! Aufgehoben durch Urteil des BVerwG vom 8.12.2009 - 1 C 14.08 -, M16876.
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Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis für einen tunesischen Arbeitnehmer aus dem Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien.
Die Klage ist auch begründet. Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 2. Mai 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO. Dem Kläger steht bezogen auf den für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2004 – 1 C 20.03 –, a.a.O.) ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab dem 25. März 2005 zu.
Dieser Anspruch ergibt sich allerdings nicht aus dem nationalem Aufenthaltsrecht.
Der Kläger kann jedoch aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits vom 17. Juli 1995 (BGBl. 1997 II S. 343 – Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien –) einen assoziationsrechtlichen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis herleiten.
Mit Blick darauf, dass dem Kläger eine unbefristete Arbeitsgenehmigung erteilt worden ist, die ihm gestattete, eine unselbständigen Erwerbstätigkeit für eine die Dauer seiner Aufenthaltserlaubnis übersteigende Zeit auszuüben, entfaltet das Diskriminierungsverbot des Art. 64 Abs. 1 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien vorliegend ausnahmsweise aufenthaltsrechtliche Wirkungen dahingehend, dass der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur weiteren Ausübung seiner nicht selbständigen Beschäftigung beanspruchen kann.
Soweit in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung der deutschen Gerichtsbarkeit den in den Europa-Mittelmeer-Abkommen enthaltenen Diskriminierungsverboten aufenthaltsrechtliche Wirkungen bisher unter Hinweis darauf abgesprochen worden sind, dass nach deutschem Recht auch eine unbefristet erteilte Arbeitsberechtigung wegen des im Arbeitsgenehmigungsrecht angelegten Vorrangs des Aufenthaltsrechts (vgl. § 284 Abs. 5 SGB III, § 8 i.V.m. § 5 ArGV) keine weitergehenden, von der Aufenthaltsgenehmigung unabhängigen, gleichsam "überschießenden" Rechte auf Fortsetzung einer nicht selbständigen Erwerbstätigkeit und auf weiteren Aufenthalt vermittle (vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 1. Juli 2003 – 1 C 18/02 –, NVwZ 2004, 241; im Anschluss daran: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 25. Juli 2005 – 18 B 983/05 –, juris, vom 5. Februar 2004 – 17 B 893/03 –, juris und vom 25. August 2004 – 19 B 1312/04 –; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 23. März 2006 – 18 B 983/05, juris; VGH Hessen, Beschluss vom 6. April 2004 – 9 TG 864/04 –, NVwZ-RR 2005, 285), kann nach Auffassung der Kammer diese Argumentation nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Dezember 2006 nicht aufrechterhalten werden (vgl. ebenso für das Diskriminierungsverbot des Art. 67 Abs. 1 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Algerien: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Urteil vom 27. September 2007 – 13 S 1059/07 –, InfAuslR 2008, 3; a.A.: OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2007 – 18 B 722/07 –, DVBl. 2007, 983 sowie BayVGH, Beschluss vom 26. Januar 2007 – 24 C 06.3378 –, juris).
Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass, auch wenn Art. 64 Abs. 1 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien nicht der Regelung eines Aufenthaltsrechts dient und einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht untersagt, Maßnahmen in Bezug auf das Aufenthaltsrecht eines tunesischen Staatsangehörigen zu ergreifen, der zunächst die Erlaubnis zum Aufenthalt und zur Aufnahme einer Beschäftigung in diesem Mitgliedstaat erhalten hat, dies nicht bedeutet, dass ein tunesischer Staatsangehöriger sich in keinem Fall auf das Diskriminierungsverbot dieser Bestimmung berufen kann, um eine Maßnahme anzufechten, die ein Mitgliedstaat ergriffen hat, um sein Aufenthaltsrecht zu beschränken. Denn es könne nicht angenommen werden, dass die Mitgliedstaaten über das Diskriminierungsverbot des Art. 64 Abs. 1 Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien verfügen, indem sie dessen praktische Wirksamkeit durch Bestimmungen des nationalen Rechts beschränken. Eine solche Möglichkeit würde zum einen die Bestimmungen eines von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommens beeinträchtigen und zum anderen die einheitliche Anwendung dieses Verbots in Frage stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 – C-97/05 – "H.", a.a.O.).