SG Hannover

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Zitieren als:
SG Hannover, Beschluss vom 19.03.2008 - S 53 AY 15/08 ER - asyl.net: M13169
https://www.asyl.net/rsdb/M13169
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, 36-Monats-Frist, 48-Monats-Frist, Analogie, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Interessenabwägung
Normen: SGG § 86b Abs. 2; AsylbLG § 2 Abs. 1
Auszüge:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg, da die Antragstellerin den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.

Durch Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Linien ist das Asylbewerberleistungsgesetz geändert worden. Am 28. August 2007 ist unter anderem die Regelung in Kraft getreten, wonach die abgesenkten Leistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes nunmehr nicht wie bisher über einen Zeitraum von 36 Monaten, sondern über einen Zeitraum von 48 Monaten bezogen worden sein müssen, bevor Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes gewährt werden können. Zwar haben verschiedene Sozialgerichte (unter anderem das Sozialgericht Hildesheim, Aachen, Braunschweig und Oldenburg) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass Antragsteller, die bereits die 36-Monats-Frist erfüllt haben und danach höhere Leistungen nach dem SGB XII oder dem SGB II erhalten haben, Anspruch auf die Weitergewährung dieser höheren Leistungen haben, weil die nachträgliche Absenkung der Leistungen für einen Personenkreis, der sich bereits auf die höheren Leistungen eingestellt hat, als verfassungswidrig anzusehen ist. Unter dem Eindruck dieser Entscheidungen hat der niedersächsische Minister für Inneres und Sport unter dem 26. November 2007 zur gesetzlichen Neuregelung Stellung genommen. Er hat darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung der Frist nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz nur der Bezug von Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz zu berücksichtigen ist. Die Einbeziehung von anderen Sozialleistungen sei nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen. Bei der Fristberechnung seien lediglich Zeiten des Bezuges von Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz zu berücksichtigen. Der eindeutige und klare Wortlaut des § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz sei einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift sei nicht vertretbar, da der Wortlaut eindeutig sei und der Gesetzgeber in Kenntnis der divergierenden Rechtsprechung zuletzt durch Gesetz vom 19. August 2007 an den klaren Wortlaut der Vorschrift festgehalten habe. Anders als die zitierten Sozialgerichte hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg und auch das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen entschieden, dass die nachträgliche Absenkung der Leistungen zur Erfüllung der 48-Monats-Frist der gesetzlichen Regelung entspreche und weder eine Auslegung noch eine analoge Anwendung in Betracht käme. Eine Verpflichtung zur Leistungsgewährung nach § 86 b SGG kommt dann in Betracht, wenn der Anspruch glaubhaft gemacht ist. Dies ist dann der Fall; wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Dies ist vorliegend jedoch nicht festzustellen, denn im Hinblick auf die klare gesetzliche Regelung und die unterschiedliche bisher ergangene Rechtsprechung zu der Frage, sind die Aussichten in der Hauptsache zumindest offen, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem zu der Frage obergerichtliche Rechtsprechung ergangen ist. In Fällen, in denen die Aussichten im Hauptsacheverfahren offen sind, kann auch eine Interessenabwägung den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen. Vorliegend fällt jedoch die Interessenabwägung zugunsten des Antragsgegners aus. Eine andere Beurteilung wäre dann denkbar, wenn der Antragsteller keinerlei Leistungen mehr erhalten würde und ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung seinen Lebensunterhalt nicht sicherstellen könnte. Mit den abgesenkten Leistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes ist die Sicherstellung des Lebensunterhaltes, wenn auch in stark eingeschränkter Weise, möglich. Für den Fall, dass in einem Hauptsacheverfahren zugunsten des Antragstellers entschieden wird, erhält dieser die ausstehenden Leistungen durch den Antragsgegner nachgezahlt. Sollte jedoch nach einem stattgebenden Beschluss der Antragsteller in der Hauptsache unterliegen, so wäre eine Rückforderung der gezahlten Leistungen durch den Antragsgegner mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht realisierbar, da die gewährten Leistungen verbraucht wären und Hilfeempfänger wie der Antragsteller, die auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen sind, im Regelfall über finanzielle Rücklagen zur Befriedigung des Rückzahlungsanspruches nicht verfügen.