Lebt ein ausländischer Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Kind, haben beide einen Anspruch auf Zustimmung zur Anmietung einer angemessenen Privatwohnung und können nicht auf eine Gemeinschaftsunterkunft verwiesen werden.
Lebt ein ausländischer Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Kind, haben beide einen Anspruch auf Zustimmung zur Anmietung einer angemessenen Privatwohnung und können nicht auf eine Gemeinschaftsunterkunft verwiesen werden.
(Leitsatz der Redaktion)
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller vom 09.04.2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 14.03,2008 ist in dem erkannten Umfange begründet.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2. S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor.
Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Zustimmung zur Anmietung der Wohnung ... in Aachen glaubhaft gemacht.
Für die Anmietung einer Wohnung benötigt ein Leistungsberechtigter zwar grundsätzlich keine Genehmigung oder Zustimmung des Trägers der Sozialhilfe (ganz h.M., vgl. etwa Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 29 Rdnr. 42), zur Anmietung einer neuen Unterkunft soll der Träger der Sozialhilfe nach § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII jedoch seine Zustimmung erteilen, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Nach § 10 Abs. 1 SGB XII werden Leistungen der Sozialhilfe als Dienstleistung, Geldleistung oder Sachleistung erbracht. Gemäß § 9 Abs. 2 SGB XII soll Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.
Nach der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (BVerwG 5. Senat Urteil vom 19.05.1994 - 5 C 33/91 m.w.N.) kann ein Hilfesuchender, der zur Deckung seines notwendigen Unterkunftsbedarfs eine Wohnung anmieten möchte, grundsätzlich eine sogenannte Mietübernahmeerklärung des Trägers der Sozialhilfe als persönliche Hilfe im Sinne des § 10 Abs. 1 SGB XII beanspruchen.
Bei der Wohnung ... handelt es sich um eine angemessene Wohnung.
Der Anspruch des Antragstellers zu 1) auf Leistungen kann nicht durch die Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit in einem Übergangswohnheim für Asylbewerber erfüllt werden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist ihr kein Ermessen hinsichtlich der an den Antragsteller zu 1) konkret zu erbringenden Leistungen für die Unterkunft eingeräumt. Der Leistungsanspruch nach § 29 SGB XII ist auf eine Geldleistung gerichtet (Berlit, a.a.O. § 29 Rn. 7). Dies anerkennt die in der Menschenwürde gründende Handlungsautonomie. Die Leistungsberechtigten sollen durch Bereitstellung hinreichender finanzieller Mittel in die Lage versetzt werden, auf dem Wohnungsmarkt selbst ihren Unterkunftsbedarf zu decken (Berlit, a.a.O.). Auch in § 10 Abs. 3 SGB XII ist die Frage des Verhältnisses von Geld- und Sachleistungen zugunsten des prinzipiellen Vorranges der Geldleistung gelöst worden. Der Gesetzgeber folgt hier der Auffassung, dass zum normalen Leben in unserer Gesellschaft, an dem teilzunehmen den Leistungsberechtigten durch die Hilfe ermöglicht werden soll, die Bedürfnisbefriedigung über den Markt und mit dem Tauschmittel Geld gehört (Rascher in LPK SGB XII, § 10 Rn. 22). Aus dem Würdeprinzip des § 1 SGB XII folgt, dass dem Hilfeempfänger die Möglichkeit gelassen wird, im Rahmen der ihm nach dem Gesetz zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten. Deshalb hat er grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihm die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Geld gewährt wird (so auch schon Bundesverwaltungsgericht - info also 1986, S. 84 - zu § 1 Abs. 2 S. 2 BSHG). Der Umstand, dass der Antragsteller zu 1) noch im Kleinkindalter ist und seine Mutter lediglich leistungsberechtigt nach § 3 AsylbLG ist, rechtfertigt nicht, von diesem Grundsatz abzuweichen. Die Antragsgegnerin setzt sich auch ohne nachvollziehbare Gründe in Widerspruch zu ihrer Entscheidung, den Antragstellern Leistungen für eine private Wohnung zu gewähren, solange sie noch mit dem Kindesvater zusammen wohnten. Eine derartige Differenzierung, erst ab einer bestimmten Anzahl oder einem bestimmten Alter von nach dem SGB XII leistungsberechtigten Personen einen entsprechenden Unterkunftsbedarf anzuerkennen, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage. Vielmehr ist es gerechtfertigt, zum Schutz der bei jedem Hilfeempfänger zu beachtenden sozialen Würde (§ 1 SGB XII; Art. 1 Abs. 1 GG) die von der Antragsgegnerin beschriebene "Gemengelage" im Sinne einer möglichst umfassenden Gewährleistung sozialer Rechte (§ 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch <SGB I>) sicherzustellen. Es würde auch der grundgesetzlich gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) konterkarieren, wenn aus der Notwendigkeit der elterlichen Fürsorge für den Antragsteller zu 1) eine Einschränkung seiner sozialen Rechte folgen würde. Die beschriebene "Gemengelage" ist vielmehr derart aufzulösen, dass auch der Antragstellerin zu 2) ausnahmsweise ein Anspruch auf Gewährung von Geldleistungen für die Unterkunft zu gewähren ist.
Der Anspruch der Antragstellerin zu 2) auf Zustimmung zur Anmietung der Wohnung ... folgt insofern aus § 3 Abs. 2 AsylbLG. Dabei bedarf die Antragstellerin zu 2) aus denselben o.g. Gründen, aus denen der Antragsteller zu. 1) der Erteilung einer Zustimmung bedarf, ihrerseits einer Zustimmung der Antragsgegnerin. Diese ist zu erteilen, weil die Antragstellerin zu 2) gemäß § 3 Abs. 2 AsylbLG einen Anspruch auf zumindest anteilige Übernahme der zukünftig anfallenden Unterkunftskosten für die Wohnung ... hat. Gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 AsylbLG können bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Asylverfahrensgesetz anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 AsylbLG Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt werden, soweit es nach den Umständen erforderlich ist. Hiernach stehen Sachleistungen im Verhältnis zu Geldleistungen zwar in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis, was bedeutet, dass die Gewährung von Geldleistungen, wozu auch die Zahlung von Miete an einen privaten Vermieter zur Deckung des notwendigen Bedarfs an Unterkunft zählt (§ 3 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz AsylbLG), nur zulässig ist, wenn besondere Gründe hierfür vorliegen. Die Antragsgegnerin hat die Entscheidung, ob ausnahmsweise Geldleistungen anstelle von Sachleistungen zu gewähren sind, nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Grundsätzen des SGB XII und des AsylbLG zu treffen (LSG NRW, Beschluss vom 07.11.2006 - L 20 B 51/06 AY ER). Vorliegend ist das Ermessen der Antragsgegnerin dahingehend reduziert, dass nur eine Entscheidung, die beiden Antragstellern die Anmietung der Wohnung ... ermöglicht, ermessensfehlerfrei ist. Zur Verwirklichung der dem Antragsteller zu 1) zustehenden sozialen Rechte (Art. 1 Abs.1 GG; § 1 SGB XII) und unter Beachtung des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) ist die Gewährung von Geldleistungen an die Antragstellerin zu 2) in einer Höhe bis zu höchstens 1/2 der Kosten der Unterkunft ... gerechtfertigt. Art. 6 Abs. 1 GG lautet: "Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung". In Art. 6 Abs. 2 GG heißt es: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht". Um die Beeinträchtigung der beiden Antragstellern zustehenden Grundrechte zu vermeiden, ist das Ermessen der Antragsgegnerin dahingehend reduziert, dass nur eine Entscheidung, die beiden Antragstellern die Anmietung der Wohnung ... ermöglicht, ermessensfehlerfrei ist.
Dabei ist es der Antragsgegnerin freigestellt, ob sie die Unterkunftskosten nach Kopfteilen zu gleichen Anteilen zwischen den Antragstellern aufteilt oder im Hinblick darauf, dass nur der Antragsteller zu 1) einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII hat, für diesen einen höheren Bedarfsanteil an den Unterkunftskosten berücksichtigt. Dafür, dass Letzteres möglich ist, spricht u.a. die bisher nur als Pressemitteilung vorliegende Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.06.2008 - B 14/11 b AS 61/06 R.
Zudem hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 07.11.2006 - L 20 B 51/06 AY ER ausgeführt, dass ein Anspruch auf Bewilligung von Mietkosten für eine privat angemietete Wohnung unter Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles, die im Rahmen der Ermessensausübung Beachtung finden müssen, in Betracht komme (vgl. auch den Beschluss vom 11.04.2008 - L 20 B 1/08 AY).
Entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts ist vorliegend auch ein Anordnungsgrund gegeben, der den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigt.
Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht vorliegend das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung nicht entgegen. Dieses Verbot endet dann, wenn dem Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache wegen der damit verbundenen Nachteile nicht zugemutet werden kann und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht. Da vorliegend ein Obsiegen der Antragsteller in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist, ist es gerechtfertigt, die Hauptsache in dem erfolgten Umfang vorweg zu nehmen. Außerdem besteht die Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers zu 1) bereits seit rund einem halben Jahr und wird bei unveränderter Sachlage womöglich noch bis Dezember 2010 andauern, da die Antragstellerin zu 2) erst dann die Anspruchsvoraussetzungen des 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen wird. Der Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses eines späteren Hauptsacheverfahrens ist völlig ungewiss, zumal nach der gegenwärtigen Sicht der Dinge wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) auch ein Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht nicht auszuschließen ist. Im Hinblick darauf, dass das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass innerhalb des voraussichtlich bis Dezember 2010 andauernden Leistungsbezugs der Antragstellerin zu 2) nach § 3 AsylbLG eine rechtskräftige Hauptsacheentscheidung ergehen wird.
Auch unter Berücksichtigung des beeinträchtigten Gesundheitszustandes des Antragstellers zu 1), der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit u.a. auf die Wohnverhältnisse in dem bis jetzt bewohnten Übergangswohnheim zurückzuführen ist, kann ihre das Abwarten eines Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden. Vor dem Hintergrund, dass die Vermieterin bereits am 30.05.2008 bestätigt hat, sie werde die Wohnung anderweitig vermieten, sollte die Übernahme nicht zum 01.07.2008 geklärt sein, war der mit Schriftsatz vom 24.06.2008 erfolgte Vortrag der Antragsteller, die Wohnung stehe nur noch bis zum 04.07.2008 zur Verfügung, glaubhaft.