Es ist iranischen Staatsangehörigen nicht zuzumuten, wahrheitswidrig eine sog. Freiwilligkeitserklärung zur Beschaffung von Passpapieren abzugeben.
Es ist iranischen Staatsangehörigen nicht zuzumuten, wahrheitswidrig eine sog. Freiwilligkeitserklärung zur Beschaffung von Passpapieren abzugeben.
(Leitsatz der Redaktion)
Den Angeklagten lag zur Last, sich im Zeitraum vom 28.12.2000 bis 23.8.2005 entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit 48 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ohne den erforderlichen Pass oder Passersatz in der Bundesrepublik aufgehalten und sich somit gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG strafbar gemacht zu haben. Von diesem Vorwurf waren sie aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Zwar hielten sich die Angeklagten - nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens waren sie vollziehbar ausreisepflichtig - tatsächlich ohne Pass in Deutschland auf, auch waren sie von der Passpflicht nicht befreit. Indes konnte ihnen diese Passlosigkeit in strafrechtlicher Hinsicht nicht zum Vorwurf gemacht werden. Wegen passlosen Aufenthalts im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 1 AuferthG macht sich nämlich nur derjenige strafbar, dem es in zumutbarer Weise möglich wäre, einen Pass zu erlangen und der diese zumutbaren Eigenbemühungen unterlässt.
Vorliegend war es so, dass das insoweit zuständige Ausländeramt - die Kreisverwaltung Bad Dürkheim - beide Angeklagte zwar wiederholt dazu aufforderte, sich über die iranische Botschaft Ausreisedokumente zu beschaffen. In diesen Aufforderungsschreiben - etwa vom 13.6.2005 - war davor die Rede, dass "beigefügte Unterlagen einschließlich der sogenannten Freiwilligkeitserklärung" zu unterzeichnen und vorzulegen seien. Unter "Freiwilligkeitserklärung" ist eine schriftliche Erklärung zu verstehen, durch die kundgetan wird, man wolle freiwillig in den Iran zurückkehren. Indes kann hierin keine von den Angeklagten zu verlangende zumutbare Eigenbemühung zu sehen sein, da sie glaubhaft bekundet haben, nicht freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen.
Grundsätzlich kommt ein Ausländer seiner Verpflichtung, sich einen Reisepass zu beschaffen, nur dann nach, wenn er zumindest einen entsprechenden Antrag bei der diplomatischen Vertretung seines Heimatstaates stellt, was ihm grundsätzlich auch zuzumuten ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn er sich dadurch der Gefahr aussetzt, aus der Bundesrepublik Deutschland abgeschoben zu werden. Jedoch ist es einer Person - gleichgültig ob Deutscher oder Ausländer - schon in Anbetracht des unveräußerlichen Gebots der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht anzusinnen, eine Erklärung abzugeben, von der der Betreffende weiß, dass sie falsch ist. Eine Lüge kann auch darin niemandem abverlangt werden, wenn dies die Voraussetzung dafür ist, einer zweifelsfrei bestehenden Pflicht zur Ausreise zu genügen. Bereits das Aufenthaltsgesetz fordert wahrheitsgemäße Angaben des Ausländers, indem es unrichtige Angaben unter Strafen stellt (vgl. etwa § 95 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Es kann nicht sein, dass unrichtige Angaben in bestimmten Situationen unter Strafe gestellt, in anderen Situationen aber gefordert werden. Demnach ist einem vollziehbar ausreisepflichtigen iranischen Staatsangehörigen, der nicht freiwillig in den Iran zurückkehren will, unzumutbar, sich einen Pass bei seiner Auslandsvertretung zu verschaffen, solange sein Herkunftsstaat als generelle Voraussetzung einer Passerteilung iranischen Antragstellern abverlangt, eine Freiwilligkeitserklärung des Inhalts abzugeben, aus freien Stücken aus dem Bundesgebiet ausreisen zu wollen (vgl. hierzu OLG Nürnberg, Urteil v. 16.01.2007, 2 St OLG Ss 242/06 sowie OLG Köln, Beschluss v. 10.02.2006, 16 Wx 238/05).
Zwar konnte durch die Beweisaufnahme nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, dass seitens der iranischen Behörden für eine Passausstellung tatsächlich eine solche Freiwilligkeitserklärung gefordert wird.
Zweifel können jedenfalls nicht zu Lasten der Angeklagten gehen. Zudem war festzustellen, dass die Angeklagten durch bereits erwähntes Schreiben des Ausländeramtes vom 13.6.2005 ja gerade darauf hingewiesen wurden, dass eine solche Freiwilligkeitserklärung erforderlich sei. Unter diesen Umständen kann es ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, an der Passbeschaffung nicht mitgewirkt zu haben, da sie jedenfalls subjektiv davon ausgehen mussten, es werde Unzumutbares von ihnen verlangt.