VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2008 - 6 K 1839/06.A - asyl.net: M13651
https://www.asyl.net/rsdb/M13651
Leitsatz:

Die Rücknahme einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung wegen unrichtiger Angaben kann nicht auf Beweismittel vom "Hörensagen" gestützt werden (hier: Einsichtnahme eines nicht benannten Mitarbeiters der deutschen Botschaft in Polizeiakten).

 

Schlagwörter: Rücknahme, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Falschangaben, Beweislast, Beweiswürdigung, Hörensagen, Auswärtiges Amt, Auslandsvertretung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 2
Auszüge:

Die Rücknahme einer Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung wegen unrichtiger Angaben kann nicht auf Beweismittel vom "Hörensagen" gestützt werden (hier: Einsichtnahme eines nicht benannten Mitarbeiters der deutschen Botschaft in Polizeiakten).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Klägerin seinen Rechten.

Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder in Folge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte.

Entgegen der im angefochtenen Bescheid der Beklagten vertretenen Auffassung hat der Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht auf Grund unrichtiger Angaben zuerkannt erhalten. Dabei trägt die Beklagte die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme der Asylanerkennung vorliegen (so auch Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Oktober 2007 - A 11 K 300/07 -, juris und VG Münster, Urteil vom 9. März 2007 - 1 K 112/06.A).

Hier hat die Beklagte sich darauf berufen, dass anlässlich eines Visumsantrags der Ehefrau des Klägers und eine Einsichtnahme eines Mitarbeiters der Deutschen Botschaft von Addis Abeba in die Polizeiakten des Ausländers ergeben habe, dass der Kläger ausschließlich wegen wirtschaftlicher Delikte inhaftiert sei. Die Akteneinsicht in die äthiopischen Polizeiakten hätten keine Hinweise erbracht, dass ein Wirtschaftsdelikt aus politischem Hintergrund vorgeschoben worden sei. Die Angaben des Klägers, aus politischen Gründen in Haft gewesen zu sein, seien daher unrichtig.

Diese Begründung trägt die angefochtene Entscheidung jedoch nicht.

Neue Unterlagen oder neue Umstände sind nicht bewertet worden. Der Kläger hat bereits bei seiner Asylantragstellung Angaben über seine Inhaftierung gemacht und Unterlagen dazu vorgelegt. Die Umstände seiner Einreise mit Visum waren der Beklagten bei der Entscheidung über den Asylantrag ebenfalls bekannt.

Die nunmehr vertretene Auffassung der Beklagten, dass der Kläger ausschließlich wegen wirtschaftlicher Delikte inhaftiert worden sei, stellt hier lediglich eine andere Bewertung des gleichen Sachverhaltes dar. Auch wenn Zweifel daran bestehen mögen, ob der Kläger aus politischen Gründen inhaftiert worden ist oder nicht und ob die Asylanerkennung zu Recht erfolgt ist, steht nicht fest, dass der Kläger unrichtige Angaben gemacht hat. Dies ist nur eine Vermutung, die durch neue Beweismittel nicht belegt ist.

Es kann auch nicht aufgrund des von der deutschen Botschaft in Addis Abeba gefertigten handschriftlichen Gesprächsvermerks über die Angaben der Ehefrau im Interview in der Botschaft festgestellt werden, dass der Kläger unrichtige Angaben in seinem Asylverfahren gemacht hat. Es handelt sich dabei um einen von der Ehefrau des Klägers nicht autorisierten Gesprächsvermerk. Missverständnisse können deshalb nicht ausgeschlossen werden. Abgesehen davon geht daraus auch nicht hervor, dass sie angegeben haben soll, dass ihr Ehemann als Auftragsvermittler im Baugewerbe viel Geld im Voraus erhalten habe, die Aufträge jedoch nie ausgeführt habe und die Gläubiger jetzt das Geld zurückforderten. Vielmehr lässt sich dem Vermerk entnehmen, dass sie angab, der Ehemann "sei aus politischen Gründen weg".

Letztlich mögen zwar durch die Angaben der Ehefrau Zweifel an dem Asylvorbringen des Klägers aufgekommen sein, die die Beklagte veranlasst haben, den gleichen Sachverhalt anders zu bewerten. Die andere Würdigung des gleichen Sachverhaltes reicht jedoch für eine Rücknahme der Asylanerkennung nicht aus.

Dabei kann eine Rücknahme grundsätzlich nicht - wie hier - auf Bekundungen Dritter gestützt werden, die Einsicht in Polizeiakten des Klägers genommen haben wollen. Es ist schon nicht konkret vorgetragen und belegt, in welche Polizeiakten durch wen, zu welchem Zeitpunkt Einsicht genommen worden ist. Es mag sein, dass in Polizeiakten Einsicht genommen worden ist, aber es ist nicht nachvollziehbar, ob sie das gegen den Kläger gerichtete Verfahren betrafen, auf das er sich in seinem Asylverfahren berufen hat oder vielleicht auf ein anderes Ermittlungsverfahren. Auf Bekundungen vom "Hörensagen" kann die Rücknahme jedenfalls nicht gestützt werden.