OLG Brandenburg

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Zitieren als:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.04.2008 - 11 Wx 20/08 - asyl.net: M13194
https://www.asyl.net/rsdb/M13194
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Zurückschiebung, Zurückschiebungshaft, Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit, Bundespolizei, Ausländerbehörde, Aufenthaltsdauer, Grenzgebiet, 30-Kilometer-Zone, Asylantrag, Abschiebung
Normen: AufenthG § 71 Abs. 3; BPolG § 2 Abs. 2 Nr. 3; AufenthG § 57 Abs. 1; AsylVfG § 14 Abs. 3
Auszüge:

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss auf der Grundlage des von der Kammer bislang festgestellten Sachverhaltes keinen Bestand haben kann.

1. Die Annahme des Landgerichts, die Bundespolizei sei für die Beantragung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung sachlich zuständig, beruht auf nicht hinreichend tragfähiger Tatsachengrundlage. Hingegen greifen die von der Betroffenen mit der sofortigen weiteren Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend gemachten rechtlichen Angriffe nicht durch, wie weiter unten noch auszuführen sein wird. Der Senat geht mit der Kammer davon aus, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens eine aufenthaltsbeendende Maßnahme der Zurückschiebung ist, nicht aber der Abschiebung.

Die Zuständigkeit der Bundespolizei - die der Beantragung der Sicherungshaft eingeschlossen - besteht nach § 71 Abs. 3 Satz 1 AufenthaltsG für Zurückschiebungen "an der Grenze". Das Grenzgebiet reicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 BundesPolG bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern (vgl. auch Winkelmann, ZAR 9/2007, 268, 271).

Die bislang aktenkundig gewordenen Tatsachen erlauben nicht die mit der notwendigen Sicherheit zu treffende Feststellung, dass der Ort des Aufgreifens noch in den gesetzlich definierten räumlichen Zuständigkeitsbereich der antragstellenden Behörde liegt. Dazu wird insbesondere eine Stellungnahme der Bundespolizei mit ergänzenden Angaben einzuholen sein.

2. Gleiches gilt für die Frage der Zulässigkeit der Zurückschiebung der Betroffenen angesichts ihrer bisherigen Verweildauer auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Die Zurückschiebung ist nur innerhalb einer zeitlichen Grenze zulässig. Bei § 57 Abs. 1 Satz 1 AufenthG handelt es sich zwar dem Wortlaut nach insoweit um eine Sollvorschrift. Es wird allerdings auch die Auffassung vertreten, dass die Zurückschiebung nach Ablauf der sechs Monate nicht mehr zulässig sei (vgl. auch Renner, g. Aufl., S. 509). Sicher aber gilt das nach einer Verweildauer von über einem Jahr.

3. Im Übrigen lässt die angefochtene landgerichtliche Entscheidung keine Rechtsfehler erkennen.

a) Entgegen der Auffassung der Betroffenen ist das Verfahren nicht bereits deshalb auf eine Abschiebung gerichtet und fällt mithin ausschließlich in den sachlichen Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde, weil Vietnam Zielstaat der Maßnahme ist. Als Zielstaat einer Zurückführung kommt vielmehr auf jeden Fall der Heimatstaat eines Ausreisepflichtigen in Betracht, wie die Kammer zutreffend ausführt; daneben jeder Staat, in den er einreisen darf.

b) An der - möglichen - Zuständigkeit der Bundespolizei ändert auch der Umstand nichts, dass die Betroffene während der Haft (am 29.11.2007) einen Asylantrag gestellt hat. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat ihn bereits am 13.12.2007, somit innerhalb der Frist von 28 Tagen, als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Während der gesamten Zeit befand sich die Betroffene in Haft.

Was Regelungsgehalt und Tragweite der Vorschrift des § 14 Abs. 3 AsylVerfG angeht, sieht der Senat keinen Anlass, seine von der Betroffenen mit der sofortigen weiteren Beschwerde erneut bekämpfte Rechtsauffassung zu ändern.