Da umstritten ist, ob die Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung wegen einer schweren nichtpolitischen Straftat gem. § 3 Abs. 2 AsylVfG ausgeschlossen ist, wenn keine Wiederholungsgefahr besteht, kommt eine Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet gem. § 30 Abs. 4 AsylVfG nicht in Betracht, wenn die Frage der Wiederholungsgefahr offen ist (hier: früheres Mitglied der Volksmudjahedin im Flughafenverfahren).
Da umstritten ist, ob die Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung wegen einer schweren nichtpolitischen Straftat gem. § 3 Abs. 2 AsylVfG ausgeschlossen ist, wenn keine Wiederholungsgefahr besteht, kommt eine Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet gem. § 30 Abs. 4 AsylVfG nicht in Betracht, wenn die Frage der Wiederholungsgefahr offen ist (hier: früheres Mitglied der Volksmudjahedin im Flughafenverfahren).
(Leitsatz der Redaktion)
Der am 5. September 2008 sinngemäß gestellte Antrag,
1. der Antragsgegnerin zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, dem Antragsteller die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu gestatten, und
2. für den Fall der Einreise die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 6223/08.A gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 4. September 2008 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
hat Erfolg.
Die sinngemäße Fassung des Antrags beruht auf den gesetzlichen Vorgaben des § 18a Abs. 4, 5 AsylVfG.
Gemäß § 18 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG ist bei den Ausländern, die über einen Flughafen einreisen wollen, dort bei der Grenzbehörde um Asyl nachsuchen und sich dabei - wie der Antragsteller, der bei seinem Einreiseversuch über den Flughafen Düsseldorf am 1. September 2008 keinen gültigen Reisepass vorgelegt hat - nicht mit einem gültigen Pass oder Passersatz ausweisen, das Asylverfahren vor der Entscheidung über die Einreise durchzuführen. Gemäß § 18 a Abs. 3 Satz 1 AsylVfG ist diesen Ausländern die Einreise zu verweigern, wenn ihr Asylantrag vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird.
Da es sich bei der Entscheidung der Grenzbehörde um eine gebundene Entscheidung handelt, muss inzident die Entscheidung des Bundesamtes geprüft werden. Insoweit richtet sich der Prüfungsmaßstab des Gerichts gemäß § 18 a Abs. 4 Satz 6 nach § 36 Abs. 4 AsylVfG. Es stellt sich demnach die Frage, ob an der Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet abzulehnen, "ernstliche Zweifel" bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG).
Da das Bundesamt die Richtigkeit der Angaben des Antragstellers zu seinen Asylgründen nicht in Zweifel gezogen hat und sich solche Zweifel dem Gericht auch nicht aufdrängen, kommt als Anknüpfungspunkt für die Entscheidung, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, nur § 30 Abs. 4 AsylVfG in Betracht. Danach ist ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Voraussetzungen der Ausschlussklauseln des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen.
Ein Fall des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG liegt bei dem Antragsteller offenkundig nicht vor.
Wie das Bundesamt insoweit zutreffend angenommen hat, kommt hier mit Blick auf die Aktivitäten des Antragstellers für die Volksmudjahedin und seine nachrangige Stellung in dieser Organisation nur die Anwendbarkeit der Alternative des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG in Betracht. Es erscheint bereits nicht unproblematisch, ob die Einschätzung des Bundesamtes zutrifft, der Antragsteller, der an keinem Kampfeinsatz beteiligt war und bei den Volksmudjahedin als Bäcker gearbeitet hat, habe in der Vergangenheit durch seine Aktivitäten für die mit terroristischen Mitteln arbeitenden Mudjahedin eine schwere nichtpolitische Straftat im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG begangen. Hiergegen könnte die im selben Bescheid vorgenommene Bewertung sprechen, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen beim Antragsteller u.a. deshalb nicht vor, weil er von dem iranischen Amnestieangebot erfasst werde, das für Personen gelte, die nicht in Mordanschläge oder Attentate verwickelt gewesen seien; auch gehöre er nicht zum "harten Kern" der Mudjahedin. Letztlich kann diese Frage aber hier offen bleiben.
Ernstliche Zweifel daran, dass das Bundesamt die Ausschlussklausel vorliegend zu Recht angewandt hat, ergeben sich jedenfalls aus den folgenden Gründen:
Wie das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) in seinem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil vom 27. März 2007 - 8 A 4728/05.A - (veröffentlicht in juris) zu § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung, die mit der Regelung in § 3 Abs. 2 AsylVfG heutiger Fassung i.W. inhaltsgleich war, entschieden hat, ist die dort geregelte Ausschlussklausel "in Anlehnung an die Empfehlungen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) restriktiv auszulegen. Die danach hier allein in Betracht kommende 2. Alternative des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG ist in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention bei gemeinschafts- und verfassungskonformer Auslegung dahin zu verstehen, dass der Ausschlussgrund nicht allein der Sanktionierung eines in der Vergangenheit von dem Ausländer begangenen schweren nichtpolitischen Verbrechens, sondern daneben auch der Gefahrenabwehr dient und eine am Sinn und Zweck der Vorschrift sowie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Würdigung des Einzelfalls erfordert. Der Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 2, 2. Alt. AufenthG kann daher entfallen, wenn von dem Ausländer unter keiner Betrachtungsweise mehr eine Gefahr ausgeht, etwa weil feststeht, dass er sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt hat oder er ... aus gesundheitlichen Gründen zu politischen Aktivitäten nicht mehr in der Lage ist." (vgl. juris Rdnr. 90)
Nach dieser Rechtsprechung findet die Ausschlussklausel mithin nur nach einer Würdigung des Einzelfalls im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Anwendung. In diese Würdigung sind alle für die Beurteilung des kriminellen Charakters des Schutzsuchenden und des ihm angelasteten Verbrechens relevanten Faktoren einzubeziehen, mithin auch diejenigen Aspekte, die für die Beurteilung der Frage maßgeblich sind, ob der Betreffende - weiterhin - eine Gefahr für die geschützten Güter und Verfassungswerte darstellt (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. März 2007- 8 A 4728/05.A - juris Rdnr. 196).
Aus den Gründen, die das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 4. März 2008 - 14a K 3288/06.A - (veröffentlicht in juris) dargelegt hat und die das erkennende Gericht teilt (vgl. zu diesen Gründen: VG Gelsenkirchen, a.a.O., juris Rdnr. 97 - 99), ist die - einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht noch unterliegende - o.a. Rechtsprechung des OVG NRW zu den Anforderungen an die Anwendbarkeit der Ausschlussklausel auch für § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 AsylVfG in den ab 28. August 2007 geltenden Fassungen nicht überholt.
Da es zu der Frage, ob die Anwendung der in Rede stehenden Ausschlussklausel einer Würdigung des Einzelfalls im Rahmen einer auf das Gefahrenpotential des Ausländers bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung gibt, vielmehr das OVG NRW unter Auslegung der gesetzlichen Vorschriften eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt, bestehen hier ernstliche Zweifel an der sich allein auf § 30 Abs. 4 AsylVfG stützenden Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes.
Denn eine Einzelfallwürdigung im oben genannten Sinne hat das Bundesamt aufgrund seiner von der Rechtsprechung des OVG NRW abweichenden Rechtsauffassung, die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG sei ohne Prüfung einer Wiederholungsgefahr anzuwenden, nicht angestellt. Wenn allerdings nach der Rechtslage tatsächlich eine Einzelfallprüfung anzustellen wäre, sprächen hier mit Blick auf die entsprechenden - nach Maßgabe des in einem gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfungsumfanges - nicht erkennbar widersprüchlichen Einlassungen des Antragstellers, die vom Bundesamt nicht in Frage gestellt wurden und die - als wahr unterstellt - die Annahme einer Abkehr von den Volksmudjahedin begründen dürften (Selbstmordversuch), erhebliche Gründe dafür, dass der Ausschlusstatbestand - vorbehaltlich besserer Erkenntnis im Hauptsacheverfahren zu der Frage, ob der Antragsteller sich ernsthaft von dieser Organisation abgewandt hat - nicht greift und das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes im Gesetz keine Stütze findet.
Mit Blick auf die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils des Bundesamtes ist der Antragsgegnerin zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller die Einreise zur Durchführung seines Asylverfahrens zu gestatten.