VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 26.03.2008 - 1 A 400/06 - asyl.net: M13003
https://www.asyl.net/rsdb/M13003
Leitsatz:

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind keine Sozialhilfe i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG; kein Ausweisungsgrund bei Verzicht auf Sozialhilfebezug.

 

Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Lebensunterhalt, Ausweisungsgrund, Sozialhilfebezug, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungsgesetz, Verzicht, Familienangehörige
Normen: AufenthG § 28 Abs. 2; AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 6; SGB XII § 8
Auszüge:

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind keine Sozialhilfe i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG; kein Ausweisungsgrund bei Verzicht auf Sozialhilfebezug.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage hat Erfolg.

Die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis für den Kläger durch den Bescheid der Beklagten vom 06.09.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Bescheid war deshalb aufzuheben.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

Die Beklagte selbst hat in dem Bescheid vom 06.09.2006 festgestellt, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit Ausnahme des Ausweisungsgrundes vorliegen. Sie hat die Niederlassungserlaubnis allein mit der Begründung abgelehnt, dass ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG bestehe. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dies nicht der Fall.

Nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG liegt ein Ausweisungsgrund dann vor, wenn der Ausländer für sich, seine Familienangehörige oder für sonstige Haushaltsangehörige Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Die beiden Kinder haben bis März 2008 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen. Nach der gemeinsamen Erklärung der Parteien in der mündlichen Verhandlung hat die Mutter der beiden Kinder inzwischen auf die Inanspruchnahme auf Sozialhilfeleistungen verzichtet. Dementsprechend ist mit Bescheid vom 19.03.2008 die Zahlung von laufenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eingestellt worden. Damit nimmt kein Familienangehöriger des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung, nämlich der mündlichen Verhandlung, Sozialhilfe in Anspruch. Der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG liegt damit bereits aus diesem Grund nicht vor.

Selbst unter Berücksichtigung der langjährigen Zahlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz an die beiden gemeinsamen Kinder und der Möglichkeit, dass der Verzicht auf die Leistungen jederzeit widerrufen werden kann, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stellen nämlich keine Sozialhilfe im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG dar (so auch Renner, AuslR, 8. Auflage, § 55 AufenthG, Rn. 44; OVG Sachsen, Urteil vom 17.08.2006, 3 BS 130/06, JURIS; andere Auffassung allerdings Hess. VGH, Urteil vom 05.03.2007, 3 UE 2823/06, JURIS). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. In § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG wird ausdrücklich von Sozialhilfe gesprochen. In § 8 SGB XII wird definiert, was die Sozialhilfe umfasst. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind dort nicht genannt. Vielmehr wird in § 23 Abs. 2 SGB XII ausdrücklich klargestellt, dass Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes keine Leistungen der Sozialhilfe erhalten. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Sozialhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zwei unterschiedliche Leistungsarten darstellen. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts in § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG ist für eine weite Auslegung kein Raum. Vielmehr hat der Gesetzgeber hier eine Klarstellung wie in den §§ 27 Abs. 3, 31 Abs. 4 und 35 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG offenbar bewusst nicht vorgenommen.

Im vorliegenden lägen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG darüber hinaus selbst dann nicht vor, wenn die an die gemeinsamen Kinder gezahlten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unter den Begriff der Sozialhilfe zu beziehen wären. Der Ausweisungsgrund setzt nämlich voraus, dass die die Sozialhilfe beziehenden Personen im Haushalt des Ausländers leben (vgl. Renner, AuslR, 8. Auflage, § 55 AufenthG, Rn. 48). Dies ist hier nicht der Fall. Die gemeinsamen Kinder ... und ... des Klägers wohnen bei ihrer Mutter und damit nicht im Haushalt des Klägers. Auch aus diesem Grund scheidet deshalb der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG aus.