OLG Dresden

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Zitieren als:
OLG Dresden, Beschluss vom 03.03.2008 - 3 W 0019/08 - asyl.net: M12989
https://www.asyl.net/rsdb/M12989
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Beschleunigungsgebot, Verhältnismäßigkeit, Haftdauer, Verlängerung, Türkei, Türken, Auslandsvertretung, Passersatzbeschaffung, Bundespolizei, Ausländerbehörde, Beweislast
Normen: AufenthG § 62 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

4. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die Anordnung der weiteren Abschiebungshaft über den 12.11.2007 hinaus nicht beanstandet. Das Amtsgericht hat den Beschleunigungsgrundsatz nicht hinreichend beachtet.

Aus diesem Grunde durfte das Amtsgericht, nachdem es bereits am 12.07.2007 Sicherungshaft für drei Monate angeordnet hatte, nicht die Haft ohne substantielle Begründung um den nach § 62 Abs. 3 S. 1 AufenthG maximal zulässigen Zeitraum verlängern. Die weitere Beteiligte hatte in ihrem Antrag vom 04.10.2007 (GA 33) keine Gründe dafür genannt, warum, obwohl ursprünglich eine Bearbeitungszeit von 1 - 2 Monaten genannt worden sei, jetzt eine Verlängerung um weitere drei Monate benötigt werde. Die Angaben, was noch zu geschehen habe, sind nicht ausreichend, da nicht ersichtlich war, welche Zeiträume hierfür benötigt wurden. Unter diesen Umständen kann lediglich eine Verlängerung um einen weiteren Monat hingenommen werden.

Ob die weitere Beteiligte innerhalb der ersten drei Monate der Haft den Beschleunigungsgrundsatz hinreichend beachtet hat, haben die Vorinstanzen nicht geprüft. In diesem Falle wäre eine Verlängerung der Haft nicht zulässig, da eine Verletzung des Beschleunigungsgebots dazu führt, dass die Anordnung oder Fortsetzung der Haft unzulässig wird, soweit die Behörde die ihr verfassungsrechtlich zur Verfügung gestellte Zeit nicht genutzt hat (OLG München FGPrax 2005, 276). Insoweit wäre bei Anwendung der nachstehend ausgeführten Grundsätze festzustellen gewesen, dass die Nachfrage beim türkischen Generalkonsulat zwei Monate nach der am 02.08.2007 erfolgten Mitteilung der voraussichtlichen Bearbeitungsdauer am 02.10.2007 und zuvor bereits am 06.09.2007 sich im Rahmen des Vertretbaren hielt.

5. Es war darüber hinaus festzustellen, dass der Vollzug der Abschiebehaft nach dem 17.10.2007 rechtswidrig war. Von diesem Zeitpunkt an wurde seitens der weiteren Beteiligten der im Abschiebehaftverfahren geltende Beschleunigungsgrundsatz nicht mehr beachtet.

a) Rechtswidrig war die Inhaftierung des Betroffenen zunächst seit dem Ablauf von zwei Wochen nach der Zusage der Passersatzpapiers am 24.10.2007, also dem 07.11.2007. Die weitere Beteiligte hat nicht nachvollziehbar darstellen können, warum eine Abschiebemöglichkeit erst am 04.12.2007 bestand. Es ist nicht ersichtlich, warum die Bestätigung durch die Bundespolizei derart lange Zeit beanspruchen sollte.

Auch diese ist nach dem Grundgesetz und der europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet, dazu beizutragen, dass Freiheitsentziehungen möglichst kurz gehalten werden. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, warum auch die Ausstellung des Passersatzpapieres, nachdem das Generalkonsulat bereits mitgeteilt hat, dass ein Flug gebucht werden kann, noch einmal so lange dauern sollte.

Verbleibende Unklarheiten haben zu Lasten der weiteren Beteiligten zu gehen (vgl. Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., Rn. 216 zur Beweisvereitelung).

b) Der Haftvollzug war darüber hinaus bereits nach dem 17.10.2007 rechtswidrig. Nachdem der Betroffene innerhalb angemessener Frist beim türkischen Generalkonsulat vorgeführt worden war, waren zu diesem Zeitpunkt zweieinhalb Monate verstrichen, obwohl von türkischer Seite am 02.08.2007 eine Bearbeitungszeit von 1 - 2 Monaten angekündigt worden war. Nur im Hinblick darauf, dass nach den Feststellungen des Landgerichts der weiteren Beteiligten bekannt ist, dass das türkische Generalkonsulat in der Mehrheit der Fälle nicht unaufgefordert mitteilt, dass die Identitätsklärung abgeschlossen ist, muss von der weiteren Beteiligten verlangt werden, dass sie in regelmäßigen Abständen beim Generalkonsulat nachfragt, und zwar im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umso intensiver, je länger die Freiheitsentziehung bereits andauert. Insoweit kann die Pflege des guten Arbeitsverhältnisses zum Generalkonsulat nicht zu Lasten der jeweiligen Betroffenen gehen. Vielmehr ist von der weiteren Beteiligten zu erwarten, dass sie unverzüglich nach Ablauf der vom Generalkonsulat genannten Bearbeitungszeit, jedenfalls aber nach zwei Monaten, beginnt, regelmäßig beim Generalkonsulat nachzufragen, wobei zwischen den einzelnen Nachfragen maximal zwei Wochen liegen sollten. Alles übrige ist vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebots nicht mehr hinnehmbar; die weitere Beteiligte kann sich gegenüber dem Generalkonsulat insoweit auf die Rechtsprechung des Senats berufen.