VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Urteil vom 15.04.2008 - 8 K 3560/06.A - asyl.net: M13678
https://www.asyl.net/rsdb/M13678
Leitsatz:
Schlagwörter: Äthiopien, OLF, Mitglieder, Oppositionelle, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Glaubwürdigkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Dem Kläger steht allerdings ein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu.

Nach dem Ergebnis seiner Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien wegen seiner politischen Tätigkeit als Mitglied der Oppositionspartei OLF von den äthiopischen Sicherheitskräften gesucht worden ist. Deshalb kann nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden (herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab), dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien - erneut - eine politische Verfolgung drohen würde.

Die Überzeugung des Gerichts von der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags beruht zunächst auf den im Kern widerspruchsfreien, ausführlichen sowie lebensnahen Schilderungen des Klägers zu seinen politischen Aktivitäten und den Hintergründen für sein politisches Engagement. So ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung zunächst in schlüssiger Form darauf eingegangen, wann und weshalb er dazu gekommen ist, sich durch die Unterstützung und später durch die Mitgliedschaft in der OLF für die Rechte des Volkes der Oromo einzusetzen. In diesem Zusammenhang hat er rückblickend die Situation des Oromo-Volkes in Äthiopien geschildert und durch diesen lebhaften und lebensnahen Vortrag in überzeugender Weise sein Interesse an der Unterstützung der OLF dargelegt. Sodann hat der Kläger seine Rolle innerhalb der OLF dargestellt, indem er angegeben hat, eine gewisse Zeit lang als Kassierer auf Bezirksebene tätig gewesen zu sein. Dies erscheint insbesondere angesichts seiner früheren beruflichen Tätigkeit als Buchhalter auch glaubhaft. Er hat seine Aktivitäten für die OLF nicht übersteigert geschildert, sondern eingeräumt, lediglich an der Basis aktiv gewesen zu sein.

Dem Kläger wird sein Vortrag des weiteren mit Blick darauf geglaubt, dass er seine am 12. Juni 2005 erfolgte Flucht aus dem Haus seiner Mutter lebensnah und im Wesentlichen widerspruchsfrei beschrieben hat.

Der Vortrag des Klägers wird auch bestätigt durch die vorliegenden aktuellen Erkenntnisse. Danach werden politische Gruppierungen und Organisationen, die den bewaffneten Kampf oder Terrorismus als Mittel gewählt haben, von der staatlichen Verwaltung und den Sicherheitsbehörden offen bekämpft. Dazu gehört die OLF, die vom äthiopischen Staat als "terroristische Organisation" eingestuft wird. Wer in führender oder verantwortlicher Stellung in einer solchen Oppositionsorganisation tätig war oder ist oder dessen verdächtigt wird, muss mit Strafverfolgung wegen terroristischer Aktivitäten rechnen. Aber auch schon bei einer vermuteten Nähe zur bewaffneten Opposition greifen die äthiopischen Sicherheitskräfte hart durch. Der Verdacht der Mitgliedschaft oder der Unterstützung der OLF kann bereits zu strafrechtlicher Verfolgung führen (vgl. Lagebericht Äthiopien des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2007).