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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 - asyl.net: M1366
https://www.asyl.net/rsdb/M1366
Leitsatz:

1. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils nach § 121 VwGO endet, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den damals gegebenen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eine erneute Sachentscheidung gerechtfertigt ist.

2. Der Zeitablauf allein stellt keine wesentliche Änderung der Sachlage dar. Mit zunehmender Dauer der seit dem rechtskräftigen Urteil verstrichenen Zeit besteht jedenfalls in asylrechtlichen Streitigkeiten Grund für die Annahme, dass sich die entscheidungserhebliche Sachlage geändert haben könnte.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Abschiebungshindernis, Widerruf, Verpflichtungsurteil, Rechtskraftwirkung, Bindungswirkung, Änderung der Sachlage, Togo, Politische Entwicklung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 3; AuslG § 53 Abs. 4; VwGO § 121
Auszüge:

Eine entscheidungserhebliche Änderung der für die Gefahrenprognose wesentlichen Merkmale verneint das Berufungsgericht. Es stellt fest, dass die Erkenntnismittel, auf die sich die richterliche Gefahrenprognose stützt, im November 1995 ebenso uneinheitliche Aussagen enthielten wie im Februar 2001 zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Urteils. Auch die zwischenzeitliche politische Entwicklung in Togo, wie etwa die "zu Gunsten Eyadèma s manipulierten Präsidentschaftswahlen vom Juni 1998", führen nach Auffassung des Berufungsgerichts zu keiner veränderten Beurteilung der entscheidenen Frage, ob nach Togo zurückkehrende Asylbewerber allein wegen des Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine gegen Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung durch das Regime zu befürchten haben.

Dies ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden. An die der Gefahrenprognose zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht mangels hiergegen vorgebrachter Revisionsgründe gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Auch soweit die Gefahrenprognose auf der tatrichterlichen Würdigung dieser Feststellungen beruht, ist sie der revisionsrichterlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen (Urteil vom 19. September 2000, a.a.O., <UA S. 11 f.> - BVerwGE 112, 80).

Verletzungen revisiblen Rechts bei der Anwendung des rechtlichen Maßstabs für die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft lässt das Urteil auch im Übrigen nicht erkennen. Insbesondere hat das Berufungsgericht bei seiner Gefahrenprognose nicht die besondere Bedeutung der Zahl zurückgeführter erfolgloser Asylbewerber auf der einen und belegter erheblicher Übergriffe gegen diese auf der anderen Seite verkannt. Es hat jedoch, anders als die Revision, auch insofern keine wesentliche Änderung der Verhältnisse seit November 1995 feststellen können. Auch dies ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.