VG Regensburg

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Zitieren als:
VG Regensburg, Urteil vom 23.07.2008 - RN 9 K 07.1717 - asyl.net: M13879
https://www.asyl.net/rsdb/M13879
Leitsatz:

Beantragt ein Ausländer die Erteilung einer Duldung wegen einer Erkrankung, hat er grundsätzlich die Auslagen für die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens in der durch das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vorgesehenen Höhe zu ersetzen; die Kostenpflicht endet, wenn die Kosten bei richtiger Sachbehandlung der Ausländerbehörde nicht entstanden wären; ist die Rechnung des Gutachters unschlüssig, trifft den Ausländer insoweit keine Kostenpflicht.

 

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Kostenrecht, Kosten, Gutachten, fachärztliche Stellungnahme, Abschiebungshindernis, Krankheit, Auslagen, Amtshandlung, Kostenpflicht, Veranlasser, Antragstellung, Antrag, richtige Sachbehandlung, Verhältnismäßigkeit, Stundensatz, Schreibgebühr, Kopien, Stundung
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; AufenthG § 69 Abs. 1; VwKostG § 10; KG Art. 1 Abs. 1; VwKostG § 14 Abs. 2; JVEG § 8 Abs. 1; JVEG § 12 Abs. 1; JVEG § 7 Abs. 2; KG Art. 27; VwKostG § 1 Abs. 2; VwKostG § 19 S. 2
Auszüge:

Beantragt ein Ausländer die Erteilung einer Duldung wegen einer Erkrankung, hat er grundsätzlich die Auslagen für die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens in der durch das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vorgesehenen Höhe zu ersetzen; die Kostenpflicht endet, wenn die Kosten bei richtiger Sachbehandlung der Ausländerbehörde nicht entstanden wären; ist die Rechnung des Gutachters unschlüssig, trifft den Ausländer insoweit keine Kostenpflicht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist zulässig und zum überwiegenden Teil auch begründet. Die Klägerin ist zwar dem Grunde nach verpflichtet, die dem Beklagten entstandenen Auslagen für die Einholung des Gutachtens vom 24. Februar 2007 zu erstatten. Allerdings ist die Höhe der Auslagen zu beanstanden.

1. Die Klägerin ließ am 2. November 2006 die Aussetzung ihrer Abschiebung beantragen. Das Landratsamt erteilte dann im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Abschiebung der Klägerin wegen Reiseunfähigkeit auszusetzen sei, am 9. November 2006 den Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens. Dies stellte die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung klar.

Die Aussetzung der Abschiebung ist eine Amtshandlung nach dem Aufenthaltsgesetz (vgl. § 60 a Abs. 2 AufenthG).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AufenthG werden für Amtshandlungen nach dem Aufenthaltsgesetz und nach den zur Durchführung des Aufenthaltsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen Gebühren und Auslagen erhoben. Gebühren und Auslagen werden nach der allgemeinen kostenrechtlichen Terminologie unter dem Oberbegriff "Kosten" zusammengefasst (vgl. z.B. § 1 Abs. 1 des Verwaltungskostengesetzes - VwKostG -; Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Kostengesetzes - KG -). Hinsichtlich der Gebühren wurden auf der Grundlage des § 69 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 bis 6 AufenthG in den §§ 44 bis 54 AufenthV spezielle Regelungen geschaffen. Hinsichtlich der Auslagen bestehen allenfalls in den §§ 67, 68 AufenthG Sonderregelungen. Für Auslagen der in diesem Verfahren in Frage stehenden Art ("Gutachterkosten") greift hingegen § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der, soweit das Aufenthaltsgesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, die Anwendung des Verwaltungskostengesetzes vorschreibt (vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand: April 2005, § 69 AufenthG, Rz 5).

Grundlegende Vorschrift für die Erhebung von Auslagen ist somit § 10 VwKostG. Voraussetzung ist jedoch nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AufenthG das Vorliegen einer Amtshandlung. Amtshandlung ist nach allgemeinen kostenrechtlichen Grundsätzen, wie sie z.B. in der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG wiedergegeben wird, jede Tätigkeit, die eine Behörde in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornimmt. Die Tätigkeit der Ausländerbehörde im Rahmen des Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf Aussetzung der Abschiebung fällt somit unter den Begriff der Amtshandlung.

Da sich keine Anhaltspunkte dafür finden, dass in die in den Gebührenvorschriften der Aufenthaltsverordnung geregelten Gebühren die Auslagen bereits einbezogen sind, werden die in § 10 Abs. 1 VwKostG aufgeführten Aufwendungen als Auslagen erhoben, da § 69 Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Erhebung von Auslagen ausdrücklich vorsieht. Voraussetzung ist allerdings das Bestehen einer Kostenpflicht (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: Oktober 2004, § 10 VwKostG, Erl. 1). Nach § 13 Abs. 1 VwKostG ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet,

1. wer die Amtshandlung veranlasst oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen wird,

2. wer die Kosten durch eine vor der zuständigen Behörde abgegebene oder ihr mitgeteilte Erklärung übernommen hat,

3. wer für die Kostenschuld eines anderen kraft Gesetzes haftet.

Im konkreten Fall liegt eine Veranlassung im Sinne der Nr. 1 vor. Veranlasser ist, wer für die Amtshandlung tatsächlich in verantwortlicher Weise ursächlich ist (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: April 2007, Art. 2 KG, Erl. 3). Veranlasser kann insb. derjenige sein, der die Vornahme einer Amtshandlung beantragt. Antrag in diesem Sinn ist jede Handlung, die das Verfahren in Gang setzt, ohne dass ein förmlicher "Antrag" oder gar ein Sachantrag nötig wäre. Ein Antrag ist damit jegliches Vorbringen, das auf das Tätigwerden einer Behörde in Ausübung hoheitlicher Gewalt abzielt und das den Vorbringenden in ein rechtliches Beteiligtenverhältnis setzt. Das Vorbringen muss eindeutig und mit Absicht darauf gerichtet sein, eine Amtshandlung auszulösen (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: April 2007, Art. 2 KG, Erl. 3a). Veranlasser kann aber auch sein, wer durch sein Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) oder durch einen von ihm selbst oder seiner Sache zu vertretenden Zustand die Amtshandlung als Verursacher auslöst. Ursächlich ist ein Verhalten, aus welchem die behördliche Reaktion mit Notwendigkeit folgt oder welches nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass sein Erfolg weggedacht werden muss. Diese Ursächlichkeit muss vom Betroffenen zu vertreten sein (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: April 2007, Art. 2 KG, Erl. 3c). Die Klägerin ließ die Aussetzung der Abschiebung ausdrücklich beantragen und dadurch ein ausländerbehördliches Verfahren in Gang setzen, dessen Beteiligte sie war. Dass die Aussetzung der Abschiebung nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen erfolgen kann, ändert an dieser Veranlassung nichts.

Bei Erledigung etc. der Amtshandlung sind Auslagen in voller Höhe zu erheben, weil sie ja im Zusammenhang mit der Vornahme der Amtshandlung angefallen sind (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: August 2001, Art. 8 KG, Erl. 5). Die Tatsache, dass die Abschiebung der Klägerin letztlich nicht wegen fehlender Reisefähigkeit ausgesetzt wurde, sondern die Aussetzung zunächst zur Erstellung des Gutachtens erfolgte und ihr dann in der Folgezeit eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde und sich die ursprüngliche Amtshandlung dadurch erledigt hat, ändert somit nichts an der Kostenpflicht der Klägerin als kostenrechtliche Veranlasserin.

2. Nicht erhoben werden allerdings Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären (§ 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG). Eine Sachbehandlung ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann richtig, wenn die Sachbehandlung eine angemessene Reaktion auf die kostenrechtliche Veranlassung hin ist. Wird dieses Maß überschritten, so liegt insoweit Kostenfreiheit vor, da den Behörden ein Übermaß an Verwaltungshandeln verboten ist (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand: Juni 1998, Art. 2 KG, Erl. 3g; Stand: Mai 2005, Art. 16 KG, Erl. 5).

a) Hinsichtlich der Kostenerhebung dem Grunde nach ist eine unrichtige Sachbehandlung seitens der Ausländerbehörde nicht feststellbar. Von der Behörde war zu prüfen, ob die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung reisefähig war oder nicht. Die Klägerin legte zwar eine ärztliche Stellungnahme vor. Dieser Stellungnahme vom 30. Oktober 2006 war allerdings allenfalls zu entnehmen, dass die Klägerin krankheitsbedingt behandlungsbedürftig war und Hilfeleistungen nach dem Jugendhilferecht angezeigt gewesen wären. Rückschlüsse auf das Fehlen der Reisefähigkeit ließ diese Stellungnahme hingegen nicht zu. Die Einholung einer weiteren und zielgerichteten ärztlichen Stellungnahme war daher angezeigt. Diese neuerliche ärztliche Stellungnahme war das Gutachten vom 24. Februar 2007.

b) Die Kostenerhebung der Höhe nach ist jedoch in weiten Teilen zu beanstanden. Als Kosten (Auslagen) für die Erstellung von Gutachten sind die in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes zu zahlenden Beträge zu erheben (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 5, Halbsatz 1 VwKostG). Die Behörde darf also beim Veranlasser nur diejenigen Aufwendungen für die Erstellung eines Gutachtens als Auslagen erheben, welche dem Sachverständigen rechtmäßig nach den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes zustehen. Die Rechnung des Sachverständigen darf von der Behörde nur insoweit zur Grundlage ihres Erstattungsverlangens gemacht werden, als diese den Vorgaben des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entspricht (vgl. insoweit als Basis für die Vergütung eines Sachverständigen: § 8 Abs. 1 JVEG). Anerkennt die Behörde Rechnungen eines Sachverständigen, welche mit den Vorgaben des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes nicht in Einklang zu bringen sind, dann verstößt sie gegen gesetzliche Regelungen und behandelt die Sache nicht richtig. Begehrt sie dann die Erstattung dieser unter Verstoß gegen gesetzliche Regelungen gezahlten Aufwendungen, ist insoweit ein Fall des § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG gegeben.

Die Rechnung des Bezirkskrankenhauses vom 13. März 2007 hätte in der bei den Akten befindlichen Form nicht als sachlich richtig festgestellt werden dürfen. Sie enthält Einzelpositionen, welche aus sich heraus nicht nachvollziehbar sind. Hier hätte die Behörde beim Sachverständigen um Klarstellung ersuchen müssen. Bei einer Rechnungsposition wurden zwar die für die Berechnung der Vergütung maßgeblichen Grundlagen mitgeteilt, jedoch ein unzutreffender Gebührensatz verwendet. Hier hätte die Behörde eine entsprechende Kürzung veranlassen oder selbst vornehmen müssen.

3. Die vorgebrachten Einwendungen der Klägerin vermögen nicht, der Klage über den bereits dargelegten Umfang hinaus zum Erfolg zu verhelfen.

Das Kostengesetz als Vorschrift des Landesrechts ist im Bereich der Entstehung und Festsetzung der Kostenschuld im Fall der Klägerin nicht anwendbar. Zwar bestimmt Art. 27 Abs. 1 KG, dass das Kostengesetz auf die Erhebung von Kosten nach anderen Vorschriften entsprechende Anwendung findet, soweit dort nichts Abweichendes bestimmt ist. Allerdings bestehen für den Bereich des Aufenthaltsgesetzes spezialgesetzliche, bundesrechtliche Vorschriften, die insoweit ein in sich geschlossenes System bilden. Eine Lücke, welche über Art. 27 Abs. 1 KG geschlossen werden müsste, ist nicht vorhanden.

Möglich wäre zwar über § 19 Satz 2 VwKostG in Verbindung mit den entsprechenden bayer. Vorschriften evtl. eine Stundung etc.. Darüber ist aber erst in einem weiteren Verfahrenschritt zu entscheiden, denn zunächst einmal - und nur das ist Gegenstand dieses Verfahrens - muss festgestellt sein, in welchem Umfang der Beklagte einen Anspruch gegen die Klägerin hat.

Auch die Tatsache, dass die Ausländerbehörde den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat, vermag der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen, denn der Amtsermittlungsgrundsatz besagt nicht, dass die Behörde den Sachverhalt auch auf ihre Kosten zu ermitteln hat. Dass die Behörde trotz Amtsermittlungspflicht insb. die Erstattung von Auslagen von einem anderen (Kostenschuldner) fordern kann, folgt aus den vorhandenen gesetzlichen Regelungen.