VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 12.06.2008 - 3 A 74/07 - asyl.net: M13647
https://www.asyl.net/rsdb/M13647
Leitsatz:

Hält sich ein Ausländer nicht in der zugewiesenen Unterkunft auf und kann deshalb die Abschiebung nicht durchgeführt werden, so können ihm insoweit die Kosten des Abschiebungsversuchs nur auferlegt werden, wenn ihm der Abschiebungstermin angekündigt worden ist.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungskosten, Kosten, Kostenrecht, Verwaltungskosten, Abschiebungsversuch, Stornierungskosten, richtige Sachbehandlung, Veranlassung, Gemeinschaftsunterkunft, Abschiebungstermin, Ankündigung
Normen: AufenthG § 66 Abs. 1; AufenthG § 67 Abs. 1 Nr. 2; VwKostG § 1 Abs. 1; VwKostG § 14 Abs. 2
Auszüge:

Hält sich ein Ausländer nicht in der zugewiesenen Unterkunft auf und kann deshalb die Abschiebung nicht durchgeführt werden, so können ihm insoweit die Kosten des Abschiebungsversuchs nur auferlegt werden, wenn ihm der Abschiebungstermin angekündigt worden ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach den §§ 66 Abs. 1 AufenthG i.V.m. 67 AufenthG hat der Ausländer die Kosten, die durch die Abschiebung entstehen, zu tragen. Der Umfang der Kostentragungspflicht ergibt sich dabei aus § 67 AufenthG. Nach § 67 Abs. 1 Ziff. 2 AufenthG umfassen die Kosten der Abschiebung auch die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft und der Übersetzungs- und Dolmetscherkosten und die Ausgaben für die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung des Ausländers sowie sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten. Danach ist der Ausländer grundsätzlich auch zu der Erstattung der vor der erfolgreichen Abschiebung entstandenen Kosten im Hinblick auf gescheiterte Abschiebungsversuche verpflichtet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 27.07.2006 - 7 A 11671/05 - juris; VG Halle, Urt. v. 28.06.2007 - 1 A 176/05 H - juris). Damit können grundsätzlich die Stornierungskosten für die für die Abschiebung vorgesehenen Flüge verlangt werden, wenn der Kläger diese zu vertreten hat, da auch solche Kosten von dem Kostenerstattungsanspruch nach dem Aufenthaltsgesetz mit umfasst werden (vgl. VG Halle, a.a.O.). Bei der Bestimmung des § 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG handelt es sich nämlich nicht um eine die zuvor gültige Bestimmung des Verwaltungskostengesetzes verdrängende Sondervorschrift. Die Stornierungskosten gehören zu den zu erstattenden Auslagen im Sinne des § 1 Abs. 1 VwKostG, wenn sie im Zusammenhang mit einer Amtshandlung entstehen und es sich dabei um Beträge handelt, die auch anderen in- und ausländischen Behörden, öffentlichen Einrichtungen oder Beamten zustehen. Dies ist bei derartigen Stornierungskosten grundsätzlich der Fall. Die Regelung des § 67 AufenthG - wie zuvor die Regelung in den §§ 82, 83 AuslG - dient nämlich der Präzisierung und Erweiterung der fortbestehenden Veranlasserhaftung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG, nicht hingegen ihrer Begrenzung (vgl. BVerwG, Urt. vom 14.06.2005 - 1 C 15/04 - in BVerwGE 124, 1; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Deswegen ändert die Tatsache, dass ein Abschiebungsversuch fehlschlägt, nichts daran, dass der Ausländer die zur Vorbereitung des Abschiebungsversuchs entstandenen Kosten veranlasst und daher auch zu tragen hat. Aus dem Veranlasserprinzip folgt aber umgekehrt, dass der Ausländer nicht zu solchen Kosten für Stornierungen von Abschiebungsflügen herangezogen werden kann, die er nicht veranlasst hat und die deswegen bei richtiger Sachbehandlung nicht entstanden wären (§ 14 Abs. 2 VwKostG). Dies gilt im vorliegenden Fall für die beiden Abschiebungsversuche vom 01.09. und 27.10.2005, Zwar trifft es zu, dass der Kläger aufenthaltsrechtlich verpflichtet war, seinen Wohnsitz in Sehnde in der dortigen Unterkunft zu nehmen und nicht berechtigt war, sich bei seiner jetzigen Ehefrau in Hildesheim dauerhaft aufzuhalten. Er war aber nicht verpflichtet, sich rund um die Uhr oder jedenfalls immer zur Nachtzeit in der Unterkunft aufzuhalten. Ihm war sogar zunächst mit den Duldungen der Hinweis erteilt worden, dass ihm ein genauer Abschiebungstermin gesondert mitgeteilt werde. Dies ist ausweislich der Verwaltungsvorgänge erst vor dem Abschiebungsversuch vom 19.01.2006 geschehen. Angesichts der Ankündigung in den Duldungen, der Termin werde mitgeteilt, kann darum aus dem Umstand, dass der Kläger am 01.09.2005 nicht in der zugewiesenen Unterkunft angetroffen wurde, nicht gefolgert werden, er habe die Kosten für den dann stornierten Flug veranlasst. Gleiches gilt für die Kosten des Abschiebungsversuches vom 27.10.2005. Seine Klage ist deswegen insoweit erfolgreich. Anders verhält es sich allerdings bezüglich der Kosten des Abschiebungsversuchs vom 19.01.2006. Hier war dem Kläger der 19.01.2006 konkret als Termin der Abschiebung angekündigt worden. Angesichts dessen war es nicht ausreichend, dass er sich, wie er behauptet, mit seiner jetzigen Ehefrau von 7:00 Uhr bis 8:00 Uhr in dem Wohnheim aufgehalten hat.