VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 24.06.2008 - 5 K 1367/07 - asyl.net: M13919
https://www.asyl.net/rsdb/M13919
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, Erwerbstätigkeit, Vertretenmüssen, Mitwirkungspflichten, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Beweislast
Normen: BeschVerfV § 11
Auszüge:

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass der Beklagte ihm erlaubt, einer unselbstständigen Beschäftigung nachzugehen.

§ 10 Satz 1 der auf dieser Grundlage ergangenen Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung (Beschäftigungsverfahrensverordnung) vom 22. November 2004, BGBl. I S. 2934 in der Fassung von Artikel 7 Abs. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl. I S. 1970, S. 2114 regelt, dass geduldeten Ausländern mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden darf, wenn sie sich seit einem Jahr erlaubt oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten haben. Diesem Personenkreis darf allerdings gemäß § 11 Satz 1 der Beschäftigungsverfahrensverordnung die Ausübung einer Beschäftigung nicht erlaubt werden, wenn aus von ihnen zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen ihnen gegenüber nicht vollzogen werden können.

Ein Ausländer hat die Gründe dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, gemäß § 11 S, wenn er das Abschiebungshindernis durch Täuschung über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben herbeiführt. Diese Aufzählung ist allerdings, wie schon die Verwendung des Wortes "insbesondere" belegt, nicht abschließend. Darüber hinaus hat der Ausländer die Gründe auch dann zu vertreten, wenn er an der Beschaffung von Ausreisepapieren nicht entsprechend den gesetzlichen Vorgaben mitwirkt (OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 18 B 1772/05 -, InfAuslR 2006, 222 = NVwZ-RR 2007, 60 m.w.N. zur Rechtsprechung und zum Schrifttum).

Zur näheren Bestimmung des Vertretenmüssens im Sinne des § 11 Satz 1 der Beschäftigungsverfahrensverordnung können die Maßstäbe des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG zum Ausschluss der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen übernommen werden, was die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen betrifft (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 18 B 1772/05 -, a.a.O.).

Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Begriff des Vertretenmüssens im Sinne des § 11 Satz 1 der Beschäftigungsverfahrensverordnung zu Lasten des lediglich geduldeten Ausländers eng auszulegen ist, weil es sich um eine Ausnahmeregelung handelt. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang der §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 2 und 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, in der Regel nur dem Ausländer eine Beschäftigung zu erlauben, der im Besitz eines zu diesem Zweck erteilten Aufenthaltstitels ist. Da die Duldung, wie oben ausgeführt, kein Aufenthaltstitel im Sinne des Aufenthaltsgesetzes ist, darf umgekehrt einem geduldeten Ausländer nur ausnahmsweise eine Beschäftigung erlaubt werden.

Hieran anknüpfend ist über die Zumutbarkeit der einem Ausländer obliegenden Handlungen bei der Beschaffung von Heimreisepapieren unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei kann auch den individuellen intellektuellen Fähigkeiten des Ausländers Rechnung getragen werden (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2006 - 1 B 54.06 -, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Gliederungsnr. 402.242, § 25 AufenthG Nr. 4 und OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 18 E 413/07 -).

Diesen Anforderungen genügt das Verhalten des Klägers nicht.

Die insoweit maßgebliche Rechtsprechung des OVG NRW geht im Zusammenhang mit § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG von folgenden Grundsätzen aus:

Es ist die ureigene Angelegenheit eines Ausländers, seine Identität aufzuklären und sich bei der für ihn zuständigen Auslandsvertretung um die Ausstellung eines Ausweispapieres zu bemühen.

Deshalb hat ein ausreisepflichtiger Ausländer - wie der Kläger - alle zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht erforderlichen Maßnahmen, und damit auch die zur Beschaffung eines gültigen Passes oder Passersatzpapieres, grundsätzlich ohne besondere Aufforderung durch die Ausländerbehörde unverzüglich einzuleiten. Dabei hat er - und nicht etwa die Ausländerbehörde - sich gegebenenfalls unter Einschaltung von Mittelspersonen in seinem Heimatland um erforderliche Dokumente und Auskünfte zu bemühen.

Zweifel in Besitz auf die Unmöglichkeit einer Passbeschaffung gehen zu Lasten des Ausländers, weil er generell und damit insbesondere auch - wie hier - im Verfahren auf Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer unselbstständigen Beschäftigung für die ausschließlich seinem Einflussbereich unterliegenden, ihm günstigen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist und dies auch in Ansehung einer für ihn möglicherweise schwierigen Beweissituation gilt. Im Vordergrund steht hier, dass es um die Erfüllung von Obliegenheiten und Mitwirkungspflichten des Ausländers geht, hinsichtlich derer der Ausländerbehörde mangels eigener Wahrnehmungsmöglichkeiten regelmäßig auch keine Darlegung und kein Beweisantritt möglich sein wird. Erst wenn ein Ausländer die aufgezeigten üblichen Mitwirkungshandlungen erfüllt hat, trägt die Ausländerbehörde die Darlegungs- und Beweislast dafür, welche konkreten weiteren und nicht von vornherein aussichtslosen Mitwirkungshandlungen der Betroffene zur Beseitigung des Ausreisehindernisses noch unternehmen kann.

Dies zu Grunde gelegt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügt hat. Er ist von den zuständigen Ausländerbehörden seit dem Abschluss des ersten Asylverfahrens im Jahre 1998 immer wieder aufgefordert worden, Papiere vorzulegen. In diesem Zusammenhang durften die Behörden davon ausgehen, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Libanon einen eigenen Reisepass besaß, den er, folgt man ebenfalls seinen eigenen Angaben, vor seiner Ausreise dort zurückgelassen hat. Die Behörden durften auch davon ausgehen, dass die Eltern und neun Geschwister im Libanon leben. Hieran anknüpfend durften und dürfen die Behörden erwarten, dass der Kläger mit Hilfe seiner Verwandten Identitätspapiere aus dem Libanon vorlegt. Dies ist bisher nicht geschehen. Die von dem Kläger bisher lediglich vorgelegte Kopie aus einem libanesischen Personalregister reicht nicht aus, weil sich hieraus keine verlässlichen Angaben über seine Identität und Staatsangehörigkeit entnehmen lassen. Insbesondere hat der Kläger nicht das Vorbringen des Beklagten widerlegt, dass es sich bei der vorgelegten Kopie um eine Fälschung handelt.