OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 21.08.2008 - 1 A 229/07 - asyl.net: M13864
https://www.asyl.net/rsdb/M13864
Leitsatz:

Die Unterzeichnung der "Selbsterklärung: Auch ich bin ein PKK'ler" kann eine Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen gem. § 11 StAG angesehen werden, wenn weitere Aktivitäten zugunsten der PKK hinzukommen.

 

Schlagwörter: D (A), Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Unterstützung, exilpolitische Betätigung, PKK, KADEK, KONGRA-GEL, Unterzeichner, Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen, Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel, grundsätzliche Bedeutung
Normen: StAG § 11 S. 1 Nr. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
Auszüge:

Die Unterzeichnung der "Selbsterklärung: Auch ich bin ein PKK'ler" kann eine Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen gem. § 11 StAG angesehen werden, wenn weitere Aktivitäten zugunsten der PKK hinzukommen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, aber nicht begründet.

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Einbürgerung unter Hinweis auf das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG verneint hat.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist als tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG jede Handlung anzusehen, die für die dort genannten Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, d.h. jede Tätigkeit, die sich in irgend einer Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt (vgl. dazu im Einzelnen die Urteile des Senats vom 08.03.2006 - 1 R 1/06 -, AS 33, 126, und vom 11.7.2007 - 1 A 224/07 -, AS 35, 13).

Ausgehend hiervon stellen die von dem Kläger im Rahmen seines Asylverfahrens, das zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 AuslG geführt hat, geschilderten Hilfeleistungen für die PKK-Guerilla in der Türkei ebenso wie die geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten Unterstützungshandlungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG dar. Gleiches gilt hinsichtlich der Teilnahme an den im Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 23.03.2004 (Bl. 62 a und 62 b der Verwaltungsakten) im Einzelnen aufgelisteten Veranstaltungen, die teilweise vom Kurdischen Kulturverein, teilweise von PKK-Nachfolgeorganisationen bzw. ihren Anhängern durchgeführt wurden.

Entgegen der Ansicht des Klägers musste das Verwaltungsgericht eine Unterstützungshandlung nicht im Hinblick auf die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung durch den Kläger verneinen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteile vom 22.02.2007 - 5 C 20.05 -, BVerwGE 128, 140, und - 5 C 21.06 -, Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 4) entschieden, dass allein die Unterzeichnung der "Selbsterklärung: Auch ich bin ein PKK'ler" im Jahr 2001 nicht die Annahme rechtfertigt, der Unterzeichner habe eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG unterstützt. Die bloße Unterschriftsleistung unter diese ihrem Wortlaut nach auf gewaltfreie und legale Zielsetzungen gerichtete Erklärung reicht hierzu nicht aus. Dies gilt jedoch nur, soweit dem Betroffenen außer der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung nichts vorgehalten werden kann. Zur Beantwortung der Frage, ob eine tatbestandsmäßige Unterstützung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG vorliegt, bedarf es einer wertenden Betrachtung im Lichte der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen. Insoweit ist gerade nicht von vornherein auszuschließen, dass die Unterschriftsleistung im Zusammenhang mit den weiteren aktenkundigen Aktivitäten des Klägers den Tatbestand der Unterstützungsleistung erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 21.06 -, Buchholz 130 § 11 StAG N r. 4).

Abgesehen hiervon hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass eine Unterstützung der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen im Falle des Klägers selbst dann vorliegt, wenn man die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung ausklammert.

Auch der Einwand des Klägers, alle Veranstaltungen, an denen nach Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Juli 2001 teilgenommen zu haben ihm zur Last gelegt werde, seien vor dem Hintergrund der PKK-Selbsterklärung zu sehen und könnten deshalb nicht als sicherheitsrelevant eingestuft werden, greift nicht durch. Insoweit hat der Senat vielmehr bereits in seinem Urteil vom 08.03.2006 (a.a.O.) entschieden, dass die PKK zur maßgeblichen Zeit der Identitätskampagne im Sommer 2001 eine Organisation war, die Bestrebungen verfolgt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet waren und durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Auch nach der Verkündung der sogenannten Friedensstrategie veränderte die PKK ihre gewaltorientierte Vorgehensweise nicht wesentlich.

Daneben gefährdete die PKK durch das fortgesetzte Sammeln von Spenden in der Bundesrepublik Deutschland für die in der Türkei verbliebenen Guerillakämpfer, welches als Vorbereitungshandlung für eventuelle Gewalthandlungen in der Türkei anzusehen war, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Urteil des Senats vom 08.03.2006, a.a.O.). An diesen Ausführungen hält der Senat fest.

Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass das Verwaltungsgericht ihm seine im Asylverfahren geschilderten Vorfluchtaktivitäten sowie die zum Zeitpunkt des Asylverfahrens vorhandenen exilpolitischen Aktivitäten zugunsten der PKK zur Last gelegt hat, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in dem erwähnten Urteil vom 22.02.2007 (- 5 C 21106 -, Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 4) ausgeführt, für eine Unterstützungsleistung könnte sprechen, dass der Betreffende nach seinen Angaben im Asylverfahren und im Einbürgerungsverfahren sowohl in der Türkei wie später in Deutschland Aktivitäten der PKK unterstützt hat. Selbst wenn man im Übrigen die im Asylverfahren geltend gemachte Hilfeleistung des Klägers für die PKK in der Türkei außer acht lässt und lediglich auf seine Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland abstellt, ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet waren und darüber hinaus durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichteter Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten.

Der Einwand des Klägers im Zulassungsverfahren, er habe sich von den sicherheitsrelevanten Bestrebungen der PKK zumindest inzwischen abgewandt, rechtfertigt ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang lediglich sein Vorbringen aus der Klageschrift vom 08.03.2006 wiederholt, hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend ausgeführt, dass die Abwendung von sicherheitsrelevanten Bestrebungen mehr erfordert als ein bloßes äußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen. Vielmehr ist die Glaubhaftmachung eines individuellen Lernprozesses erforderlich, der sich auf die inneren Gründe für die Handlungen bezieht und nachvollziehbar werden lässt, dass diese so nachhaltig entfallen sind, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig die Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen - auch in Ansehung der durch die Einbürgerung erworbenen gesicherten Rechtsposition - auszuschließen ist. Der Einbürgerungsbewerber trägt insoweit eine qualifizierte Darlegungs- und die materielle Beweislast. Von Bedeutung für die an die Glaubhaftmachung zu stellenden Anforderungen sind dabei insbesondere Art, Gewicht und Häufigkeit der vorausgegangenen Unterstützungshandlungen (vgl. Urteile des Senats vom 08.03.2006 und vom 11.7.2007, jeweils a.a.O., sowie die Beschlüsse des Senats vom 09.03.2006 - 1 Q 3/06 - und - 1 Q 4/06 -, SKZ 2006, 222 Leitsätze 56, ebenso Berlit in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Oktober 2005, § 11 Rdnrn. 156 ff.).

Der bloße Zeitablauf seit der letzten Unterstützungshandlung des Klägers im Oktober 2002 reicht zur Glaubhaftmachung einer Abwendung nicht aus. Angesichts der zahlreichen früheren Aktivitäten des Klägers sind keine hinreichenden Anhaltspunkte erkennbar, die auf einen nachhaltigen inneren Lernprozess des Klägers schließen lassen.

Das Verwaltungsgericht war auch nicht daran gehindert, den Kläger danach zu fragen, ob er die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen bei unterstellter Rückkehr in die Türkei erneut unterstützen würde. Einen sachlichen Grund für die Unzulässigkeit dieser Frage vermag der Senat nicht zu erkennen.