LG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
LG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 25.04.2008 - 15 T 51/08 - asyl.net: M13193
https://www.asyl.net/rsdb/M13193
Leitsatz:

Der Erlass eines Haftbeschlusses ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene zuvor rechtwidrig – d.h. ohne erforderlichen richterlichen Beschluss – inhaftiert worden ist.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Inhaftierung, Festnahme, Richtervorbehalt, Gefahr im Verzug, Heilung, Haftbefehl
Normen: GG Art. 2 Abs. 2 S. 2; GG Art. 104 Abs. 2; AufenthG § 62 Abs. 4
Auszüge:

Der Erlass eines Haftbeschlusses ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene zuvor rechtwidrig – d.h. ohne erforderlichen richterlichen Beschluss – inhaftiert worden ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen am 27.3.2008 zwecks der Überstellung zum Amtsgericht erfolgte nicht in rechtmäßiger Weise. Die Rechtswidrigkeit der vorübergehenden Freiheitsentziehung führt nach Auffassung der Kammer dazu, dass auch der nachfolgende Haftbeschluss an einem nicht mehr heilbaren Makel leidet.

Die der Haftentlassung nachfolgende Ingewahrsamnahme des Betroffenen erfolgte ohne Rechtsgrundlage und verletzt den Betroffenen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GO i.V.m. Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG.

Zum Zeitpunkt des Aufgreifens des Betroffenen, mit der Absicht ihm dem Amtsgericht vorzuführen, fehlte es an einer hierzu ermächtigenden richterlichen Entscheidung. Zwar war die den Haftbeschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 27.2.2008 aufhebende Entscheidung der Kammer vom 26.3.2008 zu diesem Zeitpunkt nicht wirksam geworden. Denn Entscheidungen des Beschwerdegerichts, gegen die - wie vorliegend - die Möglichkeit der sofortigen weiteren Beschwerde besteht, werden grundsätzlich erst mit ihrer Rechtskraft wirksam (§ 26 Abs. 2 FGG). Jedoch hatte die Haftanordnung mit der Freilassung des Betroffenen am 27.3.2008 ihre Wirksamkeit verloren. Auf deren Grundlage durfte der Betroffene nicht erneut aufgegriffen werden.

Auch die Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AufenthG waren vorliegend nicht gegeben. Es fehlt jedenfalls am Vorliegen von Gefahr im Verzug i.S.v. § 62 Abs. 4 Nr. 2 AufenthG. Es war der Antragstellerin grundsätzlich möglich, rechtzeitig eine richterliche Entscheidung über die Anordnung erneuter Sicherungshaft beizubringen. Wie ausgeführt, war die Haftanordnung vom 27.2.2008 am 27.3.2008 noch wirksam. Die Antragstellerin hätte den Betroffenen aus der Haft heraus dem Amtsgericht vorführen können. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet die Freiheit der Person als ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf (BVerfG InfAuslR 2006, 462). Der Verfassungsrang, der dem Recht auf Freiheit der Person zukommt, gebietet eine restriktive Auslegung der Vorschriften, die eine Freiheitsentziehung gestatten. Wenn nun die Ausländerbehörde selbst ohne Not die Voraussetzungen für das Bestehen des Gefahrenverzugs schafft, ist es ihr nicht gestattet, auf dessen Grundlage eine Freiheitsentziehung gem. § 64 Abs. 4 AufenthG durchzuführen.

Der Makel der fehlerhaften Freiheitsentziehung wirkt auch in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts fort. Erst der zu Unrecht erfolgte Eingriff in das Freiheitsrecht des Betroffenen hat dessen nachfolgende Verhaftung ermöglicht. Ein Aufrechterhalten des Haftbeschlusses würde diese Rechtswidrigkeit perpetuieren. Der Verfassungsrang des beeinträchtigten Freiheitsrechts des Betroffenen gebietet daher die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Wenn schon das Unterlassen einer verfahrensrechtlich gebotenen Anhörung der Haft zur Sicherung der Abschiebung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt (BVerfG Beschl. v. 12.3.2008, 2 BvR 2042/05; OLG Celle InfAuslR 2008, 136), so hat dies erst recht zu gelten, wenn die anfängliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprochen hat.