VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 21.05.2008 - 1 A 390/07 - asyl.net: M13408
https://www.asyl.net/rsdb/M13408
Leitsatz:

Staatsangehörigen des Kosovo ist es zur Zeit nicht möglich, einen Pass zu beschaffen, da es ihnen nicht zuzumuten ist, sich an die serbische Auslandsvertretung zu wenden, und eine kosovarische Auslandsvertretung noch nicht besteht.

 

Schlagwörter: D (A), Kosovo, Kosovaren, Ausweisersatz, Passbeschaffung, Zumutbarkeit, Auslandsvertretung, Mitwirkungspflichten, Verschulden, Ursächlichkeit
Normen: AufenthV § 55 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 48 Abs. 2; AufenthG § 78 Abs. 6
Auszüge:

Staatsangehörigen des Kosovo ist es zur Zeit nicht möglich, einen Pass zu beschaffen, da es ihnen nicht zuzumuten ist, sich an die serbische Auslandsvertretung zu wenden, und eine kosovarische Auslandsvertretung noch nicht besteht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist erfolgreich.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausstellung eines Ausweisersatzes. Die Ablehnung mit Bescheid vom 19.11.2007 ist deshalb rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweisersatzes nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV liegen vor. Danach wird einem Ausländer, der einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt und nicht in zumutbarer Weise erlangen kann, auf Antrag ein Ausweisersatz (§ 48 Abs. 2, § 78 Abs. 6 AufenthG) ausgestellt, sofern er einen Aufenthaltstitel besitzt oder seine Abschiebung ausgesetzt ist. Der Kläger besitzt zurzeit keinen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz. Er kann ihn derzeit auch nicht in zumutbarer Weise erlangen. Am 20. Februar 2008 hat die Bundesrepublik Deutschland die Republik Kosovo als eigenständigen Staat innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft anerkannt, nachdem das kosovarische Parlament am 17. Februar 2008 die Unabhängigkeit des Kosovo proklamiert hat. Aus diesem Grund können in der Bundesrepublik lebende Kosovaren zum Zwecke der Passbeschaffung künftig nicht mehr an die serbischen Auslandsvertretungen verwiesen werden, weil es sich für sie um die Vertretung eines fremden Staates handelt. Dies gilt unabhängig davon, ob die serbischen Auslandsvertretungen zur Ausstellung entsprechender Pässe bereit sind oder nicht. Dementsprechend hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration in einem Erlass vom 06.03.2008 geregelt, dass geduldete Personen aus dem Kosovo einen Ausweisersatz erhalten. Dies geht aus der Formulierung in dem Erlass "Im Hinblick auf die Erfüllung der Passpflicht gemäß § 3 AufenthG durch Kosovaren bitte ich daher zunächst wie folgt zu verfahren (Hervorhebung durch das Gericht) ..." eindeutig hervor.

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Kläger in der Vergangenheit erst im Jahr 2007 ernsthaft bemüht hat, einen Pass über das Generalkonsulat Serbiens zu erhalten. Zwar liegt gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3 AufenthV i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthV grundsätzlich keine Unzumutbarkeit vor, wenn eine rechtzeitige Verlängerung oder Neuerteilung eines Passes möglich gewesen wäre. Der Kläger hätte, wie die Ausstellung von Pässen an seine Frau und seinen Sohn zeigt, auch rechtzeitig einen neuen Pass beantragen können. Von dieser Regel ist im vorliegenden Fall aber abzuweichen. Denn wegen der noch fehlenden Auslandsvertretung ist es Kosovaren objektiv unmöglich, Pässe ihres Heimatstaates zu bekommen. Die fehlende Mitwirkung des Klägers in der Vergangenheit kann diese objektive Unmöglichkeit nicht beseitigen. Selbst bei einer ausreichenden Mitwirkung könnte der Kläger derzeit keinen Heimatpass erhalten.