisezeitpunkt der Kläger im Herbst 2000, als auch zum vormaligen Entscheidungszeitpunkt des Senats am 2. Februar 2006 (3 UE 3021/03.A) maßgeblich verändert.

Unter Auswertung dieser Auskünfte zur Sicherheitslage ethnischer Tschetschenen in Tschetschenien kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Sicherheitslage in Tschetschenien zwar nach wie vor besorgniserregend und prekär ist, für Rückkehrer ohne Bezug zu dem Maschadow-Regime bzw. den tschetschenischen Rebellen jedoch gleichwohl stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass sie erneut von Verfolgungsmaßnahmen wie im Herbst 2000 bedroht sein werden (Art. 4 Abs. 4 QRL, § 60 Abs. 1 AufenthG).

Insbesondere kann die flächendeckende Bedrohung der tschetschenischen Zivilbevölkerung in Tschetschenien durch russische Sicherheitskräfte und Militärs und diesen zuzuordnenden Verbänden, wie sie noch im Zeitpunkt der Ausreise der Kläger und auch noch Anfang 2006 zu beklagen war (s.o.), heute so nicht mehr festgestellt werden. Auch nach Auskunft von Memorial haben sich für die Menschen in Tschetschenien bedeutsame Veränderungen ergeben, Entführungen und Morde haben schrittweise abgenommen. Bei den Gefährdungen, denen sich insbesondere Rückkehrer ausgesetzt sehen können, handelt es sich überwiegend um kriminelle Handlungen, wie das Erpressen von Geld (vgl. Memorial, Oktober 2007, Zur Lage der Bewohner Tschetscheniens in der Russischen Föderation, August 2006 - Oktober 2007), die für sich genommen ohne flüchtlingsrelevanten Anknüpfungs- und Bezugspunkt sind, da bereits nicht erkennbar ist, dass sie an bestimmte flüchtlingsbestimmende Merkmale anknüpfen. Auch das offensichtlich marode Rechtsschutzsystem in Tschetschenien, das es betroffenen Personen nahezu unmöglich zu machen scheint, sich effektiv gegen rechtswidrige oder kriminelle Übergriffe auch staatlicher Stellen zur Wehr zu setzen, stellt für sich genommen noch keine im Lichte von § 60 Abs. 1 AufenthG/QRL relevante Verfolgung dar, da es auch insoweit an zielgerichteten flüchtingsrelevanten Zuordnungen fehlt.

Entscheidend ist bei der anzustellenden Gefährdungsprognose im Rahmen der Rückausschlussklausel des Art. 4 Abs. 4 a.E. QRL vielmehr, ob der Rückkehrer zu einer der besonders gefährdeten Personengruppen gehört, wobei hierzu insbesondere Personen zählen, die selbst oder in ihrem familiären Umfeld von Seiten der tschetschenischen Sicherheitskräfte mit ehemaligen oder derzeitigen Mitgliedern der Rebellenorganisation in Zusammenhang gebracht werden. Bestehen hierfür Anhaltspunkte, bleibt es bei dem "ernsthaften Hinweis" des Art. 4 Abs. 4 QRL und der darin enthaltenen Vermutungsregel, da dieser Personenkreis mit verfolgungsrelevanten Maßnahmen, die bis hin zu Folterungen und Verschwindenlassen führen können, bei Rückkehr zu rechnen hat und daher keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen, dass er nicht erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht ist (Art. 4 Abs. 4 QRL). Besteht ein derartiger Zusammenhang jedoch nicht, sprechen stichhaltige Gründe dagegen, dass Rückkehrer verfolgungsrelevanten Maßnahmen ausgesetzt sein werden, insbesondere da sie das Schicksal vieler Rückkehrer teilen und aufgrund des von Memorial zusammengestellten Zahlenmaterials davon auszugehen ist, dass die Fälle illegaler Entführungen, das unaufgeklärte Verschwindenlassen von Personen, die Durchführung von flächendeckenden Säuberungsaktionen verbunden mit asylrelevanten Übergriffen wie Folterungen, illegalen Festsetzungen, Vergewaltigungen etc. merklich zurückgegangen sind. Daher ist auf Grund der tatsächlichen Veränderungen der Sicherheitslage in Tschetschenien davon auszugehen, dass heute stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass ethnische Tschetschenen ohne Bezug zu dem Maschadow-Regime bzw. zu den Rebellen bei Rückkehr in ihre Heimatregion allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit von in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Verfolgungsmaßnahmen erneut bedroht sein werden (Art. 4 Abs. 4 QRL).

Dabei geht der Senat davon aus, dass die Kläger bei Rückkehr in ihr Heimatland von Seiten der tschetschenischen Sicherheitsbehörden nicht in Zusammenhang mit bei den Rebellen tätigen Personen gebracht werden.

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass nach den eingeholten Auskünften junge männliche Rückkehrer einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sind. Die in diesem Zusammenhang im Raum stehenden Gefährdungen insbesondere bei Personenüberprüfungen vor Ort können jedoch nach Auffassung des Senats dadurch minimiert werden, dass die Kläger und hierbei insbesondere die Kläger zu 2. und 3. nur mit gültigen Heimreisepapieren ihres Heimatlandes, die zudem über eine angemessene Geltungsdauer verfügen sollten, um sie in die Lage zu versetzen, sich zunächst mit gültigen Pass(ersatzpapieren) in ihrem Heimatland zu bewegen und dort ihre endgültigen Pässe zu beantragen, zurückgeschickt werden und sie zudem mit Aufenthaltsbescheinigungen, ggfs. in die russische Sprache übersetzt, ausgestattet werden, mit denen sie belegen können, dass sie sich seit dem Jahr 2000 im Ausland, nämlich in Deutschland, aufgehalten haben.

Die noch in der Auskunft an den Hess. VGH geäußerte Annahme insbesondere von Memorial (Memorial an Hess.VGH vom 17.05.2007, Bl. 453 GA), jeder männliche Rückkehrer begebe sich in Lebensgefahr, wird dabei von dem Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen VGH (Urteil vom 31.08.07, a.a.O.) so nicht geteilt. Vielmehr geht der Senat mit dem Gutachter Prof. Dr. Luchterhandt davon aus, dass die Kläger, die als gewöhnliche Tschetschenen auf dem Höhepunkt der "antiterroristischen Operation" (2000) Tschetschenien verlassen haben, um anderswo ungefährdet in Ruhe zu leben, bei ihrer Rückkehr keiner größeren Gefährdung ausgesetzt sein werden als andere Tschetschenen auch (Prof. Dr. Luchterhandt an Hess. VGH vom 08.08.07, Bl. 525, 538, 539 GA).

Auch die im Hinblick auf das Alter der Kläger zu 2. und 3. anstehenden Fragen hinsichtlich einer einsetzenden Wehrpflicht und damit im Zusammenhang stehender "Sonderbehandlungen" tschetschenischer Wehrpflichtiger führen bereits deshalb zu keinem anderen Ergebnis in der Sache, weil nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes in seinem Lagebericht vom 13. Januar 2008 tschetschenische Wehrpflichtige auf Befehl des Verteidigungsministers aus dem Jahr 2005 nicht einberufen werden. Zwar bestand nach Aussage des Auswärtigen Amtes die Absicht, 2007 einen Beschluss zu fassen, der die Einberufungspraxis aus der Region neu regeln wird, dies ist jedoch bis jetzt offensichtlich noch nicht erfolgt.

Sprechen bei Rückkehr der Kläger in ihr Heimatland Tschetschenien stichhaltige Gründe dagegen, dass sie erneut, wie im Herbst 2000, von Verfolgung bedroht sein werden, kommt es auf die Frage, ob sie im Zeitpunkt der Entscheidung in anderen Regionen der Russischen Föderation internen Schutz finden können (Art. 8 QRL), nicht mehr an, auch wenn aufgrund der eingeholten Stellungnahmen überwiegend viel dafür spricht, dass sich insoweit an der Einschätzung des Senats in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2006 - 3 UE 3021/03.A - nichts geändert hat, was entscheidungserheblich jedoch allenfalls für diejenigen Tschetschenen ist, bei denen aufgrund bestehender oder vormals bestehender Beziehungen zu den Rebellen keine stichhaltigen Gründe dagegen sprechen, dass sie erneut von Verfolgung bedroht sein werden.

Den Klägern drohen auch keine sonstigen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, Art. 15 QRL.

Gleiches hat für das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 AufenthG, Art. 15 c) QRL zu gelten. Danach soll von einer Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG). Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, Art. 15 c) QRL). Gefahren nach Satz 1 oder Satz 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

Zwar setzt § 60 Abs. 7 AufenthG die Vorgaben des Art. 15 c) QRL aus mehreren Gründen nicht vollständig und zutreffend um, da er zum einen den Wortlaut des Art. 15 c) QRL durch Weglassen des Tatbestandselements "infolge willkürlicher Gewalt" nicht vollständig wieder gibt und zum anderen die Ausschlussklausel des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auf Grund der Vorgaben der QRL nicht auf Sachverhaltskonstellationen des § 60 Abs. 7 Satz 2/Art. 15 c) QRL AufenthG übertragen werden darf. Gemäß Art. 18 QRL handelt es sich nämlich auch bei der Zuerkennung von subsidiärem Schutz um eine gebundene Entscheidung, die bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 c) QRL weder dem Entscheidungsvorbehalt des § 60 a AufenthG, noch den gesteigerten Anforderungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bei verfassungskonformer Auslegung (sehenden Auges in den sicheren Tod...) unterworfen werden darf.

Selbst unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht den Klägern bei Beachtung der oben genannten Besonderheiten hinsichtlich ihrer Heimreisepapiere weder subsidiärer Schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, noch nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, Art. 15 c), 18 QRL zu, da sich die Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen in letzter Zeit deutlich verbessert haben.

Unter Berücksichtigung dieser Angaben sowie der Tatsache, dass die Mutter der Klägerin zu 1. und von Seiten ihres Ehemannes noch zwei Brüder und vier Schwestern in Gudermes leben, ist davon auszugehen, dass insbesondere auf Grund der starken sozialen Bindungen in der teijp-Ordnung Tschetscheniens die Kläger dort auch im Familienverband Unterstützung werden finden können und für sie daher von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bei Rückkehr nach Tschetschenien nicht ausgegangen werden kann.

Auf Grund der oben gemachten Ausführungen insbesondere zu den Veränderungen der Sicherheitslage in Tschetschenien haben die Kläger auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten (Art. 15 c) QRL). Gerade in diesem Zusammenhang haben sich die sicherheitsrelevanten Verhältnisse in Tschetschenien spürbar verändert.