OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 02.06.2008 - 22 W 23/08 - asyl.net: M13379
https://www.asyl.net/rsdb/M13379
Leitsatz:

Der Ausländerbehörde ist es nach § 62 Abs. 4 AufenthG nicht gestattet, einen Ausländer zur Fahndung auszuschreiben und vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, sondern sie muss zeitgleich mit der Fahndungsausschreibung einen Haftantrag beim Amtsgericht stellen.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Ausländerbehörde, Festnahme, Haftbefehl, einstweilige Anordnung, Richtervorbehalt
Normen: AufenthG § 62 Abs. 4; FreihEntzG § 11 Abs. 1; GG Art. 104 Abs. 2
Auszüge:

Der Ausländerbehörde ist es nach § 62 Abs. 4 AufenthG nicht gestattet, einen Ausländer zur Fahndung auszuschreiben und vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, sondern sie muss zeitgleich mit der Fahndungsausschreibung einen Haftantrag beim Amtsgericht stellen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Vor der Einführung des § 62 Abs. 4 AufenthG durch Gesetz vom 19. August 2007 war es der Ausländerbehörde nicht erlaubt, einen Ausländer zur vorläufigen Sicherung der Abschiebung selbst in Gewahrsam zu nehmen oder dem Abschiebungshaftrichter vorzuführen. Vielmehr bedurfte es stets der vorherigen richterlichen Entscheidung (vgl. BVerwG NJW 1982, 536; BGH NJW 1993, 3069). Mit dem neu geschaffenen § 62 Abs. 4 AufenthG sollte eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die vorläufige Festnahme von Ausländern in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen werden, um die richterliche Vorführung zur Anordnung der Sicherungshaft sicherzustellen. Die dabei abschließend aufgezählten Voraussetzungen lagen nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses nicht vor. Denn der Beteiligten war es entgegen § 62 Abs. 4 Nr. 2 AufenthG möglich, bereits vor der Ingewahrsamnahme eine richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft einzuholen. Mit der Ausschreibung des Betroffenen zur Festnahme und Abschiebung durch die Beteiligte hätte diese zeitgleich einen Antrag beim Amtsgericht auf Anordnung der Abschiebungshaft stellen können und müssen. Dass der Betroffene unbekannten Aufenthaltes war, stand einer Haftanordnung nicht entgegen. Zwar wäre eine förmliche Haftanordnung nach § 62 AufenthG schon wegen fehlender Anhörung des Betroffenen (§ 5 Abs. 1 FreihEntzG) nicht in Betracht gekommen. Das Gericht hätte aber gestützt auf § 11 Abs. 1 FreihEntzG eine einstweilige Anordnung treffen können. Die gegenteilige Auffassung, die der beteiligten Ausländerbehörde auch bei zielgerichteter Fahndung zum Zweck anschließender Abschiebung ein Recht zur Ingewahrsamnahme eines Betroffenen mit unbekanntem Aufenthalt zugesteht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24. Oktober 2007, 3 W 211/07 - juris), ist nach Auffassung des Senats mit dem Wortlaut des § 62 Abs. 4 Nr. 2 AufenthG nicht zu vereinbaren und steht zudem im Widerspruch zu Art. 104 Abs. 2 GG (vgl. auch Melchior, Abschiebungshaft, § 62 Abs. 4, (2)).